das waren 17 bundesligaspieltage 2003
freitage eignen sich immer gut zum schreiben, weil alle kundenanfragen auf “nach dem wochenende” verschoben werden können. in diesem sinne kann nun heute einiges nachgeholt werden was bereits in den letzten tagen anstand.
natürlich: ein rückblick auf die erste halbserie der fußball bundesliga…
Eine Rückschau auf die Hinrunde der Fußball-Bundesliga 2003/2004 ist immer verzerrend, weil vorallen die Entwicklungen der letzten Spieltage im Gedächnis haften geblieben ist.
In diesem Sinne haben mich zwei Dinge beeindruckt:
Aliaksandr Hleb (ja, den Vornamen musste ich dreimal nachschlagen) ist für mich Spieler der Hinrunde. Der Mann macht Spaß. Der hat einen Magneten im Fuß eingebaut. Was der fummelt, ist der blanke Hohn für die Physik Newton’scher Prägung. Für die Gegner mag es eher wie Heisenberg’sche Unschärferelation daher kommen. Der Ball kann an mehreren Orten sein und ist gleichzeitig Nirgendwo. Zumindest nicht dort, wo ein Abwehrspieler ist.
Die eher leptosome Statur Hlebs verstärkt diesen Effekt, da nach Lehrmeinung ein derartiger Fummler nur ein 1m54 großer Brasilianer mit O-Beinen sein kann.
Ja, mag sein dass er häufig einmal zuviel schraubt. Aber solange es auf dem Platz hinreichend viele Fußballer gibt, die Spiele lieber nach Trainers Gusto verwalten, sage ich: her mit den “Irren” wie Hleb oder Böhme.
Wenn man schon so etwas wie “Spieler der Hinrunde” kürt, müssen auch noch andere Namen fallen. Noch ein Stuttgarter: Timo Hildebrand. U.a. deswegen, weil ich mich noch an seine Spiele in den Vorjahren erinnern kann, als er immer wieder durch unsicheres Auftreten aufgefallen ist. Hier hat jemand an sich gearbeitet und massive Verbesserungen erzielt. Da habe ich einen Heidenrespekt vor, zumal im Auftritt Hildebrand wesentlich angenehmer rüberkommt, als die Kollegen Weidenfeller und Wiese.
Ailton und Makaay sind mit lobenden Bemerkungen zu erwähnen. Ailton ist so etwas wie der laufende Witz. Was hat der Mann schon etlichen Trainern Nerven gekostet, bis hin zu Magath, der in seiner Bremer Amtszeit Ailton die Bundesligatauglichkeit absprach. Diverse Reibereien mit Schaaf. Dann mitten in der Saison die Bekanntgabe des Wechsels zu Schalke. Und der Mann schießt weiter seine Tore. Kümmert sich einen feuchten Dreck um alles um ihn herum, macht aber seine Arbeit. Das hat was von einem Crooner alter Prägung. Das hat was von der Aura eines Frank Sinatra oder Dean Martin. Versoffene Arschlöcher Zeit ihres Lebens, aber sobald irgendwo das Scheinwerferlicht anging, in Top-Form und eine Performance abliefernd, die nur noch als “groß” zu bezeichnen ist. Auch vor so einer Art des Profitums habe ich einen immensen respekt.
Bei Makaay ist es die Entwicklung die mich überrascht. Das ein superteurer Einkauf, der eigentlichlich an der Kante zum völligen “Stardom” Nistelrooy’scher oder Henry’scher Dimension steht, nicht wartet bis die Bayern das Spiel an ihn anpassen, sondern selber derart massiv an sich arbeitet um umgekehrt auch dem Bayern-Spiel entgegenzukommen, auch hier: fette Respekt-Punkte. Hätte nicht geglaubt dass die Integration so schnell und so reibungslos erfolgen würde.
Zurück zum dogfood’schen Kurzzeit-Gedächnis. Als ich Hansa Rostock am Dienstag in Bremen habe spielen sehen, ist mir nicht mehr viel eingefallen. Nein, nein, bitte sich nicht durch die 0:3-Niederlage irritieren lassen: die Rostocker haben richtig ansehnlich und gut gespielt. So ein bißchen wie das “nordische Freiburg”.
