Zeilensport: Michels und Cole

Die Website des Guardians gehört zu den umfangreichsten und inhaltsreichsten Websites die es auch für den Sport gibt. Zur Verlagsgruppe gehört auch die Sonntagszeitung “The Observer” die im Gegensatz zum Guardian mit mehr “Tiefe” operiert.

Daher gibt es jeden Sonntag einen neuen Schwung an interessanten Sport-Artikeln auf der Website des Guardians.

David Winner, u.a. Autor eines Buches über holländischen Fußball (“Brilliant Orange: The Neurotic Genius of Dutch Football“), zeichnet ein Portrait des verstorbenen Rinus Michels: “Hail Michels, total genius “. Darin wird ausführlich auch Michels erste Amtszeit bei Ajax geschildert, widerspricht dem Bild der holländischen Schönspieler und analysiert warum es zur WM-Niederlage 1974 gegen Deutschland kam, eine Niederlage die mehr als nur ein verlorenes Spiel war.

Revealingly, the most spectacular flowering of Ajax’s total football came in 1971 and 1972 as Cruyff and his colleagues revelled in their freedom and ran the team themselves under the indulgent eye of new coach Stefan Kovacs. Equally revealingly, without Michels to dominate them, the superstars soon fell to squabbling and ill discipline destroyed the team a year later.

Michels and his Ajax protégés were reunited just before the 1974 World Cup finals in Germany. Old grudges were set aside and in just a month of gruelling preparation Michels integrated five players from Feyenoord into a thrilling new version the old Ajax system.

In that tournament Holland played football of a beauty, sophistication and originality that has not been equalled since. They swept majestically to the final in Munich and scored in the first minute before a Germany player had touched the ball. Yet instead of killing the game, they arrogantly tried to mock the Germans and paid heavily as the hosts fought back to win 2-1.

The Dutch have never fully recovered. […]

In truth as Dutch journalist Auke Kok brilliantly laid bare last year in a book with the provocative title 1974: We Were The Best , Michels also bears responsibility for his team’s lack of mental sharpness. During the tournament, he had become a part-time coach, flying several times to Barcelona, where his club were involved in the Spanish Cup. While the Germans prepared meticulously, Michels failed to send a scout to watch the hosts’ semi-final against Poland.

Unaccountably, despite his iron reputation, Michels also turned a blind eye as the Holland players started to live like rock stars, drinking, staying out late and frolicking in their hotel pool with local women. […]

Cole, Ashley

Ashley Cole ist eine der markantesten Figuren bei Arsenal. Eine der wenigen Engländer im Team, ja, sogar “local guy“, unweit von Highbury aufgewachsen.

Und in den letzten Wochen häuften sich die Indizien dass ausgerechnet dieser Cole zum “Erzfeind” Chelsea wechseln will oder zumindest angeboten bekommt. Was für hinreichend viel Schlagzeilen sorgt, da Arsenal vor Kontaktaufnahme nicht gefragt wurde, was ein Regelverstoß darstellt.

Cole gab dem Observer ein Interview. Fragen zu Chelsea waren verboten, aber auch so kotzte sich Cole hinreichend aus. Über die strengen Maßstäbe die an Arsenal angelegt werden, über die Verzweifelung in der Championsleague mit schöner Regelmäßigkeit vor dem Halbfinale auszuscheiden. Im Interview ist sehr schön zu spüren wie insbesondere die Abwehrprobleme und hier insbesondere bei Standardsituationen anscheinend tief in die Psyche von Arsenal eingedrungen sind.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Auch noch erwähnenswert: ( der Guardian liefert mehr guten Stoff als alle deutschen Tageszeitungen zusammen) Eine Verteidigung von Jose Mourinho, die manchmal eine sehr rosa Brille aufsetzt, aber den Kern der Faszination dieses Mannes trifft.
    Mourinho wirkt mehr als nur einen Schuss cleverer als die Kollegen, weil er das ganze Umfeld einfach aus einer breiteren Perspektive überblickt.
    Um mal eine pompöse Bemerkung aufzustellen: Er ist ( und da ist der Fußball spät dran) der erste postmoderne Trainer.

