Sportjournalismus-Konferenz: Tag 0
Meine weiteren Betrachtungen zur Sportjournalisten-Konferenz werden mit Verspätung nachgereicht. Am Samstag morgen war das lokale Netz noch nicht willig und am Mittag, als es dann willig war, hatte ich nicht viel mehr Zeit als während des Brennens meines Vortrages auf CD meine eMails abzurufen. Das Bloggen per Handy ist noch zu frickelig, zumindest solange ich noch gegen ein junges, leeres Wörterbuch ankämpfen muss und jeden zweiten Wortvorschlag wegdrücken musste.
Wie ich dann auf der Rückfahrt zu schreiben anfing, merkte ich wie der Text immer länger wurde und selbst die zweieinhalb Stunden zwischen Münster und Hamburg reichten nicht aus. Deswegen schnipple ich den Text auch mehreren Portionen auf.
[Andere Blogeinträge: der erste Tag, der zweite Tag]
Prolog
Ich bin zum ersten Mal in Dortmund gewesen. Knapp anderthalb Stunden vor Konferenzbeginn und damit zeitig genug am Hauptbahnhof angekommen. Ich hätte natürlich mit der S-Bahn zur Uni fahren können und die restlichen 80 Minuten mir die Füße in den Bauch stehen können… oder – wie es meine Gewohnheit ist – in so einem Fall per pedes zum Veranstaltungsort zu gehen um ein bißchen was von der Stadt zu sehen.
Natürlich bin ich doch zu spät gekommen, weil mich unterwegs ein Kundenanruf erreichte und das schwachbrüstige Mobilfunknetz mich dazu zwang stehenzubleiben, um nicht in das nächste Funkloch reinzulatschen. So verbrannte ich eine halbe Stunde damit, irgendwo in Dortmund in der Kälte zu stehen.
Der erste Eindruck von Dortmund war … kleinstädtisch. Ein Bahnhof mit 70er-Jahre-Charme (gilbgelbe Kacheln, kleine Büdchen zur Stillung des örtlichen Dosenbier-Bedarfs) und eine Fußgängerzone in der sich kurz vor Ladenöffnung um zehn Uhr eine Schlange vor der “Quelle”-Filiale und eine Schlange vor dem örtlichen Waffenladen bildeten.
Es ging dann zu Fuß raus nach Südwesten durch ein Viertel mit Altbauten, unter die B1 durch und – ohne das ich es vorher ahnte – 200m am Westfalenstadion vorbei. Man geht knapp 10 weitere Fußminuten eine Ausfallstraße mit Autohändlern entlang. Dann geht es rechts ab, eine kleine Straße durch Klein Barop runter. Hier wird es hügelig und kurvig. Kleine Siedlungen mit Häusern an der Straße und kaum Seitenstraßen. Unter die Bahnstrecke nach Köln durch, kann man dann einen kleinen feldweg abseits der Straße nehmen, entlang Ackerfelder. Nach einigen Kuppen kommt man in Groß Barop raus, eine kleine Arbeitersiedlung mit Mehrfamilienhäusern, wo der Nachbar mit Hund noch die Nachbarin mit Einkäufen grüßt: “Alles frisch?” – “Joo, es ist ziemlich kühl geworden!“.
Nach zehn weiteren Fußminuten ist geht man auf Kleinstwegen aus Groß Barop raus und steht plötzlich vor dem Unigelände und seiner Schmalspur-Variante einer Hochbahn. Das Unigelände befindet sich de jure in Dortmund, liegt aber im Grunde genommen “außerhalb”, im Grünen. Das Hotel lag wiederum zehn Fußminuten vom Unigelände, mitten in der Walachei, aber an einer Zubringerstraße. Man konnte auf einem kleinen Spazierweg über Ackerfelder hinweg dorthin gehen und als Belohnung gab es am Abend über Kuppen und Hügel hinweg einen schönen Blick auf das Westfalenstadion, während im Rücken die Sonne unterging.
Die Tagung fand im Institut für Journalistik auf dem Unigelände im Erich-Brost-Haus, einem modernen zweistöckigen Flachbau, statt. Neben einem Foyer gab es einen größeren Saal mit Podium für schätzungsweise 100 Besucher sowie kleinere “Klassenzimmer”-ähnliche Räume für kleinere Workshops und Veranstaltungen. Die Veranstaltungen des großen Saals wurde auch auf einem Fernseher im Foyer gezeigt. Das es kein WLAN gab, war eigentlich schon das einzig Schlechte was man der Organisation nachsagen konnte. Ansonsten war die Betreuung exzellent und freundlich.