Deshalb leiste ich an dieser Stelle Abbitte und möchte Hansa Rostock und Juri Schlünz um Vergebung und Verzeihung bitten. Rostock hat sich damit auf meine “Teams-to-watch”-Liste gespielt. Und wenn die das Level nach dem Winterpäuschen halten können, wird da ab Februar ein Team die Tabelle von unten aufrollen.
Wo wir schon bei den Mannschaften sind, möchte ich die Aufmerksamkeit kurz auf die Tabelle lenken, so wie sie sich nach Spieltag 17 darstellt.
So gibt es einen richtig bösen Riß durch die Tabelle zwischen den ersten Vier (Bremen, Bayern, Leverkusen, Stuttgart) und dem Rest der Liga von schnittigen neun Punkten!
Am anderen Ende gibt es zwischen dem 14ten und 16ten ebenfalls saftige sechs Punkte Abstand. Für die drei Großstädte Köln, Berlin und Frankfurt wäre die Lage noch düsterer, hätte Platz 15, Kaiserslautern, nicht wg. Lizenzverstöße drei Punkte abgezogen bekommen.
Übrigens konnte sich letztes Jahr Lautern mit den 13 Punkten wie sie Hertha und Köln derzeit haben, in der Rückrunde aus den Abstiegsrängen hieven.
Und nochmals Statistik: in den letzten drei Jahren hatte der Herbstmeister immer 39 Punkte, 12 Siege, 2 Niederlagen und 3 Unentschieden, wie heuer Werder Bremen.
Die Enttäuschung des Jahres? Ohne Wenn und Aber: Borussia Dortmund. Sorry, aber ich kann das Gelaber von den Verletzungen nicht mehr hören. Dieses mag nominell stimmen. Dieses hat auch zu Beginn der Saison seine Berechtigung gehabt, aber — plueheezee! — irgendwann muss auch Schluß damit sein.
Nehmen wir das Spiel gegen Lautern: von den zehn Feld-Spielern waren sechs dabei, die letzte Saison Stammspieler waren: Wörns, Reuter, Kehl, Rosicky, Ricken und Koller. Hat auch nur irgendeiner dieser Stammspieler annähernd eine Form die seinem Potential entspricht? Hat sie irgendein Spieler im Laufe der Saison schon einmal gehabt? Okay, Wörns hat viel und häufig Lob eingestrichen. Aber sonst: Einöde.
Und hier kann man den Hebel zur Kritik am Trainerstab und Management ansetzen (und nicht an irgendwelchen aus den Fingern gesogenen Statistiken oder Meinungsmache a la BILD).
Das einzige was man zugunsten von Dortmund anführen kann: für die grottenschlechten Spiele die sie abgeliefert haben, stehen sie verdammt gut in der Liga dar: Platz 6, in Tuchfühlung mit dem UEFAcup, dass entspricht nicht dem derzeitigen Niveau der Borussia. Jenes Argument kann man übrigens noch für eine Latte von anderen Mannschaften aus der 20+x-Kategorie anführen (Schalke, HSV, mit Abstrichen Freiburg).
Das einige Hochtöner der Liga mit ihrer Selbsteinschätzung ziemlich auf die (Achtung, bevorstehende Niveau-Senkung!) Kacke gehauen haben, passiert immer wieder, die Tabelle führt diesen Teams, Hertha, Lautern, 1860, meistens die gerechte Strafe zu.
Nimmt man das Tabellen-Bild sowie das Abschneiden der deutschen Mannschaften in den internationalen Wettbewerben zur Hand, kann man zwei Entwicklungen feststellen: die Spitze ist endlich wieder breiter geworden, mit drei Mannschaften die vorläufig zu den omnipotenten Bayern dazugestossen sind. Gleichezeitig, das lässt die Bayern-Leistungen in der Championsleague erahnen, ist das Niveau im internationalen Maßstab nicht mehr top. Die Bayern scheinen sich von oben, die Leverkusener, Stuttgarter und Bremer von unten auf ein Niveau eingependelt zu haben, was gut- aber nicht spitzenlassig ist.
Mit diesen geweihten Worten können wir uns in den nächsten Wochen den Surrogaten aus der italienischen und englischen Liga widmen.
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