Steher-Wettbewerb in Silverstone
Ich habe mir lange überlegt ob ich etwas zum gestrigen Qualifying der Formel 1 in Silverstone schreibe. Eigentlich wollte ich nix schreiben, bis gestern abend Details bekannt wurden, die das gestrige Qualifying und damit die gesamte Formel 1 zum Idiotenzirkus stempeln.
Gestern wurde wie üblich das zweigeteilte Qualifying durchgeführt: das erste Mal fahren die Fahrer eine schnellste Runde um im zweiten Qualifying an günstiger Stelle, also möglichst spät zu starten.
Doch es passierten kuriose Dinge. Mit McLaren anfangend, legten die Wagen plötzlich einen Steherwettbewerb hin. Man nahm mitten auf der rennstrecke das Tempo raus und gondelte vor sich hin. McLaren hatte eine Wettervorhersage die Regen für die zweite Hälfte des 2ten Qualifyings vorhersagte. Daher das begehren eine möglichst langsame Zeit hinzulegen, um früh im Qualifying zu starten.
Sollte dieses eintreffen, wäre es Glück im Unglück gewesen, denn beide Ferraris haben Fahrfehler hingelegt (Dreher bei Schumacher, Ausritt bei Barrichello) und keine Top-Zeit im 1ten Qualifying erzielt.
Die Rechnung aller ging aber nicht wirklich auf. Das zweite Qualifying fand trocken statt. Da aber die Bedingungen auf Rennstrecken stabil waren, war es eh schnurz, wer wann fuhr, das Qualifyingergebnis war nicht sonderlich anders sortiert als sonst auch.
Das hinterließ, gelinde gesagt, einen derben Nachgeschmack.
Zum völlig absurden Theater wurde es aber im Nachhinein von Ferrari gemacht. Man sollte meinen Ross Brawn und die Ferraristis hätten aus den Ereignissen des A1-Rings von 2-3 Jahren gelernt (Barrichello ließ sich nach Funkspruch auf der Zielgerade von Schumacher überholen).
Ron Dennis in Pressestatements verbittert, dass nicht McLaren sondern eigentlich Ferrari die eigentlichen Schmierendarsteller gewesen sind, die alles ins Rollen gebracht hätten, durch die zwei absichtlichen Fahrfehler.
Als bei Ross Brawn nachgefragt wurde, antwortete er lt. F1-Welt: “Unsere Wettervorhersage sagte Regen für die zweite Hälfte des Qualifyings voraus, weswegen wir nicht riskieren wollten als Letzte herauszufahren.”
Barrichello: “Ich fuhr im ersten Qualifying in einer Kurve hinaus um eine langsamere Zeit zu erzielen”
Schumacher: “Es war eine interessante Session und aus strategischen Gründen entschieden wir uns im Pre-Qualifying nicht allzu gut auszusehen”
Wie schmerzfrei muß man eigentlich als Team sein, um so schnurstracks im Fettnäpchen zu baden? Wie wenig Kontakt zum zahlenden Zuschauer muss man haben, um derartig alle Sensibilitäten auszuräumen?
Reaktionen
Ich weiss jetzt nicht, welchen Kommentar Du geschrieben hättest, wenn sie irgendeine Ausrede gebracht hätten (“Ich wollt’ ne schnelle Runde fahren, aber bin in der einen Kurve zuweit gegangen”), statt zuzugeben, was Sache war.
Man kann es im Grunde doch niemandem verübeln, so zu fahren, dass es den meisten Erfolg verspricht. Das Reglement ist für alle gleich, und irgendwo ist es nur verständlich, dass jeder versucht, innerhalb der Regeln das Beste herauszuholen.
Schlimm genug, dass man sich auf dieses aberwitzige Manöver eingelassen (schließlich hat es ja doch nicht geregnet, siehe auch Statement von Alex Wurz auf PREMIERE) hat.
Aber das Ferrari noch nicht mal den Mumm hat, offen dazu zu stehen, wie McLaren und Konsorten, sondern dieses mit Ausflügen versuchen zu kaschieren, das gibt dem Ganzen groteske Züge. Selbst ein Marc Surer wollte nicht glauben, dass das absichtliche Ausflüge bei Tempo 200 plus x gewesen sind.
Wie kann ein Michael Schumacher noch ernsthaft für Sicherheit auf Rennstrecken eintreten, wenn er der Vertuschung wegen (sprich: niederen Beweggründen), solchen Bolzen auf der Strecke treibt?
Was bringt es dem Sport, wenn man inzwischen bei jedem Manöver sich fragen muß, isses Fake oder real?
Ja, Ferrari hat innerhalb der Regeln gehandelt. Betrachtet man die Summe der Vorfälle der letzten Jahre, so konstatiere ich, dass die Roten des Egoismus wegens jenen “sportsmannship” der gerne in den Automobilbroschüren herbeizitiert wird, mit Füßen treten.
Das ist der Grund weswegen auch sieben Weltmeistertitel nicht reichen werden, um die Aura eines “Old-School”-Weltmeisters wie Mansell, Senna, Fangio oder Graham Hills zu erreichen.