Es sind zirka 160 Teilnehmer gekommen. Jeder hatte kleines Kärtchen mit Namen und Funktion oder Titel am Revers geheftet, so dass man die Personen gleich in eine Schublade einordnen konnte. Es waren viele Studenten dar, es waren viele Zeitungsjournalisten auch aus kleineren Zeitungen dar. Journalisten der elektronischen Medien waren eher unterrepräsentiert.
Epilog
(Hey, ich weiß das ein Epilog normalerweise am Ende kommt)
Was habe ich von der Konferenz mitgenommen? Ich bin nicht “erleuchtet” zurückgekehrt. Ich kann die Konferenz nicht mit ein, zwei Sätzen erschlagen, weil es eben nicht die eine große Problemstellung gab, das man definieren und entsprechend auflösen könnte. Es ist vielmehr eine Ansammlung von Eindrücken und Details gewesen. Es war für mich ein Reinschnuppern in den Menschentypus und den Berufsalltag des Journalisten.
Ein weiterer Zweck solcher Veranstaltungen, ist das “Networking”, also das Saufen danach. Das fiel für mich zu großen Teilen aus, da ich nach durchgemachter Nacht vor der Konferenz am ersten Tag schlichtweg um 20h ins Bett fiel und erst um 7 Uhr morgens wieder aufwachte. Clevererweise hatte ich meine Rückfahrt etwas großzügiger geplant, so dass es am Samstag noch etwas Zeit zum Quatschen gab, statt in Windeseile zum Bahnhof zu rennen.
Die großen Themen
Am Freitag schlug die Bombe der anonymen Anzeige gegen das Wiener Blutlabor ein. Auch wenn es kein direktes Seminarthema war, war es eine Steilvorlage für diverse Vorträge. An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei euch aas-Lesern bedanken. Ich hatte zumindest soviel Internet, dass ich die Kommentare regelmäßig checken konnte und dadurch von euch in dieser Geschichte auf dem Laufenden gehalten wurde.
Wie groß dieses Thema der Anzeige wirklich war, war am ersten Tag nicht ganz abzusehen (und anscheinend hatte ich das kontroverseste Seminar dazu verpasst), aber war natürlich auch am zweiten Tag das “Haste schon gehört?”-Thema.
Zwei direkt involvierte Personen waren in Dortmund anwesend. Zum einen Thomas Kistner von der SZ und zum anderen Elmar Theveßen vom ZDF. Es war im Nachhinein witzig zu beobachten, wie Thomas Kister am Freitag nachmittag permanent am Handy hing und im Foyer mit gebeugtem Haupt über sein Laptop hing und einen Text schrieb – vielleicht den “Nachfolgeartikel” zur Dopingfrage der am Samstag erschien.
Elmar Theveßen, stellvertretender Chefredakteur im ZDF und verantwortlicher für die “Doping Task-Force” im Hause, war dritter Redner des Freitags. Sein eigentlicher Vortrag über die Parallelen in der Recherche über Doping und Terrorismus war wumpe. Stattdessen lieferte er unfreiwillig an zwei Punkten Diskussionstoff für die anderen Seminare.
Der Artikel der SZ am Freitag basierte auf eine anonyme Anzeige gegen das Wiener Blutlabor. Diese Anzeige hat wohl in aller Ausführlichkeit und Detailgenauigkeit Vorgänge innerhalb des Labors beschrieben und stammt offensichtlich von einem Insider. Die Anzeige enthielt zudem eine Namensliste, die allerdings nicht so richtig zu dem Stil der restlichen Anzeige passte und in der es sinngemäß hieß: “aus vertrauenswürdiger Quelle wurden mir folgende Sportler als Kunden genannt”.
Das war der Grund weswegen SZ und ZDF am Freitag zwar über die Anzeige selber berichteten, aber in der Namensliste unkonkret blieben. Die Liste war Ihnen zumindest am Freitag noch nicht abgesichert genug. Die Anzeige ging übrigens mehreren Medien zu.
