Deutschland: Erwartungen erfüllt
Das Spiel gegen die Tschechen war über weite Strecken erbärmlich, die versiebten Chancen atemberaubend. Das Ausscheiden spiegelt die Kräfteverhältnisse in der Gruppe korrekt wieder. Damit kann diese EM in Sachen deutsche Nationalmannschaft schnell abgehakt werden.
Mann des Tages war für mich Rudi Völler. Warum alle den Rudi lieb haben, hat sich im Interview mit Hartmann nach dem Spiel gezeigt. Instinktiv wählte er die richtigen Worte für die Ansprache an die Nation. Er wirkte sichtlich geknickt, bekam aber die rheotische Wende zur Perspektive: die Nationalmannschaft würde nicht so schlecht dastehen wie vor vier Jahren, nicht zuletzt weil es eine recht junge Mannschaft ist (hat jemand einen Vergleich der Altersdurchschnitte?).
Das war hochdosiertes Völler-Konzentrat, da wurde einem ganz warm ums Herz, der Frust schnell vergessen. Man ahnte warum mit schöner Regelmäßigkeit etliche Spieler unter Völler um diverse Prozentepunkte besser spielen, als im Verein (ja, Beckmann, der Schneider nicht, das haben wir gestern genügend häufig von dir um die Ohren gehauen bekommen, der Schneider, die Rückrunde, seine Tore und so…, spätestens seit gestern, 22h07 dürfte Schneiders Haus in Leverkusen in Schutt und Asche liegen).
Zwar hat Völler Recht und diese EM sah in der Tat nicht so trostlos wie die Ribbeck-EM aus (trotz des erschreckenden Faktums, dass die Deutschen seit 8 Jahren kein EM-Spiel gewonnen hat, ausgegraben von Thomas/generation neXt)
Es gibt aber zwei Dinge die erschrecken:
Weiterhin besitzt die deutsche Nationalmannschaft keinerlei mentale Stärke. Es zieht sich durch die gesamte Völler-Ära und war schon Grundthema der WM2002. Kleinste Erschütterungen auf dem Spielfeld geben der Mannschaft einen Knacks. Man erinnere sich nur, wie unsouverän man bei der WM etliche Führungen über die Zeit rettete, immer wieder von alleine den Gegner wieder ins Spiel brachte.
M.E. ist es ein Problem, das zu wenige Schlüsselspieler (Ballack, Frings, Stürmer) im Ausland spielen, sondern lieber am kuscheligen heimatlichen Herd bleiben.
Das zweite: wie einfach es derzeit ist, Spieler in die Nationalmannschaft zu schreiben. Ich mache das an Christian Rahn, Schweinsteiger und Podolski fest. Wenn ich die Erklärung von Skibbe zur Halbzeitpause richtig verstanden habe (bin mir nicht sicher), dann war der Hauptgrund für Podolski, die deutschen Fans wieder ins Spiel zu bringen.
Ist das eine Bankrotterklärung oder eine Bankrotterklärung? Ich würde mir allgemein mehr Standfestigkeit gegenüber zu frühe Nominierungen wünschen. Bei Lahm ist es gut gegangen, bei Hinkel, Rahn, Schweinsteiger und Podolski war es kontraproduktiv.
Zugegebenermaßen ist es aber auch eine Reaktion auf das Dilemma auf zahlreiche Positionen keine Auswahl zu haben. Das zeigt sich auch an den Einwechselungen von Völler/Skibbe. Wieviele Spieler waren im EM-Kader, von denen man von vornherein wusste, die würden nie spielen?
Wenn ich mir eine Nationalmannschaft schnitzen müsste, unabhängig von derzeit verletzten Spielern, kriege ich elf Leute zusammen, die eine exzellente Perspektive für die WM2006 haben. Aber wehe ich muss elf weitere Spieler als Ersatz, Konkurrenz oder Ergänzung suchen. Dann wird es verdammt knapp.
Zum Schluß zur Trainerfrage: der Gedanke an Hitzfeld als Völlerersatz läßt mich unruhig werden. Wie schon desöfteren dieses Jahr gesagt: Hitzfeld hat noch nie bewiesen junge Talente an Mannschaften heranführen zu können. Da lasse man sich auch nicht durch Rickens Treffer gegen Juve blenden.
WM geht weiter, für Adrenalin wird weiter gesorgt, die nationale Hysterie entfällt, nun kann wieder unaufgeregter EM geguckt werden.
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