Fiktion Beckham – Fakt Zidane
Frankreich – England 2:1. Ein erstes absolutes Highlight der EM, ein Spiel was als “Klassiker” die nächsten Jahre auf EUROSPORT rauf und runtergeorgelt wird.
Betrachtet man die gesamten neunzig Minuten, ging der Sieg der Franzosen in Ordnung. Der Angriff der Engländer war über weite Strecken zu harmlos. Es war folgerichtig, dass der englische Treffer durch einen Standard erzielt wurde. Beckham per Freistoß, scharf vors Tor gezogen. Lampard in der Rückenlage befindlich, brauchte nur die Birne hinzuhalten. Beckham hat das Ding so scharf geschossen, das auch der abgeprallte Ball wie ein Geschoss in den Kasten ging.
Der Angriff der Engländer war harmlos und im Mittelfeld, das entgegen der vorschnellen Analyse von Bela Rethy nach nur sechzig Sekunden, nicht als Raute sondern als rochierende 4er-Kette spielte, nahm man sich gegenseitig den Platz weg. Scholes, Lampard und Gerrard wirkten verschenkt. Lampard konnte immerhin nach vorne dann und wann Akzente setzen.
Nach dem Führungs-Treffer konnte sich Rooney immer stärker in Szene setzen. Durch seine unsympathische Terrier-Art mischte er die Abwehr ganz schön auf, allerdings immer an der Kante zur Tätlichkeit.
Die Franzosen spielten in der ersten Halbzeit nicht so schlecht, aber nicht druckvoll genug. Von Henry nicht viel zu sehen.
In der zweiten Halbzeit begannen die Franzosen druckvoll, erhöhten das Tempo, verloren aber immer mehr die Linie. Wo Henry das Zepter in der Hand nahm, tauchte Trezeguet völlig ab, wo Viera immer stärker wurde, spielte Zidane immer stupider, schlug die Bälle aus dem Halbfeld blind in den Strafraum. Der so starke rechte Flügel mit Gallas und Pires wurde ignoriert, während mehr über Lizarazu gespielt wurde, der aber die Flanken wie meine Großmutter schlägt. Top-Kandidat für den Christian-Ziege-Gedächnis-Pokal.
Die Engländer zogen den Franzosen den Zahn mit physischem Spiel und zahlreichen Unterbrechungen, die den Franzosen den so dringend benötigten Spielfluß raubten, und später durch lange Ballstaffetten, so dass die Blauen gar nicht erst an den Ball kamen.
Eigentlich war das Spiel in trockenen Tüchern.
Doch dann Auftritt Barthez. In einer kuriosen Szene bekam er den überraschend wuchtig abspringenden Ball gegen die Nase. Bereits Jörg Stiel hatte gegen Kroatien so seine Probleme. Stiel erklärte am Samstag in einem Interview mit der SZ, dass der Roteiro in der Tat der am stärksten veränderte Ball seit Jahrzehnten sei. Er sei wegen der grauen Farbe nicht so gut sichtbar, und würde höher abspringen.
Minuten später entzauberte Barthez Beckham, als jener einen Elfer verschoß. Das war Innerer Reichsparteitag für die französische Glatze, der im Winter mit Schimpf und Schande aus England vertieben worden ist.
An dieser Stelle hätte das Spiel kippen können, aber, s.o. die Franzosen entwickelten zuwenig Biß nach vorne. Nun wechselte aber Eriksson aus, und darüber wird zu reden sein.
Entweder will man Konter spielen und wechselt Owen gegen Vassell aus. So wie getan. Aber statt auf Konter zu setzen, spielten die Engländer auf Zeit. Eriksson wechselte aber nun Spieler aus, die den Ball hätten halten können (Owen wäre dazu auch eher in der Lage gewesen als Vassell). Hargreaves statt Scholes?
Viera, bester Mann des gesamten Spieles, holte ein Foul raus (nein, es war Makele), Zidane verwandelte direkt und grandiose in die Torwartecke rein.
Sekunden später, desaströser Rückpass von Gerrard, während des Spiels irrsinnigerweise von Rethy als “Kern des englischen Spiels” belobigt, Torwart David James MUSSTE raus und rauschte mit voll Karacho in Henry rein. Elfer. Und Zidane verwandelt.
Kein Vorwurf an James, er musste raus, Henry wäre sonst noch an den Ball gekommen.
Das Spiel hat letztendlich der Unterschied zwischen Star und Möchtegern-Star entschieden.
Der eine wird für ein Star gehalten und verschiesst den Elfer. Der andere ist ein Star. Und macht das Ding rein.
England? Die drei Fragezeichen sind geklärt. Die Abwehr gefiel, das Mittelfeld rückte nicht genügend nach vorne nach und der Angriff ist harmlos gewesen, hat nur bei Standards wirklich Gefahr entwickelt.
Ich bin mir nicht sicher ob die Spiele gegen die Schweiz und Kroatien Selbstgänger sind.
Frankreich? Wenn sie locker spielen, ist die Kreativität der reinste Wahnsinn. Wie die einzelnen Spieler ein blindes Verständnis für Raumaufteilung besitzen, sagenhaft. Als es eng wurde, ging ihnen die Souverinität flöten, wurde nur noch in die Mitte gespielt.
Aber mein erster Top-Kandidat für Spieler des Turniers ist Patrick Viera.
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