Theveßen beschrieb diesen Vorgang und führte den von Hans Leyendecker geprägten Begriff des “Verdachtsjournalismus” ein, der im Laufe der Konferenz noch mehrere Male thematisiert wurde. Verdachtsjournalismus – so implizierte es Theveßen – wäre “Bäh”.
Die zweite Diskussionsvorlage lieferte Theveßen als in der Diskussion die Frage nach Kristin Otto kam, die ZDF-Sportjournalistin und ehemalige Weltklasse-Schwimmerin der DDR. Die Anzeichen sprechen dafür das auch Kristin Otto gedopt war. Es lassen sich in ihrem Umfeld zahlreiche Verbindungen zu Doping ziehen (ihr ehemaliger Trainer und ein ehemaliger Mannschaftsarzt sind rechtskräftig verurteilt, es gibt Aussagen von Mannschaftskollegen und Unterlagen von DDR-Forschern) und es widerspricht der menschlichen Erfahrung dass ausgerechnet sie “clean” gewesen sein soll.
Theveßen verhielt sich an diesem Punkt so aalglatt wie es seine äußere Erscheinung vermuten ließ. Konkrete Vorhaltungen dass es Belastungsmaterial gäbe, ignorierte er. Stattdessen verteidigte er sie, hielt sie für eine ausgezeichnete Journalistin und sie habe außerdem eine Erklärung unterzeichnet, wonach sie nie wissentlich und willentlich leistungsfördernde Mittel eingeworfen hätte. Theveßen fuhr immer wieder darauf ab, dass es an der Arbeit von Otto nichts zu kritisieren gäbe. Es gäbe immer noch die Unschuldsvermutung im Lande, daher habe die Arbeit von Kristin Otto nur nach journalistischen Maßstäben beurteilt zu werden und die Arbeit sei gut.
Am nächsten Tag platze auf einem anderen Seminar Thomas Hahn/SZ der Kragen. Es gäbe im Rechtssystem eben nicht nur die Unschuldvermutung, sondern auch den Begründeten Anfangsverdacht, der sich im Falle von Kristin Otto eben aus den zahlreichen Papieren und Urteilen ergibt.
Darüberhinaus sei Kristin Otto eben keine gute Journalistin. Selbst wenn man sich auf dem schwer zu vertretenden Standpunkt stellt, dass da kein wissentliches Doping war, so sei Kristin Otto alleine schon aus ethischen Gründen nicht als Journalistin haltbar.
Ob aktiv oder passiv, so war Kristin Otto ein wichtiger Bestandteil des DDR-Sports. Von Kristin Otto kommt aber keinerlei Selbstreflexion über ihre Vergangheit. Interviewwünsche werden abgelehnt. Ausgerechnet eine Journalistin scheitert an der eigenen Aufarbeitung. Dies sei im Grunde genommen noch verwerflicher als eine junge Schwimmerin die aus irgendeiner Drucksituation heraus beim staatlichen Doping mitmacht. Und natürlich macht sich ein Elmar Theveßen angreifbar, wenn er trotz dieser journalistischen Makel von Kristin Otto flammende Verteidigungsreden hält.
Als “Outsider” finde ich es schade, dass dieser schwelende Konflikt nicht auf offener Bühne ausgetragen wurde, sondern nur übereinander gesprochen wurde.
Reaktionen
Hättest Du am Donnerstag schon geschrieben, dass Du nach Dortmund zur TU kommst, hätte ich Dir auch ausführlich die WLAN-Versorgung darlegen können. Und ich hatte mich schon gefragt, was wieder im Brost-Haus los ist. Auf dem Schmeißerplatz (links am Mathehochhaus vorbei) wäre sogar Outdoor-Versorgung gewesen. Die H-Bahn ist übrigens keine Hochbahn, sondern eine Hängebahn, aber das nur am Rande…
[…] mal Radio Februar 17, 2008 Da Herbert Fischer-Solms nicht nur den kompletten ersten Tag der Sportjournalismuskonferenz moderierte, sondern auch Redakteur beim Deutschlandfunk ist, wurden die beiden Tage natürlich auch […]
[…] Herbert Fischer-Solms nicht nur den kompletten ersten Tag der Sportjournalismuskonferenz moderierte, sondern auch Redakteur beim Deutschlandfunk ist, wurden die beiden Tage natürlich auch […]