Gertrude Ederle
In der aktuellen Ausgabe des “The Economist” ist ein Nachruf auf die Ende November verstorbene Gertrude Ederle verfasst. Gertrude Ederle, nicht bekannt? Sollte sich ändern. Daher erlaube ich mir die Unverschämtheit und biete von dem englischen Artikel der im Internet im Bezahl-Archiv bei “The Economist” versauert, eine grobe Übersetzung an.
Wer das Original lesen will, kann noch knappe zehn Tage zum Zeitschriftenhändler seines Vertrauens laufen, und dort “The Economist” kaufen. Was eh schwerstens zu empfehlen ist, denn aas ist die Zeitschrift, die der SPIEGEL mal irgendwann werden wollte…
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An dem Morgen des 6ten August im Jahre 1926, als Gertrude Ederle ihren Versuch den Ärmelkanal zu durchschwimmen, begann, erschien eine Londoner Tageszeitung mit einem Kommentar auf der Titelseite, dass der gescheiterte Versuch im vorigen Jahr die athletische Unterlegenheit von Frauen zeigte und sportliche Wettkämpfe mit Frauen vergeudete Zeit wären.
Vater Ederle wusste besser was Menschen beiderlei Geschlechtes antreibt und bot seiner Tochter im Falle des Gelingens einen roten Sportwagen.
Gertrude Ederle kam nicht nur an, sie unterbot die bisherige, männliche, Bestzeit um zwei Stunden und die Bestzeit hielt bis 1950.
Es wäre banal die Errungenschaft von Gertrude Ederle nur im Rahmen des Frauensportes zu sehen. Vielmehr war es eine der Herausforderungen des 20ten Jahrhunderts, ähnlich wie Lindberghs Atlantik-Flug oder Hillarys Everest-Erstbesteigung. aber keiner ging so weit an die körperlichen Grenzen wie Ederle.
Langstrecken-Schwimmen in kaltem Wasser ist eine der unnatürlichsten Heraussforderungen, der essentielle Kampf zwischen Kälte und Erschöpfung. Während des Schwimmens fliesst Blut vom warmen Körperinneren in die kalten Gliedmaßen um die Muskeln mit Sauerstoff zu versorgen und Ermüdung zu bekämpfen. In den Gliedmaßen wird das Blut aber stark gekühlt und kann im Körperinneren zu Hyperthermie führen. Ein Schwimmer muss sich bewegen um sich warm zu halten, was aber natürlich ermüdend ist. Schafft er es nicht mehr diesen Mechanismus aus Wärme und Bewegung aufrecht zu halten, setzt die Unterkühlung ein. Das Gehirn kühltab, Desorientierung setzt ein und in weiterer Folge hört das Herz auf zu schlagen.
Am Morgen vor ihrem Start um 7h08 schmierte sich die groß gewachsene Gertrude in ihrem selbstgenähten Zweiteiler mit Fett ein, je nach Überlieferung mit Vaseline oder Speck. Bei Ihrem Rekord-Versuch wurde sie von Ihrem Vater und der älteren Schwester in einem Ruderboot begleitet. Beide sangen den ganzen Weg irgendwelche Schlager und hielten ihr an einer Stange eine Nuckelflasche mit Hühnerbrühe hin.
Im Laufe des Tages setzte zahlreiche Unbillen der Natur ein. Regen begann in Strömen zu gießen, die Gezeiten und Strämungen wendeten sich gegen sie, Wind kam auf, der Seegang wurde rauher. So rauh, dass Schiffe in den Häfen blieben. Als sie dann die britische Küste erreichte, war es fast wieder dunkel. Um die 21 Meilen Luftlinie zurückzulegen, schwamm sie im Wasser 35 Meilen.
Sie war die Tochter eines New Yorker Metzgers, eine deutschen Immigranten-Familie, hatte fünf Geschwister. Bereits früh fing “Trudy” an Schwimmen zu trainieren. Mit 14 schwamm sie ihren Langstrecken-Sieg gegen 51 Konkurrenten. Mit 17 hielt sie bereits 18 Weltrekorde und gewann bei der 1924er-Olympiade in Paris drei Medaillien.
Als sie nach ihrem Ärmelkanal-Erfolg nach Amerika zurückkehrte, wurde ihr zu Ehren eine dieser Konfetti-Paraden am Broadway veranstaltet. Sie war noch keine 20 Jahre alt. Man stand Schlange bei ihr, sie wurde vom Präsidenten Wilson empfangen und bekam einen hochdotierten Vertrag für eine Vaudeville-Tournee.
Aber dieses Leben im Rampenlicht der Öffentlichkeit setzte ihr zu. 1933 verletzte sie bei einem Sturz ihr Rückgrat und musste jahrelang ein Stützkorsett tragen. Trotzdem meldete sie sich als Freiwillige für den 2ten Weltkrieg und arbeitete in einer Flugzeugfabrik.
Nach Kriegsende wurde sie Schwimmlehrerin, trotz ihres schlechten Gehörs. Sie hatte bereits als Kind einen Hörfehler, der aber seit dem Ärmelkanal-Rekord immer schlechter wurde. Nach kriegsende war “Trudy” dann völlig taub. Sie konzentrierte sich darauf tauben Kindern das Schwimmen beizubringen.
Trotz zahlreicher entsprechender Angebote bei der triumphalen Rückkehr vom Ärmelkanal, hat sie nie geheiratet. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihre “tauben Wasserbabies”, denen sie eine simple Philosophie mitgab: “Für mich ist die See eine Person — wie ein Kind das ich seit langem kenne. Es hört sich verrückt an, ich weiß, aber wenn ich im Meer schwimme, rede ich mit dem Meer. Ich fühle mich nie einsam, wenn ich da draussen bin”.
Gertrude Ederle starb am 30.11.2003 im Alter von 97.
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Ergänzung zum interessanten obigen Artikel:Gertrud lernte 1914 bei einem Besuch in Bissingen,des schwäbischenHeimatortes ihres Vaters, im dortigen See das Schwimmen.