Kein guter Freitag für NFL-Coaches
Am gestrigen Freitag haben überraschend zwei weitere Trainer Platz auf dem Trainerkarussell genommen. In dieser Saison sind bislang schon zehn Trainer gefeuert worden oder zurückgetreten. Auffällig ist der Generationswechsel. Aktuell sind nur noch zwei Headcoaches in der NFL, die jemals eine Super Bowl gewonnen haben. Die mittlere bis alte Generation der Schottenheimers, Shanahans, Billicks, Vermeils, Gibbs’, Dungys, Holmgrens, Cowhers, wird fast ausnahmslos gegen Dreißigjährige ausgetauscht.
Kurz nach Mitternacht deutscher Zeit schlugen die Meldungen auf, das die Tampa Bay Buccaneers Headcoach Jon Gruden nach sieben Jahren entlassen haben.
Dabei überrascht nicht so sehr, dass diese Entscheidung von der Glazer-Familie gefällt worden ist. Nach dem Kollaps der Bucs zum Saisonende hin, als man aus einer 9-3-Bilanz eine 9-7-Bilanz machte und durch Niederlagen gegen Carolina, Atlanta, San Diego und Oakland den Playoff-Einzug verfehlte, gab es schon diverse Stimmen, die Gruden auf einem sehr heißen Stuhl sitzen sahen.
Überraschen tut umso mehr der Zeitpunkt, drei Wochen nach Ende der regular season, wenn einige Trainerkandidaten schon vom Markt sind und schon fleißig die Draft vorbereitet wird. Der späte Zeitpunkt scheint zu bestätigen was man auch sonst so gerüchtelt: die Glazers haben mit Schlüsselspieler gesprochen und was sie dabei über Gruden gehört haben, hat ihnen nicht gefallen.
WR Mike Clayton wird in der St.Petersburg Times zitiert, das Gruden seine Meinung häufig änderte, den Spieler “A” sagte, um dann “B” zu machen.
Gruden ist für mich so ein Fall, wo ich mich frage ob sein Ruf nicht besser als seine Fähigkeiten sind. Den Super Bowl-Sieg 2002 holte er mit einem Team, das noch weitgehend von Tony Dungy geformt war. Die Defense, über all die Jahre DAS Prunkstück der Bucs, war ein Werk von Monte Kiffin. In der Offense hat es Gruden nicht geschafft Konstanz reinzubringen. QB Brad Johnson, QB Brian Griese, QB Chris Simms, QB Bruce Gadkowski, QB Tim Rattay, QB Jeff Garcia, wieder zurück zu QB Brian Griese und dann wieder Garcia. Auf der RB-Position war “Cadillac” Williams nach nur einer Saison schon verbrannt. Grudens Billanz in Tampa Bay: 57-55, also nur knapp über .500. Andere sehen die Probleme eher in Konfrontationen zwischen Gruden und GM Allen.
Wie ernst die Lage von den Glazers eingeschätzt wurde, läßt sich nicht nur am Zeitpunkt ablesen, sondern auch an der Abfindung die sie Gruden werden zahlen müssen und von den Medien auf 15-25 Mio US$ taxiert wird.
Alle, wirklich alle Medien gehen inzwischen davon aus, das Grudens Nachfolger aus dem eigenen Team kommt: der gerade mal 32 Jahre alte Raheem Morris. Morris war DB-Coach und wurde Ende Dezember zum Defensive Coordinator befördert, nachdem Monte Kiffin seinem Sohn zu den Tenneessee Volunteers zum College Football folgt. Morris verfügt über keine Headcoach-Erfahrungen und war nur eine Saison im College-Bereich Coordinator. Er galt trotzdem als Kandidat auf den Broncos-Headcoach-Posten. Er gilt als players coach, beliebt bei den Spielern.
In einem Aufwasch mit Gruden wurde auch General Manager Bruce Allen entlassen. Nachfolger wird Mark Dominik, Pro Personnel Director. Allen soll bei den finanziellen Aspekten seiner Aufgaben, besser unterwegs gewesen sein, als beim Handling von Spielern und dem Scouting.
Die freien Arbeitsplätze
Bei den St. Louis Rams scheint sich was zu tun. Gestern war der Konsens das Jim Haslett von der Kandidatenliste gestrichen worden ist und sich andernweitig umschaut. Der stets gut informierte Adam Schefter vom NFL Networks sieht Dallas Cowboys-Offensive Coordinator Jason Garrett als Top-Kandidat. Garrett ist am Freitag ein zweites Mal zu einem Interview nach St. Louis geflogen. Gerüchteweise soll er heute als Headcoach vorgestellt werden.
Die Personalie Jason Garrett ist – gelinde gesagt – extrem überraschend. Zum einen galt Jason Garrett als tief bei den Cowboys verwurzelt und designierter Nachfolger von Wade Phillips in einem Jahr. Zum anderen hat sich Garrett aber in dieser Saison bei den Cowboys nicht von seiner Schokoladenseite gezeigt. Der Kollaps der Cowboys-Offense, die Ansage von mitunter merkwürdigen Spielzügen, fällt direkt auf ihn zurück.
Sollte Garrett wirklich gehen, würden die Dallas Cowboys beide ihrer Coordinators verlieren. Am Freitag wurde DefCoord. Brian Stewart von den Cowboys gefeuert. Nach schwerer Kritik an der Defense in den ersten Wochen in den Medien und aus Spielerkreisen, übernahm Headcoach Wade Phillips Mitte Oktober das Playcalling für die Defense.
[Update Sa 21h21: Adam Schefter vom NFL Network meldet, dass sich die St. Louis Rams für den NY Giants-DefCoord. Steve Spagnulo entschieden haben.]
In Kansas City ist zwar der neue GM Scott Pioli inthronisiert, aber die Headcoach-Frage noch nicht geklärt. Herm Edwards gilt als dead man walking. Die Frage ist nur, ob er bereits jetzt gefeuert wird oder Pioli noch eine Saison wartet, um einen der großen Namen auf dem Markt zu verpflichten, wie z.B. Bill Cowher.
Bei den NY Jets tut sich sowenig, dass der Verdacht naheliegt, dass die Jets auf das Ausscheiden der Baltimore Ravens warten, um mit DefCoord. Rex Ryan zu sprechen.
Letztes Lebenszeichen aus Oakland: ein Job-Interview von Al Davis mit NY Giants OffCoord Kevin Gilbride.
Reaktionen
Ich weiß nicht ob Gruden so gut ist wie sein Ruf, aber er hat vor seiner Zeit in Tampa die Raiders geformt. Und so wie man sagen kann, dass Gruden mit Dungys Team den Super Bowl gewonnen hat, so kann man auch sagen, dass Callahan mit Grudens Team in den Super Bowl eingezogen ist(und was seither in Oakland läuft ist hinlänglich bekannt).
Das Cadillac Willams nach einer Saison”verbrannt” war kann man mit Verlaub nicht an Gruden festmachen. Eine schwere Knieverletzung kann jeden RB “verbrennen”. Das ist halt Pech. Kritischer sehe ich seinen Umgang mit seinen QBs. Offensichtlich hatte er in seiner Zeit in Tampa nie einen QB dem er vertraute, anders lässt sich das ständige Bäumchen wechsel dich nicht erklären.
In Dallas wird man froh sein, wenn man das Problem Garrett so geschmeidig von der Backe bekommt. Nach dieser Saison wird Jones wohl kaum Garrett zum Head Coach ernennen wollen(scheint mir der Grund zu sein warum Phillips noch nicht gefeuert wurde). Und ob man einem Offense Coordinator 3 Mio zahlen möchte wage ich zu bezweifeln.
Adam Schefter vom NFL Network meldet, dass sich die St. Louis Rams für den NY Giants-DefCoord. Steve Spagnulo entschieden haben.
Schade… Wär mein Favorit als Jets Coach(nach Cowher) gewesen.