NFL-Wildcard: Cindy & Bert, Teil 1

Immer wieder sonntags kommt die Erinnerung
Dubdidubdidubdub dub
Ich hör’ die Bouzukis spielen
Grade so wie in der Sonntagnacht
Als das Glück uns zwei nach haus gebracht

Cindy & Bert sind längst geschiedene Leute, das Glück war also nicht von dauerhafter Natur und auch sonst bedarf der Schlager aus der Dieter-Thomas-Heck-Epoche einiger Überarbeitung.

1/ Wir hören keine Bouzukis spielen, sondern sehen Footballer spielen.

2/ Die Erinnerung kommt heute bereits um 22h30. Hallo Erinnerung, komm rein in die warme Stube und mache es dir bequem. Willste ein paar Chips?

An diesem Wochenende beginnt die erste Playoff-Runde der NFL und sie tut es mit vier Partien die es durch die Bank weg, in dieser Saison bereits gegeben hat, im Falle der NFC-Wildcards treffen jeweils zwei Divisionsrivalen aufeinander, haben also schon zwei Spiele gegeneinander in den Socken. Kein Wunder dass das Thema des “Déja-Vu” an diesem Wochenende gerne thematisiert wird.

Das zweite große Thema ist die Frage nach der Qualität. Gerade bei der NFC gibt es abgesehen von den Philadelphia Eagles vor der Verletzung von Terrell Owens kein dominantes Team und am letzten Tag sind die St.Louis Rams und die Minnesota Vikings mehr in die Playoffs reingetragen worden als mit stolzgeschwellter Brust einmarschiert. Die nach der Erweiterung auf 32 Teams immer wieder andiskutierte Frage ob man nun auch jeweils 8 Teams in die Playoffs bringen sollte, dürfte dieses Jahr eher piano besprochen werden.

Aber auch das muss gesagt werden: ich mag alle vier Ansetzungen und ich freue mich auf die Spiele wie ein kleiner Rauhhaarpintscher sich auf ein behaartes Männerbein zum Schubbern freut.

Seattle Seahawks – St.Louis Rams

22h30, PREMIERE. ABC-Kommentatoren: Mike Patrick, Joe Theismann, Paul Maguire

Und wenn ich von einem Qualitätsproblem in der NFC sprach, dann darf mit nackigem Finger auf diese beiden Mannschaften gezeigt werden. Neben den Vikings sind beide so schlecht, dass sie in sämtlichen “PowerRankings” von den Damen und Herren Experten irgendwo erst unterhalb Platz 15 auftauchen.

Und dieses Spiel ist das bizarrste vom Wochenende. Man kann sämtliche Statistiken nehmen und die Faktoren kühl gegeneinanderrechnen. Dann müsste am Ende des Spiels die Seahawks als Sieger den Platz verlassen. Nur: daran glaubt niemand und der Grund liegt im 10ten Oktober begraben.

Am 10ten Oktober trafen beide Mannschaften in Seattle aufeinander und die Seahawks erspielten sich einen 27:10-Vorsprung. Neun Minuten vor Schluß begannen die Rams mit einer Aufholjagd, das Spiel ging in die Overtime und wurde von den Rams mit einem TD entschieden: 33:27.

Davon konnten sich die Seahawks nicht mehr erholen und spielten eine Larifari-Saison. Die Rams wiederum haben durch diesen Auswärtssieg(!) unterm freien Himmel(!!) null Auftrieb erhalten. Beide Teams würgten sich in die Playoffs.

Warum Seattle verliert

Der letzte Playoff-Sieg der Seahawks liegt… 20 Jahre zurück.

Ray Rhodes. Die Niederlage der Seahawks gegen die Rams leitete auch die Demontage von Def.Coord. Ray Rhodes ein. Vor dem Spiel präsentierte sich Seattle mit der ligabesten Defense. Seit der Partie liefert die Abwehr im Wochentakt Offenbarungseide die auch taktisch bedingt sind.

