92 Minuten gegen die Wand: Liverpool – Chelsea 1:0

Ich glaub’ für so ein Spiel würd’ ich die gesamte diesjährige Bundesligasaison wegschenken. Was war das für eine Intensität die von den Zuschauern ausging und auf die roten Spieler weitergeleitet wurde… So habe ich Liverpool seit langem nicht gesehen: auf alles gegrätscht was Lebenszeichen von sich gab, um jeden Ball gekämpft, permanent sich gegenseitig angefeuert. Ich hoffe man hat in Liverpool genügend Sauerstoffzelte parat…

Ich habe Probleme aus der Startformationen irgendwelche Leute hervorzuheben aber was Carragher, Finnan und Rissee an Einsatz gezeigt haben, hat ja für drei Mannschaften gereicht.

Chelsea wirkte erstaunlich stupide. Dudek wurde in den 96 Minuten gerade mal zweimal geprüft. Keiner der sonstigen Schlüsselspieler verstand es gegen die kompakte und auf alles sich bewegende grätschende Liverpooler Abwehr Akzente zu setzen. Lampard? Cole? Terry? Drogba?

Sinnbild für das einfallslose Spiel der Blauen waren die nur selten eingesetzten Flügel. Gallas war als Rechtsfuß auf der linken Seite für die Offensive verschenkt, zog meistens zu früh in die Mitte. Geremi zeigte 1-2 gefährliche Reingaben, wurde aber zu häufig völlig ignoriert. Stattdessen stolperten Lampard und Co. in der Mitte herum und warteten darauf das Opfer eines langes Beines irgendeines heranfliegenden Mann von der Merseyside zu werden.

So gesehen, fand ich die Auswechslung von Joe Cole gegen Robben bizarr. Chelsea spielte knapp 80 Minuten mit einer Vierer-Abwehrkette gegen den 1-Mann-Sturm Barros bzw. Cissé.

Man kann über die Taktiken diskutieren. Ich fühlte mich aber mehr an den Ausspruch von Oliver Kahn nach dem Hinspiel bei Chelsea erinnert, der sich beeindruckt von der physischen Präsenz Chelseas zeigte, eine Körpersprache die anzeigte wer gewinnen wollte…

Chelsea kam mir vor wie die Bayern vor einigen Wochen. Düpiert von einem Gegner der entschlossener war. Chelsea hätte vermutlich noch 40 Minuten auf das Tor spielen können, sie hätten es nicht gebacken bekommen.

Die Art und Weise wie die Partie verlief und die grandiosen Fans waren auch ein ziemlich guter Antrag an die UEFA sich erweichen zu lassen und England mit fünf Mannschaften antreten zu lassen. Ich denke eine Ausnahmeregelung ist noch nicht vom Tisch. Und machen wir uns nichts vor: wie affig ist es, in der Championsleague auch den Tabellendritten von Hinterturkmenistan antreten zu lassen, aber nicht den Titelverteidiger?

Liverpool – Chelsea 1:0, 4te Minute Luis Garcia.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Einfach nicht zu toppen diese Spielkultur. Kaum Unterbrechungen, kein Gemeckere, keine Schwalben – und was für eine Stimmung! Das nenne ich wirklich Gänsehautatmosphäre. Kam selbst bei S1 ganz gut rüber. Wonti hat über lange Strecken seinen Mund gehalten hat – regelrecht marcelesque…

  3. Ja, genau, ein absolut intensives, spannendes Spiel. Das ist englischer Fussball at its best. Und diese Zuschauer; Wahnsinn was die für eine Stimmung verbreiten. Ihnen sei es gegönnt, das Pool die Champions League gewinnt.

  4. @Tierpfleger: Ja, richtig. Es war unglaublich über wie lange Phasen das Spiel ohne Freistoß-Pfiff auskam. Die frühe gelbe Karte für Baros ließ anderes vermuten.

    Sehr schön aber auch die Analyse des britischen Kommentators zu Chelseas Schlußoffensive, bei Hereinwechslung von Huth: “Und wenn wir uns die Frage gestellt haben, ob wir heute Championsleague-Football oder Premier League-Football zu sehen bekommen, so ist sie spätestens jetzt beantwortet.” Und von da an ging es bei Chelsea nur noch hoch und weit rein.

  5. Stimme voll zu, nur zwei kurze Anmerkungen:

    1. Das mit dem Spielfluss war mir schon im Hinspiel aufgefallen. Da habe ich dann irgendwann ind er ersten Halbzeit mal auf die Uhr geguckt. Volle zehn Minuten lang (ZEHN MINUTEN) hat der Schiri kein einziges Mal gepfiffen. Der Ball war in der Zeit zwei-, dreimal im Aus (auch schon wenig), wurde dann aber sofort und ohne großes Verschnaufen oder Gezetere wieder ins Spiel gebracht. Hammer.

