Advocaat Diaboli

Halbfinale POR – NED 2:1

Es schien schon seit Wochen wie ein Menetekel an der Wand geschrieben zu sein: Coach Dick Advocaat wird bei einem Scheitern der Niederlande der Sündenbock Numero Uno sein.

Und mit was? Mit Recht. Advocaat wankte wie angeschossen von Spiel zu Spiel. Sein Verhalten glich dem eines Bundesligatrainer in den letzten Tage vor seiner Entlassung. Wenn aus Ratlosigkeit oder Hypersensibilität selbst allerkleinsten Indizien als Belege herangenommen werden, um die Mannschaft noch einmal zu verändern, nicht unähnlich Santini bei den Franzosen.

Seit der Vorbereitung hat Advocaat keine Stammelf gebildet. Nach dem letzten Vorbereitungsspiel wurde die 4-4-2-Taktik komplett umgeschmissen, Rückkehr zum 4-3-3. Während des Turniers kam es zu keiner Ruhe im Kader, es wurde wild gewechselt. Overmars oder Robben, Overmars oder Van der Meyde, Van der Meyde oder Makaay, Seedorf oder Van der Vaart, was ist mit Snijder, der eine gute Vorbereitung spielte? Wieso die Demontage eines Edgar Davids? Das Thema liesse sich endlos fortsetzen. Scolari implementierte mit einem Axthieb nach dem Griechenland-Spiel eine neue Struktur, die dann Bestand hatte.

Keiner der vorher so ausgezeichnet spielenden jungen Oranjes konnte in der EM auch nur ansatzweise internationale Klasse zeigen (von Robben gegen Schweden abgesehen)

Das holländische Umfeld ist ein schwieriges. Öffentlichkeit und Experten haben hohe Erwartungen und die Spieler ein Ego von hier bis zum Mittelmeer und tragen immer wieder Kleinkriege in das Team rein. Advocaat scheiterte, weil er den holländischen “Augiasstall” nicht ausmistete.

Vielleicht war sogar das Schweden-Spiel der Killer für Holland. Eine mäßige Leistung gegen einen limitierten Gegner. Glaubten die Oranjes das Spiel gegen Portugal mit der gleichen Kühle und Reserviertheit angehen zu können?

Es gab keinen Spielfluß, Nistelrooy verhungerte jämmerlich und versuchte mit unfairem Einsatz und Schwalben rauszuholen, was spielerisch nicht rauszuholen war. Ein Overmars, dem kein Beobachter ein Spiel über 90 Minuten zutraute, wurde zur Halbzeit gegen Makaay ausgewechselt. Jener bekam weniger als keine Bälle und lief bis in die eigene Hälfte um an die Bälle zu kommen.

Im Stadion müssen sie vermutlich in der Mitte den Rasen neu auslegen, denn die Oranjes “vergaßen” mit ablaufender Spieluhr die Flügel. Was Reizinger und Van Bronckhorst — doch, beide waren anwesend — war Alibifußball.

Die Portugiesen haben das gemacht, was sie machten mussten: von der ersten Minute an Feuer ins Spiel reintragen. Unverständlich die Entscheidung von Scolari mit Pauleta zu starten und Nuno Gomes nicht zu bringen, da ist Scolari dann doch eigen.

Keine Mannschaft hat sich im Laufe des Turnieres so dramatisch von Spiel zu Spiel gesteigert wie der Gastgeber. Das läßt sich am Mittelfeld festmachen, wo Maniche, Deco, Figo, Ronaldo und Costinha ihre Rollen und Laufwege inzwischen kennen. Sie rochieren alle munter miteinander und beschwören die Hölle für einen Deckungsverband herauf, der nie weiß, wer jetzt wo spielt. Nicht auszudenken, wenn sie jetzt vorne auch noch einen — Achtung, Haßkappenwort — Knipser hätten.

Ein Portugal-Tschechien-Endspiel ist die logische Konsequenz aus dem seit 19 Tagen Gebotenen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp