Olympia-Abend mit Verlängerung
Berufliche Verpflichtungen ließen mich bis kurz nach sieben auf meinen Büro-Stuhl kleben, daher war nix mit Bahnrad und so. Dieses wurde heute morgen in einem zügigen Fünf-Minuten-Happen heute morgen in den EUROSPORT-Breakfast-News nachgeholt (gute Einrichtung, übrigens!)
Aber trotzdem war der gestrige Abend mit reichlich Highlights gesegnet.
Das wäre das Hallenhandball-Spiel (Männer) Deutschland – Spanien, Halbfinale. Ein Spiel wie es so wohlmöglich noch nie gegeben hat.
30 Sekunden vor Spielende gelingt den Spaniern in einer hautengen Partie der Ausgleich, das Spiel geht in die Verlängerung. In der ersten Häfte (5Minuten) der ersten Verlängerung gelingt keiner der Mannschaften ein Treffer, die zweite endet 1:1.
Nochmal 2×5 Minuten Verlängerung, die ihrerseits 2:2 endet, es kommt zum Siebemeter-Werfen. Auch hier: kaum einer geht rein. Bei den Deutschen einer mehr, Deutschland zieht ins Finale ein, wo man auf die “Turniermannschaft” Rußland trifft, die gestern gegen Frankreich gewonnen haben.
Umschalten auf ATHEN4: hier schleppt sich ein 0:0 zwischen den Hockey-Damen China und Deutschlands in die Verlängerung und dann ins Siebenmeter-Schiessen. Sehen zuerst die chinesischen Schüsse recht lasch aus, überfällt später die deutschen Schützen Nervösität und die Torfrau, die mit ihren bunten Schaumstoffschonern wie ein Playmobil-Männchen aussieht, muss die Sache rausreißen.
Die Leichtathletik sah hinreißende Wettbewerbe. Die 100m Hürden waren durch den Sturz der Favoriten Felicien, die eine Medaillenanwärterin beim Sturz mit ins Verderben riß, gekennzeichnet. Felicien blieb minutenlang in der umgestürzten Hürde sitzen, war dann endlos sauer, redete auf Offizielle ein, pfefferte ihre Schuhe sonstwohin, ehe die Trauer über sie hineinbrach und sie sich auf den Boden hinlegte bzw. später die starke Schulter vom Landsmann und EUROSPORT-Analysten Donovan Bailey in Anspruch nahm.
Die 3.000m/Hürden boten eine kuriose Szene, als nach der vorletzten Hürde Kemboi/KEN sich absetzte, aber sich mehrmals umdrehte und seine beiden Landsmänner heranwinkte, wie um sie vorbeizulassen, nach dem Motto “das war vorher anders abgesprochen“. Da die beiden aber hinreichend viel mit Aber/QAT und Martin/ESP zu zun hatte, musste Kemboi “in den sauren Apfel” beissen und gewinnen. Es wurde am Ende aber doch noch ein Triple-Sieg für Kenia.
Dramatik und rühende Szenen gab es bei den 1.500m/M. El Guerrouj, der Mann dem schon 2x Olympia-Medaillen versagt blieben, führte das Rennen von vorne weg an. In der letzten Runde beschleunigte er, doch überraschend konnten sein “Erzfeind” Lagat/KEN und Silva/POR noch dranbleiben. Das war nicht nach Plan, El Guerrouj ist ein Beschleunigungsläufer und Lagat ein starker Spurter. Kopf an Kopf biegen Lagat und El Guerrouj auf die Zielgerade ein, wie erwartet überholt Legat, doch 50m vor dem Ziel geschieht das überraschende, El Guerrouj kämpft und kann kontern. Guerrouj gewinnt mit 1m Vorsprung.
Hinterm Ziel bricht Guerrouj zusammen und ist nur noch ein Haufen Elend, sichtbarer Ausdruck der Riesenlast die diese zwei verpassten Olympia-Siege für ihn waren. Anrührende Szenen, denn der erste der bei ihm war und ihn minutenlang tröstete, war Bernard Lagat. Das waren Momente, in denen die Leichtathletik für feuchte Augen sorgt. Guerrouj war überhaupt nicht mehr von der Bahn zu bewegen, alle, alle wirklich alle herzten ihn, er hielt sein kleines Baby (schätzungweise 1 Jahr alt) in die Höhe.
Der Stabhochsprung/F profitierte von idiotischer Terminansetzung. Der Wettbewerb dauerte wesentlich länger als gedacht und hatte dafür in der Schlußphase, alle anderen Wettbewerbe waren längst zu Ende, seine dramatischste Phase und ungeteilte Aufmerksamkeit. Das saisonlange Duell zwischen Weltrekordhalterin Isinbayeva und Stammhalterin Feofanova mündete in dem Kampf um die Goldmedaille.
Nach einem überraschend gerissenen 4,70m-Versuch von Isinbayeva und einem gelungenem von Feofanova, ging letztere in Front. Isinbayeva hob sich ihre zwei Versuche auf, versuchte 4,75m und riß. Feofanova schaffte die 4,75m im zweiten Anlauf. Isinbayeva hob ihren letzten Versuch deswegen für 4,80m auf. Feofanova riß 4,80, alles kam auf den einzigen Versuch von Isinbayeva über 4,80m an. Und trotz der nervlichen Belastung, schaffte sie ihn klar. Feofanova hatte dem nichts entgegenzusetzen. Die späteren 4,85 und 4,90m riß sie jeweils.
Bemerkenswert das Isinbayeva zur Krönung auch noch die Weltrekordmarke von 4,91 auflegen ließ und im ersten Versuch schaffte. Auch hier wunderbare Szenen von spontan ausbrechender Freude. Das ist halt was anderes als abgefuckter Jubel von routinierten Sportstars westlicher Prägung.
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