Rhodes misslingt es völlig die Defense auf den Gegner einzustimmen. Wenn die Defense in der ersten Hälfte wegbricht, ist zur Halbzeit mit keiner Wende zu rechnen. Der Passrush ist nicht angriffig genug (nicht zuletzt durch Verletzungen auf der OLB-Position) und die Secondary hält dem Druck von gutem, tiefen Pass-Spiel nicht stand. Wenn Rhodes auf diese Schwäche reagiert und die Abwehr tief staffelt, ist man für das Laufspiel offen wie ein Scheunentor, das Spiel gegen Dallas zeigte es.

Warum Seattle gewinnt

In der Defense können die Seahawks nichts ernten, also müssen sie vorne punkten was das Zeug hält. Im Prinzip machbar, im Prinzip hat man das Spielermaterial.

QB Matt Hasselbeck bevorzugt zwar die Pocket, kann aber auch rausscrambeln. Er ist ein begnadeter, kraftvoller Werfer von tiefen Pässen, der manchmal aber zuviel Risiko geht. Das Problem im Passpiel der Seahawks ist nicht er, sondern die WRs die zuviele Pässe fallenlassen.

Das Wetter. Angekündigt ist Schneefall bei Temperaturen knapp über Null. Das ist ein anderer Schnack als das herbstlich-trockene Wetter beim Sieg der Rams in Seattle. Das ist Laufspielwetter und die Seahawks haben das bessere Laufspiel.

RB Shaun Alexander mit fast 1700yds der zweitbeste Runningback der Liga. Story am Rande: Alexander ist immer noch sauer, dass im letzten Spiel ihm ein potentieller Laufspielzug über 1yd zum TD verwehrt wurde, weil dadurch der Titel zum besten Laufspieler der Saison an Martin fiel.

Ein weiterer Grund weswegen die eher leicht paßlastigen Seahawks diesmal mehr aufs Laufspiel setzen könnten, lieg im Management der Spieluhr. Je mehr man die Rams-Offense aus dem Spiel halten kann, desto besser.

Warum die Rams gewinnen

Die Rams können ein Spiel lange offen halten. Nicht weil sie eine Willenskraft aus Stahl haben, sondern eine “Quick Strike”-Offense, die binnen vierzig Sekunden vom anderen Ende des Spielfelds aus zum TD ziehen kann.

Coach Mike Martz Offense wird nicht wirklich herausgefordert: der Passrush der Seahawks ist eher lauwarm, QB Marc Bulger wird viel Zeit bekommen in der Pocket sich einen Wurf zurechtzulegen. Und wenn estwas die Stärke der Rams ist, dann ist es die Fähigkeit der WRs das gegnerische Backfield durch entsprechende Routes auseinanderzunehmen. Wenn die Rams diese Zeit bekommen, gibt es ein Massaker.

Warum die Rams verlieren

Das Wetter. Vom gesamten Spiel sind die Rams wie maßgeschneidert für ihren schnellen, makellosen Hallenboden. Auswärtsbilanz 2004: 2-6. Dann in den Norden bei Null Grad draussen in der Kälte zu spielen, ist ein völlig anderer Schnack, möglicherweise noch mit nassen Leder, hartem Ball…

Mike Martz. Man hat immer den Eindruck, dass Martz Laufspielzüge nur mit Widerwillen einsetzt. Das Wetter ist eigentlich prädistiniert fürs Laufspiel und wenn sich Martz dem nicht fügt, kann er das Spiel dadurch verlieren. Zudem hat man mit RB Steven Jackson exzellenten Runningback für den lädierten Marschall Faulk, der aber, und damit sind wir wieder beim Thema, von Martz zu zaghaft eingesetzt wird.

Die Schlüssel

Der Schlüssel des Spiels wird die Offense der Seahawks sein. Gelingt es RB Alexander gegen die für schwach gehaltene rechte DL der Rams zu dominieren: Pickett, Lewis und Fisher?

Werden die Seahawks lange Drives produzieren können? Entscheidend dazu: Third-Down-Conversion.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp