NFL-Preview 2008/09: von Wundertüten und heißer Luft
Ich überlege wie ich die anstehende NFL-Saison einordnen soll, wie ich für Outsider mit 1-2 knackigen Formulierung die Saison beschreiben könnte. Es fällt mir fällt nichts ein.
Es ist vielleicht, aber nur ganz vielleicht, eine Saison in der es in der AFC zwei Königsmorde gibt und das Rennen um jede Divisionsmeisterschaften 17 Spieltage vor Playoff-Beginn so offen ist, wie selten zuvor. In der NFC traut man sich ja schon seit längerem nicht mehr, sich mit irgendwelchen Prognosen die Finger zu verbrennen.
Königsmorde
In der einen Conference, der NFC, gibt es nach Ende der Dallas Cowboys-Ära eh keine Mannschaft die über einen längeren Zeitraum dominiert. Bestenfalls reicht es für eine Handvoll “übliche Verdächtige”, die jedesmal um Playoff-Plätze spielen.
Anders in der AFC, wo die Indianapolis Colts und New England Patriots seit 2003 bzw 2001 den Rest der Conference in Grund und Boden spielen. Nur in zwei der letzten sieben Super Bowls stand keine der beiden Mannschaften auf dem Spielfeld. Bei beiden wurde der Erfolg nicht nur, aber auch durch die Kombination von Quarterback und Headcoach geprägt. In New England spielte QB Tom Brady 2001 unter Bill Belichick erstmals weite Teile einer Saison durch. In Indianapolis kam Tony Dungy 2002 auf den Headcoach-Posten mit Peyton Manning als Quarterback auf dem Schachbrett.
In genau diesen Konstellationen zeichneten sich nun in den letzten Wochen und Monaten Risse ab. Als Außenstehender ist es schwer zu beurteilen wieviel von den Verletzungsproblemen von Tom Brady echt und wieviel Nebelkerzen waren. Schaut man sich aber die Geschichte von anderen dominierenden NFL-Teams der Vergangenheit an, so hat selbst die längeren Regentschaften eine Halbwertzeit von fünf, sechs Jahren. Die Dallas Cowboys von 1991 bis 1996. Die NY Giants, mit etwas Wohlwollen, von 1984 bis 1990. Die Pittsburgh Steelers von 1972 bis 1979.
In Indianapolis liegen die Zeichen deutlicher auf der Hand. Headcoach Tony Dungy hat über das Karriereende nachgedacht – er ist immerhin seit 28 Jahren Coach. Im Januar ließ er erklären, dass er für “mindestens” eine Saison zurückkehren wird. Gleichzeitig ist Jim Caldwell, Associated Headcoach, als Nachfolger in Stellung gebracht worden.
QB Peyton Manning musste sich im Sommer einer OP wegen einer Schleimbeutelentzündung im linken Knie unterziehen. Manning konnte bei keinem Vorbereitungsspiel mitmachen und ist erst seit 10 Tagen wieder im vollen Training. Dazu fällt die Schlüsselposition in der Offense Line aus: Center Jeff Saturday fällt mit einer Knieverletzung mindestens einige Wochen aus. Sein Ersatz wird vermutlich Rookie Jamey Richard sein. Mit anderen Worten: QB Manning und sein neuer Center haben noch nie zusammengespielt und höchstens einige Trainingseinheiten zusammengearbeitet. Das kann bei den elaborierten Snap Counts von Manning noch ein Spaß werden.
Gleichzeitig ist die divisionseigene Konkurrenz aus der AFC South den Colts in den letzten Jahren näher gerückt. Letzte Saison hatten auch die Jaguars und Titans zehn oder mehr Siege, nachdem 2006 die Colts noch das einzige Team mit einer winning season waren. Immer wieder hört man bei der Draft das die AFC South bewusst ihre Mannschaften mit Pass Rusher laden.
Die New England Patriots sind das vielleicht am schwersten zu lesendste Team. Es ist keine Wundertüte dank etwaiger Unberechenbarkeit, sondern weil Bill Belichick hier in den vergangenen 8 Jahren eine Franchise geschnitzt hat, die so tickt wie keine andere. Belichick ist ein Meister in Mindgames, ein Meister der Manipulation, des Täuschen und Tarnens. Bei den Patriots findet im Gegensatz zu anderen Teams keine Blutauffrischung durch Verjüngung des Teams statt, sondern durch einen brutalen Verdrängungkampf in den Trainingscamps. Die Mannschaft entzieht sich dadurch normaler Alterszyklen.
Macht das die Mannschaft unverwundbar? Nein. Wie einst Siegfried oder Achilles, gibt es einen wunden Punkt. Der heißt QB Tom Brady. Er ist Belichicks verlängerter Arm auf dem Spielfeld. Seit seiner ersten Saison als Starter, am dritten Spieltag 2001, stand er bei jedem Patriots-Spiel in der regular season von Beginn an auf dem Spielfeld. 110 Spiele am Stück. Die wissen gar nicht wie das ohne Brady geht und so wie Tom Brady auf dem Spielfeld auftritt, wäre das auch eine Lücke von der man nicht wüsste, wie sie zu ersetzen wäre. Anders als Manning, der satte 160 regular season-Spiele am Stück bestreiten wird, scheint die Patriots-Offense stärker von Brady abzuhängen.
Mit diesen Planspielen mussten sich die Patriots erstmals diesen Sommer beschäftigen, denn Brady laborierte an einer langwierigen Fußverletzung. Wie gut diese ausgeheilt ist, weiß niemand so genau. Ist die Verletzung ein Bluff gewesen, oder ist die angebliche Heilung – Brady ist diese Woche ins Training zurückgekehrt – ein Bluff?
Mir haben diesmal auch die Offseason-Moves der Pats nicht gefallen. Mit TE Brady, LB Colvin, WR Stallworth, CB Samuel, CB Gay und CB Wilson verlor man viel namhaftes, viel Erfahrung. Mit S Tank Williams oder TE Marcus Pollard holte man nur mäßig ehrfurchtsvolles. Die Wiederverpflichtung von LB Tedy Bruschi in seinem 13ten Jahr ist schon fast suspekt zu nennen. Nicht umsonst gibt es immer wieder Gerüchte dass Bruschi davon profitiert das bei Heimspielen die Erfasser der statistischen Werte ihm öfters mal ein paar Tackles mehr zuschreiben.
Unterm Strich ist die Situation in New England schwer zu lesen. Mit Sicherheit profitieren sie davon, dass es in der AFC East nicht zu der gleichen Konkurrenzsituation wie in der AFC South kommen sollte. Theoretisch.
Wundern täte mich aber ein Sturz beider Dynastien nicht.
Regeländerungen
Es gibt wie jede Saison wieder ein kleines Paket an Regeländerungen die irgendwo auf den hinteren Seiten des Regelordners stehen. Dort wo sich Kleingedrucktes und Stichwortregister “Gute Nacht” sagen.
In dieser Saison müssen aber tatsächlich auch einige Blätter vorne im Ordner ausgetauscht werden. Drei Regeländerungen fallen auf:
- Abschaffung des Force Outs – Sprang ein Receiver zum Fangen eines Balles hoch und wurde er dabei von einem Verteidiger so ins Aus geschubst, dass er mit den Füßen außerhalb des Spielfeldes aufkam, gab es die Regel des Force Outs: die Schiedsrichter konnten zugunsten des Receivers entscheiden, wenn sie der Ansicht war, dass er ohne die gegnerische Einwirkung noch mit beiden Füßen innerhalb des Spielfeldes aufgekommen wäre.
Dies wird abgeschafft. Ein Receiver ist beim Passfang nur dann innerhalb des Spielfeldes, wenn er mit beiden Füßen nach dem Fang das Spielfeld berührt.
Bei der Aufarbeitung der letztjährigen Spielszenen hat die NFL erkennen müssen, das fast in der Hälfte aller strittigen Situationen falsch entschieden worden ist. - Der Quarterback war bislang der einzige Spieler auf dem Feld, der über Funk Anweisungen vom Coaching Staff empfangen konnte. Die Funkverbindung wird von der NFL immer bei 15 Sekunden vor Ablauf der Play Clock abgestellt. Neu: ab diesem Jahr darf auch ein Spieler der Defense per Funk Anweisungen seines Coaching Staffs bekommen. Ich nehme an, dass auch hier die 15 Sekunden-Regel gilt.
- Die Regel des “unabsichtlichen Griffes” in das Gesichtsgitters wird anders interpretiert. Entscheidend ist nicht mehr ob absichtlich oder unabsichtlich, sondern ob der Kopf dabei verdreht wird oder nicht. Hat der Griff kein Druck, wird der Kopf nicht verdreht, gibt es gar keine Strafe. Wird der Kopf hingegen verdreht, führt das zu 15 Yards Raumstrafe. Die 5yd-Strafe für das unabsichtliche Greifen ist nicht mehr im Regelwerk enthalten.
Mehr zu den Divisionen im Laufe des Sonntags.
Reaktionen
Sehr schöner Apetithappen, freue mich schon auf deine folgenden Previews. Übrigens gibt es bei den selten im Rampenlicht stehenden Seahawks ein ähnliches Szenario wie bei den Colts. Coach Holmgren steht in seiner letzten Saison, und es gibt auch einen designierten Nachfolger. Mal sehen, wie die beiden Teams mit der ähnlichen Situation umgehen. Den Seahawks ist ansonsten ein Conference-Final immer zuzutrauen.
bestens.. dogfood ich freue mich auf die restlichen Previews..danke für die Mühen..
Tom Brady ist offenbar mit einem Kreuzbandriß out for season. Ganz bitter für die Pats, die sich jetzt nach Verstärkung umsehen müssen. Chris Simms ist angeblich auf dem Weg nach Boston.
Pats ohne Brady, Colts ziemlich schwach. Auch ein Manning braucht halt Training, das wäre ja noch schöner, würde er so einfach zurückkommen und TD-Pässe en masse werfen. Da könnte dieses Jahr mal wieder für ein anderes AFC-Team die Super-Bowl-Teilnahme drin sein. Vielleicht die Steelers oder gar die Jets mit Favre??? Noch bin ich skeptisch und auch nach dem 1. Spieltag nicht viel schlauer als vorher.
Ich weiß, es ist blöd, Preseason und heute sprechen dagegen aber ich wette die Vikings sehr hoch; nahe bei oder im Superbowl.
Ach und wem gefallen eigentlich die “neuen Packers”? Das soll jetzt die Alternative zu Favre sein?