Siechtum des Radsports
Die “Le Monde” bringt heute in ihrem Sportteil zwei längere Beiträge zum Zustand des Radsports.
Der erste Beitrag ist eine Beobachtung von der gerade laufenden Rundfahrt “Paris-Nizza“, die spürbar unter dunklen Wolken steht. Der Tod von Pantani, die Absage der vierten Etappe wegen Schnees und der Nachweis von Kokain (passend zum Schnee…) bei Dopingtests von Cedric Vasseur.
Und wie immer, igeln sich die Radsportgemeinde ein, errichtet eine Wagenburg. Rundfahrt-Chef (und Tour de France-Chef) Jean-Marie Leblanc kann nicht glauben das Vasseur kokst. Mannschaftsleiter beschweren sich über die Hetzjagd der Medien, über die miese Stimmung.
Ein Manager der anonym bleiben wollte, und über vierzig Radsportler betreut, berichtete dass viele Fahrer die Schnauze gestrichen voll hätten und am liebsten den Radsport aufgeben würden. An ihren Unterarmen würde man vor lauter Blutproben kaum noch Platz finden um noch eine Nadel reinzustechen und trotzdem gelänge es nicht den Sport aus dem Dopingsumpf zu befreien. Die Radsport-Szene ist frustriert.
Der zweite Beitrag ist ein Interview mit Phillipe Gaumont, einer der Confidis-Fahrer die im Januar bei der Großrazzia aufgeflogen sind (Kernaussagen des Interviews sind in der Mittwochsausgabe der SZ auf deutsch übersetzt).
Das Interview kann man nur übertiteln mit “Gaumont packt aus“, den er schildert en detail die Dopingszene de Radsports.
Gaumont, 30 Jahre alt, hat nach eigener Aussage mit dem Radsport abgeschlossen und stellt sich der Öffentlichkeit und dem Verband zur Verfügung um das Doping auszurotten und ein funktionierendes Überwachungssystem einzuführen.
Gaumont hat seit Beginn seiner Radsportkarriere 1994 Dpoing genommen, wurde aber in den zehn Jahren nur einmal, 1996, erwischt.
Das Doping geschieht auf mehrere Art und Weisen. Das Doping mit Wachstumshormonen kann momentan nicht nachgewiesen werden, wird daher gerne genommen.
Seitdem EPO während Rundfahrten nachgewiesen werden kann, weicht man auf die Transfusion von Eigenblut aus, ebenfalls nicht nachweisbar. Die Transfusionen ermöglichen es, den Hämatokrit-Wert aus einer vor der Tour gemachten EPO-Kur hochzuhalten.
Laut Gaumont werden keine Produkte genommen um das Doping zu verdecken. Vielmehr läßt man sich vom Arzt eine Allergie bescheinigen (zum Beispiel in dem man sich die Hoden kratzt und Salz als “Hautreste” zeigt) und Rezepte für Cortison und Corticoide ausstellen. Mit den Rezepten in der Hand kann man bei der Dopingkontrolle angeben, dass überhöhte Werte auf die Einnahme jener Medikamente zurückzuführen sei (von Jan Ulrich ist bekannt, das er ein Asthmatiker ist und auch Lance Armstrong führt Rezepte zur Nachbehandlung seines Hodenkrebses mit sich herum).
Zum Thema “unangekündigte Kontrollen“: diese seien ein Witz, da die Kontrollen nur bei der Zielankunft stattfinden würden und nicht während des Trainings. Daher würden die Fahrer zwei Wochen vor der Tour keine Wettbewerbe mehr bestreiten, um sich mit EPO aufzutanken. Drei Tage vor Start der Tour würden sie aufhören. Drei Tage ist die Dauer die EPO nachgewiesen werden kann.
Gaumont betont dass er während seiner gesamten Laufbahn nicht ein einziges Mal auf die gesundheitlichen Gefahren des Dopings hingewiesen worden sei. Als er an Anfang seiner Karriere einen Arzt nach Verabreichung eines unbekannten Präparates gefragt hätte, habe der ihn nur ausgelacht.
Reaktionen
Der fairnesshalber: Vasseur hat heute eine Haarprobe publiziert, die ihn des Kokain-Verdachtes entlasten (soll).