Doping am Donnerstag
Zuerst blicken wir auf die drei Verdächtigen von gestern.
Gewichtheber Zoltan Kovacs/HUN – Dieser Dopingfall wurde inzwischen vom IOC offiziell bestätigt. Kovacs wurde wegen Nicht-Urinierens disqualifiziert und ausgeschlossen.
Dreispringerin Mbango Etone/CAM – Keine offizielle Bestätigung, das Gerücht stammt von jener griechischen Fernsehanstalt die als erste auch die gedopte Kugelstoß-Olympiasiegerin meldete. Da steckt also einiges an Glaubwürdigkeit hinter.
100m-Läuferin Nesterenko/BLR – Hier sind keine Infos oder Indizien dazugekommen. Es bleibt bei dürftigen bulgarischen Quellen für das Gerücht. Ohne mehr “Fleisch” kann das Gerücht erstmal ad acta gelegt werden.
Ich kann aber umgekehrt eine Doperin mehr anbieten:
Ruderin Olena Olefirenko/UKR – Olefirenko wurde positiv getestet und damit verliert der gesamte ukrainische Vierer seine Bronze-Medaille. Ein vom teamarzt verordnetes Medikament enthielt eine verbotene Stimulanz.
Ins Fadenkreuz des Interesse rückte gestern die griechische 400m/Hürden-Läuferin Halkia, die im Vergleich zum letztes Jahr schlanke 3,6Sekunden schneller läuft. Noch besser: sie ist gestern über die Hürden schneller gerannt, als letztes Jahr ohne Hürden (Quelle: CNNSI).
Schließlich möchte ich zwei Artikel der Süddeutschen Zeitung ans Herz legen. Thomas Kistner ist seit langem Sport-Journalist bei der SZ, u.a. mit dem Schwerpunkt Doping.
In “Doping-Fahrplan – E wie Erythropoietin” resümiert er die hinlänglich bekannten Verbindungen zwischen Marion Jones und BALCO. Grosso modo nichts neues, nichts worüber die Mercury News nicht schon vor Wochen berichtet hätte. Aber Kistners Artikel enthält eine interessante Zusatzinformation.
Es gab bislang eine Ungereimtheit: BALCO-Athleten überprüften ob im Urin noch etwas Nachweisbares drin war. Diese Vorgehensweise wurde einst in der Sowjetunion “Ausreisekontrolle” genannt. Dazu schickten sie Urinproben an die Labors von “Quest”, ein Labor welches just bei der US-Anti-Doping-Behörde USADA und dem IOC unter Vertrag steht, um offizielle Dopingproben auszuwerten. Wird da der Bock zum Gärtner gemacht? Eigentlich hätte Quest bei der Geschichte hellhörig werden müssen. Siehe ausführlichen Artikel der NY Times nachdem sich der deutsche Doping-Experte Werner Franke in den USA zu Wort gemeldet hat.
Kistner klärt auf: an der Westküste-Filiale von Quest arbeitet Victor Uralets, der in der Sowjetunion als Chef der dortigen (Anti)Doping-Labore just diese Methode perfektionierte. Wie lange wird der Quest-Chef Sample noch zu seinem Mann stehen können?
In diesen Tagen ist das Gegreine der Deutschen sehr groß: der Rest der Welt würde so fies dopen, man selber wäre so sauber. Extrem im Falle des Diskuswerfers Fazekas, bei dem u.a. Lars Riedel publik macht “das hätte man seit langem gewusst und den Doping-Fahndern als Tipp mitgegeben“.
Thomas Kistner weist in seiner Kolumne “Jammern – made in Deutschland” auf die wackelige moralische Fallhöhe der sauberen Deutschen hin:
Die Frage ist nur, steht es dem sportiven Spitzenpersonal des DLV überhaupt zu, mit dem Finger auf die anderen zu zeigen? Dass der Verband mit Schubert einen laut Gerichtsbeschluss „ausgewiesenen Fachdoper“ der DDR an seiner Spitze etabliert hat, der nie das Geringste zur Aufklärung des DDR-Dopingsystems beigetragen hat, fällt in Momenten wie diesen mit Wucht auf ihn zurück.
Denn Vergangenheit ist ja nicht einfach damit bewältigt, dass sie für vergangen erklärt, sondern indem sie aufgeklärt wird (ein vertrautes deutsches Problem). Schubert jedenfalls, zuständig für den Sprungbereich der im Menschen verachtenden Staatsplan 14.25 verankerten DDR-Leichtathletik, ist eher nicht der Mann, den der DLV in Fragen der Sportethik an die Front schicken sollte (übrigens hat auch Coach Steinmetz ein juristisches Doping-Intermezzo hinter sich). Insofern fehlt den deutschen Klagen die klare Linie, man könnte sagen: Die innere Glaubwürdigkeit.
Das lässt sich auch auf andere Funktionsträger ausdehnen. Als etwa Schwedens Leichtathleten aufgrund des dreisten Hickhacks um die griechischen Sprinter Kenteris/Thanou ihren Rückzug von den Spielen ankündigten für den Fall, dass die Betrüger hier starten dürfen, war diese Vorgehensweise den Leuten um DLV-Chef Clemens Prokop erklärtermaßen zu forsch.
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