Boris Becker: The Method Man
Fernsehdebüt eines neuen Sterns am Talkshow-Firmament. Boris Becker startete gestern mit “Becker 1:1” im DSF, erster Gast war Ottmar Hitzfeld.
Als ich vor Monaten gehört habe, das Becker auf fernsehtauglich getrimmt werden soll, sind mir glatt die Zwiebelringe vom Mettwurstbrötchen gesprungen. Umso erstaunter war ich, dass die Schnappsidee vom großartigen und verehrten Friedrich Küppersbusch und seiner Produktionsfirma “Probono.tv” kam. Hat Küppersbusch etwas gesehen, was wir in all den Jahren Becker-Beschallung nicht gesehen haben? Oder war Küppersbusch in Feierlaune, weil seine Sportsfreunde Hamborn 07 sich in der Verbandsliga Niederrhein von den Abstiegsplätzen wegbewegten?
Boris Becker wurde anscheinend in den letzten Wochen mächtig ins Moderatoren-Trainingslager gesteckt. So wie es im Film von einigen Schauspielern mit beleidigendem Unterton heißt, sie betrieben “method acting”, betrieb Becker “method moderating“.
Noch deutlicher als in seiner Talkshow, wurde das in der vorher ausgestrahlten Maischberger-Sendung. Jede Geste, jedes Wort wurde von Becker mit dem Bewusstsein der Außenwirkung eingesetzt. Gesten mit den Händen, wie aus dem Lehrbuch für Moderatorentraining. Gesichtsausdrücke wie einstudiert (Becker, es heißt Gesicht = Fenster zur Seele, nicht Fenster zum Schmierendarstellertum).
Er wirkte nicht wie ein Moderator, sondern wie ein Schauspieler der einen Schauspieler spielt, der einen Moderator mimt, der ein schauspielernder Moderatorendarsteller ist.
Sein Auftritt am Nachmittag bei Maischberger, die ebenfalls von Küppersbusch Probono.tv produziert wird, verströmte eine unangenehme Künstlichkeit. Sein Auftritt bei Maischberger entbehrte auch nicht einer gewissen Dümmlichkeit, weil er durch einige Bemerkungen die Latte an seine Sendung höher legte. Er erweckte den Eindruck als wären nur die ersten 5-6 Fragen aufgeschrieben und der Rest seiner Sendung würde dank seiner “Spontanität” flutschen.
Au-contraire. Die Vorankündigung auf der DSF-Website ließ ahnen wohin die Reise gehen würde: “Er ist einer der ganz Großen im Trainer-Geschäft, Hitzfeld ist eine Persönlichkeit und als Mensch sehr spannend. Vor allem interessiert mich, wie er mit dem immensen Druck und der Erwartungshaltung beim FC Bayern umgeht.”
Donnerwetter! “Ist eine Persönlichkeit und als Mensch spannend“. Das sind ja nun Adjektive und Bezeichnungen die im Zusammenhang mit Talksshows noch nie gehört waren…
Am Abend hielt er sich krampfhaft an seine Fragekärtchen fest. Der Aufbau seines Interviews mit Hitzfeld war von atemberaubender Simplizität: einfach entlang des Hitzfeldschen Lebenslaufs, angefangen von der Kindheit. Einfach die Episödchen die Hitzfeld in seiner Biographie niedergeschrieben hat, abgefragt.
Die Sendung war so spannend und unvorhersehbar wie mein auf dem Teppichboden vor sich hin schimmelndes Zwiebelringchen. Obwohl ich damit dem Zwiebelring wahrscheinlich sogar Unrecht tue.
Wenn Becker und Probono.tv alle fünfzehn Sendungen loswerden, ist das eher ein Management-Kunststück als Zeichen von Beckers Können. Bitte nicht.
Reaktionen
netter kommentar zu einem medialen trauerspiel.
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“Ich hatte gedacht, dass die Eintracht sich schon etwas
aufgebaut hat, ich war richtig erschrocken: Die hatten
nur das Kicker-Sonderheft.” (Karl-Heinz Körbel als er
in Frankfurt als Talentscout anfing, über das bisherige
Scoutsystem der Eintracht)