    2. Wie schon “zuhause” gebloggt, gab sich Jose Mourinho im Interview bei Premiere als der extrem schlechte Verlierer, der er schon nach dem Barcelona-Spiel war. Das bessere Team habe verloren, weil ein 50%-Tor gegeben worden sei, und zwar nicht als Ergebnis einer Fehlentscheidung, die er akzeptieren könne, sondern als Ergebnis “anderer Dinge”. So spricht jemand, dessen Team in zwei Spielen nicht ein Tor zustande gebracht hat? Dessen Torwart unmittelbar vor dem Tor einen Elfmeter und eine rote Karte verursacht hätte, wenn der Ball nicht im Tor gelandet wäre? Unfassbar. Und der Versuch der Legendenbildung erinnert fast an Berti Vogts nach dem Ausscheiden bei der WM 98, als er ungenannte andere für das Scheitern verantwortlich machen wollte.

  6. Nunja, die ganze Geschichte heißt Championsleague. Ich für meinen Teil bin daher der Meinung, dass nicht mehr als zwei Mannschaften pro Liga antreten mögen … die anderen waren ja nichtmal Vize (is mir doch egal wer Titelverteidiger ist).
    Ich glaub ich wär sogar dafür, dass die Vizemeister erstmal im KO-System ein Qulifikations-Spiel absolvieren dürfen (wer verliert darf in den UEFA-Cup).
    Ja, irgendwie denke ich, dass zu viele Mannschaften in der CL rumkicken.

  7. 1.) Das Spiel gestern habe ich mir nicht angeschaut, Schiete!!!! Ich fand das hinspiel schon sehenswert.
    2.) @Deslizer:
    Bin ganz Deiner Meinung. Ich finde, dass nur alle Meister da hinein gehören…

  8. Frage: Wieviele Meister befinden sich in den diesjährigen Semifinals? ;-)

  9. mag sein, dass ich etwas parteiisch bin, ABER: ich bin komplett anderer meinung. das spiel war ein ziemlicher krampf. chelsea hat grauenhaft gespielt, hätte aber dennoch verdient ins finale kommen können [im nachhinein frage ich mich allerdings, ob sie gegen bayern so wesentlich anders gespielt haben, und ob ein bayern mit einem kopfballstarken verteidiger – statt kovac – nicht weitergekommen wäre]. liverpool hat überhaupt nicht gespielt, sondern 90 minuten mit 10 mann in der eigenen spielhälfte gestanden und ein schwaches chelsea nicht zu einem tor kommen lassen, im eigenen spiel nach vorne aber von vielleicht zwei chancen in den letzten 10 minuten mal abgesehen keine einzige ordentliche aktion gebracht, sondern: stümpertum in vollendung. den ball halten: das hat nur in den letzten fünf minuten funktioniert, da aber hart an der grenze zur völligen unsportlichkeit [dieses rumgeiere an den eckfahnen nach dem motto “ich halte jetzt einfach den ball, wenn du ihn haben willst, dann hau mich um, dann bleibe ich zwei minuten liegen, das publikum schüchert den schiri ein, und der wird dann schon abpfeifen”. der angeblich so toughe und ehrlich englische fussball. das wirkte schon sehr kontinental, fast hätte ich gesagt: italienisch). dass ein publikum sich das bieten lässt und am ende begeistert ist, zeugt von – echter fantreue. aber der fan ist ja bekanntlich strukturell idiot. mal ganz abgesehen davon, dass man nie erfahren wird, ob es denn wirklich ein tor war. spielfluss: klingt nett, war aber nur so, weil michel sehr vieles hat durchlaufen lassen, was er so nicht hätte tun sollen (zwei beispiele: die andauernden attacken von terry gegen baros in der ersten halbzeit, die tätlichkeit von traore gegen gudjohnson in der zweiten, eigentlich eine klare rote karte [gudjohnson fault traore, beide fallen im strafraum auf den boden, im fallen verpasst traore gudjohnson einen ziemlich brutalen ellenbogencheck, gudjohnson trägt einen cut davon]). und so weiter, und so fort. wie gesagt: ich sehe es völlig anders.

  10. ach ja, “tierpfleger”: auch wontorra hat außer dumpfestem ressentiment gegenüber chelsea (ja, was machen sie denn da, die herren milliardäre) und grenzenloser idealisierung des liverpooler publikums und der mannschaft wenig zu bieten gehabt. dass man ihm mit details nie kommen solle, war allerdings nichts neues (andauernde verwechslung von spielernamen, einmal hörte man die person, die offenbar neben ihm saß und die ihm die spielernamen zurufen musste.)

  11. @’wr’
    Möglicherweise ist Dir entgangen, dass ich Wonti dafür gelobt habe, dass er überdurchschnittlich viel geschwiegen hat. Das ändert zwar nichts daran, dass er ein unterdurchschnittlicher Kommentator ist, stellt aber einen Fortschritt dar.
    Das Spiel war gerade nicht ‘italienisch’, obwohl es von der Defensive bestimmt war. S.o.
    Das Publikum war der Hammer.
    Ja, ich bin ein struktureller Idiot… und im Übrigen auch Wirkungstrinker.