Zeilensport: Vom Kochen und vom Sport
Langes Interview zum Wochenende von Christoph Biermann und Phillip Selldorf in der SZ mit Schalkes Rudi Assauer: “Wir müssen auch mal was zurückgeben“.
Ein typisches Assauer-Interview. Ein bißchen zu großspurig, ein bißchen Versicherungsvertreter-Mentalität (“Jeder Mensch in Deutschland weiß, dass auf Schalke „Veltins“ getrunken wird“), das Gespür für Populismus, Probleme werden zu Details heruntergeredet die im großen Bild keine Rolle spielen. Interessant wie sich Assauer im Interview als Alternative zu den Münchnern Meinungsmachern positioniert:
SZ: Aber mehr Geld vom Fernsehen hätten Sie trotzdem gerne?
Assauer: Moment! Ich würde mir erst einmal wünschen, dass nicht jeder was zum Thema rausbläst. Kalle Rummenigge will mehr Geld, Franz Beckenbauer will 20 Vereine in der Bundesliga, der will dies und jener das. Damit schwächen wir nur unsere Verhandlungsposition, das ist absolut unprofessionell. Wenn ich bei einem Sender säße, würde ich denken: „Was wollen die eigentlich?“ Wir sollten uns lieber mal mit ausgesuchten Leuten an einen Tisch setzen, um zu klären: Was ist die Bundesliga wert? […]
Und dann muss man sich überlegen: Über was reden wir hier eigentlich? Was will man? Die Fachleute kennen ja die Verhältnisse im Ausland: In Spanien zum Beispiel gibt es zwei Vereine, die vom Fernsehen sehr gut, und drei oder vier Vereine, die einigermaßen bezahlt werden – und der Rest kriegt einen Abklatsch, ein paar Mark fuffzig. Ist das gerechtfertigt? […]
Früher haben sie alle Angst gehabt vor den Deutschen. Heute kommt ein Klub wie Donezk mit vier Brasilianern und schaltet Schalke 04 aus.
SZ: Rummenigge würde sagen, dass das Geld fehlt, um international mitbieten zu können.
Assauer: Klar, das ist das A und O. Aber wie sagÂ’ ich es dem Kinde? Bestimmt nicht dadurch, dass ich immer alles gleich rausposaune. Dadurch erzeugt man nur Gegenwehr. Dann heißt es in der Öffentlichkeit: Die Fußballer verdienen doch genug Geld – was wollen die denn noch?
Das aktuelle Kochstudio
In der FAZ beschäftigt sich Jürgen Dollase mit dem Niveau von Kochsendungen im Fernsehen: “Ist das zum Essen oder Austreiben?“. Was das mit Sport oder Fußball zu tun hat? Das ging mir auf als Dollase schreibt:
So fällt etwa auf, daß Johannes B. Kerner, der im „ZDF-Sportstudio” niemals über Fußballspiele unterhalb der Zweiten Bundesliga berichten muß, beim Thema „Kochen” eine Art kulinarischen Breitensport zum Programm erhebt. Dabei wird die Komplexität des Faches, insbesondere aber das grundlegende System von Qualität, unterschlagen.
Dollase impliziert, dass die Sportberichterstattung besser sei, weil man sich nicht um Breitensport kümmert. Ich kotze hier hinreichend häufig über Sportberichterstattung im Fernsehen, Dollase Gleichung geht nicht auf.
Wenn man aber Dollases Artikel nimmt und das Wort “Kochen” mit “Fußball” und Küche mit “Sportplatz” ersetzt, dann taugt Dollase plötzlich als sehr präzise Analyse des Übels im Fernsehen:
Ein Zugewinn an Wissen, das nicht Strukturierung der Wirklichkeit, sondern Versicherung eines trivialisierten Verständnisses zum Gegenstand hat, wird schnell zu einem der typischen Mechanismen postpädagogischer Blockade: Wenn es schwieriger wird, machen wir uns vom Acker.
So gesehen, hat man – im übertragenen Sinne – nicht die Musik, sondern nur den Schlager entdeckt. Eine trivialisierte Popularisierung zieht in der Regel keinen soliden Übergang zum Interesse an der Sache selbst nach sich. Die selektive Berichterstattung sorgt eben auch nur für eine selektive Rezeption, bei der sogar die Gefahr besteht, daß sie gegenüber anderen Zugängen unduldsam wird […]
Auffällig ist zunächst das Fehlen der besten [Sportler im Fernsehen]. Es wäre ein höchst begrüßenswertes Anliegen, deren Kompetenz – die in weiten Teilen Allgemeingültigkeit besitzt und nicht etwa nur [eines] ominösen [Schlagerspiels] verpflichtet ist – in die Berichterstattung einzubinden. Einen möglichen Mangel an Fernsehkompatibilität gälte es durch entsprechend vermittelnde Formate auszugleichen.
Sodann fehlen Protagonisten, die wirklich fundamentales Wissen besäßen. Statt dessen hat uns institutioneller oder persönlicher Profilierungsdrang ein Sammelsurium von Besserwissern beschert, die ihre Privatmeinung […] ohne jedes Bedenken zu einer publikumswirksamen weichen Linie stilisieren […]
In einem anderen Sektor fehlt breitenwirksame Fernsehpräsenz völlig: Die Verknüpfung von ästhetisch-kreativem Glamour mit [Spitzensport] findet quasi nicht statt. In Kulturmagazinen glänzt man durch Abstinenz oder ist – ein weiteres Problem – nicht in der Lage, andere als oberflächliche Berichte zu produzieren. Die Bilderbögen in diversen Sendungen haben da vielleicht Ansätze aufgezeigt; sie sind in ihrer Wirksamkeit mangels festem Sendeplatz aber oft sehr eingeschränkt. Der Sprung in die Kulturdebatte jedenfalls wurde noch nicht vollzogen […]
Das Fundament aber bildet eine geschmackliche Sensibilisierung, die sich jederzeit auch ohne aktives [Fußballspielen] entwickeln kann und dabei eine hervorragende Ausgangsbasis für jeden praktischen Versuch bildet […]
Es geht dabei nicht allein um Stimulierung (ein Punkt, der – auch durch die populären Formate – weitgehend abgedeckt wird), sondern um den Aufbau einer geschmacklichen Orientierung im Dschungel der vielen schlechten bis bedenklichen Produkte [des Sports und der Medien] – dies […] ausdrücklich über einen Hedonismus der überragenden Qualität.
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