  3. Ich möchte nochmal auf meinen Eintrag von letzter Woche verweisen, bzgl. Ähnlichkeiten mit Christoph Daum.

    Auch bei Daum hatte man seinerzeit den Eindruck, dass Fußball nicht nur die 90 Minuten auf dem Platz sind, sondern auch die Minuten im Fernsehstudio, das Training unter der Woche, im Grunde genommen das ganze Leben. Folgerichtig begann Daum seine Fußballspiele schon viel früher als Samstag 15h30. Legendär seine bewusste Suche nach Konfrontation mit “Osram” Heynckes und Uli Honess.

    Das war eine Zeitenwende für Deutschland, das war der Bruch der Kausalkette Training -> Spiel -> Training etc… Das war der Beginn der Moderne im deutschen Fußball. Im Grunde genommen kam mit Daum sogar die Postmoderne vor der Moderne (Konzeptfußball a la Rangnick, Finke etc…)

    Daum hat(te ?) mit Mourinho gemein, die Selbstverständlichkeit auch außerhalb des Spielfeldes für das Spielfeld zu agieren, den Alltag komplett dem Fußball zu unterstellen. Alles war irgendwie Fußball, sozusagen der “totale Fußball”.

    Wo ich nicht mit der Aussage eines Psychologen im Guardian-Artikel konform gehe, ist die vermeidliche Leichtigkeit: “Both Ferguson and Arsène Wenger have a strong sense of unfulfilled ambition, but with Mourinho there is a joy to what he does, which is more important than a desire to crush the opposition. He does not need to shit on everyone else to make himself feel better.“.

    Mourinho ist keiner der die Schuld an Niederlagen bei sich oder der eigenen Mannschaft sucht, sondern “scapegoats”, Sündenböcke sucht. Die Verbissenheit mit der er das in letzter Zeit tut, lassen mich nicht glauben, dass das nur ein Psychotrick ist.

    Machen wir uns nichts vor: der bisherige Trip von Mourinho war nur Sonnenschein, alles ist bislang im Plan und selbst eine Meisterschaft wäre am Ende nur das was jedermann erwartet hätte. Ich bin aber gespannt wie Mourinho reagiert, wenn er Gegenwind bekommt. Ich meine wirklichen Gegenwind, der sich nicht nur an Petitessen und schlechten Manieren reibt.

    Richtig ist aber, dass Mourinho auf internationaler Ebene ein ganz anderer, derzeit einzigartiger und interessanter Trainer ist, von mir aus auch postmodern.

  4. Stimmt schon. Die Prämisse des Artikels, dass die Medienpräsenz von Mourinho nur auf kühler Kalkulation beruht, hat in letzter Zeit ein paar Kratzer bekommen.
    Besonders albern war es, sich den eher zufälligen und bizarren Ausgleich gegen Liverpool so offensiv an die eigene Brust zu heften. Ein “klassischer” Trainer hätte da viel zurückhaltender, vielleicht sogar demütig reagiert. Da hat Mourinho in der Emotion des Moments, der er sich auch nicht entziehen kann, die Sache falsch eingeschätzt.

    Das mit der Postmoderne hatte ich ja ein bißchen ironisch gebrochen. Das Postmoderne steckt vielleicht weniger in der Person als in der Tendenz, Fußballspiele so zu rahmen, das es am Ende gar nicht mehr um sportlichen Erfolg, sondern nur noch und so detailliert um das Medienbild des Trainers geht.

    Die Parallele mit Daum ist interessant. Also die inflated ego-Assoziation, weniger die biochemische. (Man erinnert sich an das brachiale Vorgehen gegen Adrian Mutu, das wäre dann schon eine bigotte Meisterleistung.) Beide waren ja eher Seiteneinsteiger, die nicht den klassischen Stallgeruch mitbrachten. Dafür aber eine neue Perspektive auf das Spiel.
    Mein Eindruck is aber schon, dass Mourinho die Ebenen Spiel und Medienzirkus besser getrennt kriegt als Daum ( damals ).

    Nebenbei mal angerissen: “Konzeptfußball” ist vielleicht auch nur so eine “Der Trainer ist der Star” – Geschichte. International gesehen ist das eine taktikmäßige Aufholbewegung, mehr nicht. Mit einem eloquenten, reflektierenden Trainer können Medien halt mehr anfangen als mit dem typischen kopfballstarken Innenverteidiger.