Schummrige Eröffnung
Wie unschwer anderenortes nachzulesen, war es dank gekapptem Stromkabel eine holprige Eröffnung mit einer Stunde Verspätung. Während die ARD ihr Zuschauer mit Vicky Leandros, Olympia-Gala und Schrifteinblendungen nicht bei Laune hielt, versuchte sich PREMIERE mit Zapping, Oliver-Kahn-Dokumentation und Marcel-Reif-Reportagen (“Ich habe großen Respekt vor den Kollegen vom Radio” … “Freund, ihr müsst mir auch mal sagen, was es zu sehen gibt, sonst hänge ich total in der Luft“) via Handy über die Runden zu retten, zweifellos die zielgruppenkompatiblere und informativere Lösung.
Als es nach einer Stunde losging, gab es exakt eine funktionierende Fernsehkamera und eine Telefonleitung für Marcel Reif (ich nehme an, das wird bei der ARD nicht anders gewesen sein) und allerorten wurden die Augen feucht. Man fühlte sich an die Kindheit zurückerinnert, als Reporter und Zuschauer sich ihre Kommunikation quer durch die Unbillen osteuropäischer oder transatlantischer Telefonleitungen erkämpfen musste, als man Mittwoch nachmittags vor dem Radio sass und auf Mittelwelle Kurt Emmerich von irgendeinem HSV-Spiel in den Weiten der sowjetischen Latifundien kommentierte [1], [2], [3].
Irgendwann, vor den Zeiten der Faßbenders, Beckmanns, Simons, Poschmanns und Kerner.
Zumindest zwanzig Minuten lang. Dann gab es wieder Nahaufnahmen, Zeitlupen und Abseitsdiskussionen. Und später fabulierte Rehhagel gestenreich von der Schlechtigkeit des Fernsehens, dass die Verspätung verschuldet haben soll (ohne TV kein Spiel, was nicht stimmte).
War noch was? Ach ja, das Spiel. Wer weiß wie sich das Spiel entwickelt hätte, wenn das Schiri-Trio nicht eine sehr defensivfreudige Auslegung von Abseits bevorzugt hätte…
Werder Bremen schrieb seine Leistungen vom Ligapokal-Finale fort. In der ersten Halbzeit ein kraftloser, lauer Sommernachtskick. Schalke verstand es nicht diese Phase zu nutzen und ließ sich schnell auf gleich niedrigem Niveau einlullen.
Zur zweiten Halbzeit wurde das Spiel besser, weil Werder immer mehr lichte Momente bekam und Schalke dem kaum was entgegenzusetzen hatte. Wenig lief bei Bremen über die etablierten Spieler wie Ernst, Micoud oder Baumann, viel aber über die Neuen oder “zweite Garnitur” wie Pasanen oder Borowski.
Lobenswert an den Bremern: dem Frust nicht nachgegeben zu haben und trotz offensichtlicher Abstimmungsschwierigkeiten immer wieder Klasnic und Klose anzuspielen. Beide waren in Sachen Torschüsse und Gefahr nicht sehr effektiv, aber ich fand sie fleißig, agil und bemüht, mehr erwarte ich zu diesem Zeitpunkt der Saison von zwei EM-Fahrern nicht.
Schaaf zeigte gutes Händchen bei den Einwechselungen. Magnien für Stalteri brachte immerhin fünf Minuten lang viel Druck über den linken Flügel und Valdez für Klose, sorgte in den letzten zehn Minuten mit seinem Drang zum Dribbling für richtig viel Wirbel gegen matte Schalker Abwehrspieler.
Der Sieg von Werder: Eckball auf kurzen Pfosten, Verlängerung auf zweiten Pfosten (von Klasnic?) wo Ismael gegen den Lauf wieder auf den anderen Pfosten köpft und Valdez den Ball an Rost vorbeidrückt. 84te Minute.
Schalke hat mich enttäuscht, nach den runden Siegen im UIcup dachte ich, sie wären weiter. Sie hätten vorallem aus dem über lange Zeit schwachen Bremer Spiel mehr machen müssen. Die Abwehr zeigte noch Abstimmungsprobleme, vom Mittelfeld kam zuwenig für Ailton während sein Partner Hanke ein Totalausfall war.
Es wird immer gesagt, das Ailton auf Schalke ein Micoud fehlt. Das ist falsch. Mittelfeldspieler die den tiefen Pass auf Ailton schlagen können, gibt es genug. Nein, Ailton fehlt vorallem ein Klasnic, der den kurzen, steilen Pass auf ihn spielt. Hanke hat noch nicht mal den Versuch gemacht mit Ailton zu spielen. Das ist das was die beiden von Klasnic und Klose unterschied.
Beide Mannschaften liessen gestern ihr Flügelspiel komplett in den Kabinen.
Erwähnenswert auch Werders Torwart Reinke, der in Sachen Strafraumbeherrschung und Rauslaufen zweimal fast fatale Fehler zeigte. Nicht das erste Mal in dieser Saison. Aber Bremer sollten diesbezüglich noch aus der Reck-Ära einiges gewohnt sein.
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