Graubart is back

Eric Gerets habe ich immer für seinen Mut bewundert, als er sich einst als Trainer beim PSV Eindhoven vor die Fanmeute warf, um nach einem üblen Europapokal-Spiel die Mannschaft des 1. FCK zu schützen.

Leider spielte ihm das Schicksal einen bösen Streich und er durfte nach seiner Zeit beim PSV die deutschen Granaten Kaiserslautern und Wolfsburg trainieren. Man kann auch nicht behaupten, dass er als Übertrainer einen bleibenden Eindruck hinterlassen hätte. Es war wohl mehr seine äußere Erscheinung. Es hätte keinen gewundert wenn er am Spielfeldrand mal seine Jacke ausgezogen und Harmsdorf-esk irgendwelche weichgekochte Kartoffeln zerdrückt hätte oder sich für ein Leben als Trapper in die kanadische Einöde zurückgezogen hätte.

Zwei Jahre blieb er Trainer bei Galatasaray, ehe er diesen Sommer von Karl-Heinz Feldkamp abgelöst wurde.

Und jetzt unvermutet neuer Trainer bei Olympique Marseille geworden ist. Bei OM war niemand über den Saisonstart der teuer nachgerüsteten Mannschaft glücklich und seit dem 0:2 in Auxerre am Samstag wackelte der Stuhl von Albert Emon gefährlich. Am Sonntag gab es eine Krisensitzung die allgemein als Vorbereitung für die Entlassung von Emon aufgefasst wurde. Gestern hieß es dann das Papa Diouf auf der Suche nach einem Nachfolger wäre ehe er Emon feuern würde und es wurde stündlich mt der Entlassung gerechnet. Diese ist dann gestern kurz vor Mitternacht erfolgt.

Marseille ist derzeit in der Ligue 1 Tabellen-16ter mit einem Sieg und vier Unentschieden aus 9 Spielen und 10 Punkte Rückstand auf einen Champions League-Platz.

Die Nennung von Gerets finde ich überraschend. Gerets hat keine besonderen Verbindungen nach Frankreich und hat keine Reputation aus einer technisch anspruchsvollen Mannschaft wie Marseille viel rauszuholen. Auch wenn Gerets an mehreren Orten mit heißer Anhängerschaft war und Marseille diesbezüglich in Frankreich das Ultimative ist, bin ich mir nicht sicher ob er wirklich auf dieses Heißblütige steht (weiß jemand was bei Galatasaray zwischen Gerets und den Fans ging?).

Das Statement vom OM-Präsidenten Papa Diouf ist inhaltlich belanglos:

Es war angesichts der Freundschaft zwischen uns und Albert Emon eine schwierige Entscheidung. Die Mannschaft braucht neuen Schwung. Eric Gerets ist der Trainer der uns diesen bringen kann, indem er sich der Kontinuität gegenüber der Arbeit der sportlichen Führung der letzten drei Jahre verschrieben hat. Seine Erfahrung und sein Weg in Belgien, Niederlande, Deutschland oder in der Türkei sind Punkte die unseren Klub helfen werden, die anvisierten Ziele zu erreichen.

Aha, sich der Kontinuität verschreiben um neuen Schwung reinzubringen… Ich gehe mal kurz raus um mich zu übergeben…

Tatsächlich soll auch nach Ansicht der L’Équipe die internationale Erfahrung von Gerets für seine Verpflichtung ausschlaggebend gewesen sein. Er würde wissen wie man Meister wird und kenne die Arbeit in einer Umgebung die hohem Druck ausgesetzt ist.

Der zweiten großen Mannschaft in Frankreich geht es auch nicht gut. Auch wenn Olympique Lyon sich in der Ligue 1 vom schwachen Saisonstart erholt hat (Tabellenvierter, 5 Spiele ohne Niederlage), gleicht die Mannschaft immer noch einem Pulverfass. Aktuell betrifft es den Mittelfeldstar Juninho. Der war nach der 0:3-Niederlage in Barcelona so angefressen, dass er die übervorsichtige Taktik des Trainers Alain Perrin vor der Presse kritisierte und am nächsten Morgen die Mannschaftssitzung mit Videoanalyse boykottierte. Ohne Konsequenzen. Perrin setzte ihn am Sonntag in der Partie gegen Lille ein. Vor Reportern zuckte Perrin mit der Schulter: “Natürlich wird Juninho spielen. Warum soll ich die Mannschaft bestrafen. Er wird auch die Kapitänsbinde tragen, wenn er will. Seine Abwesenheit hat nicht die Ordnung der Mannschaft beeinträchtigt. Er hat die Videositzung nicht kritisiert und die anderen Spielern nicht gehindert an der Sitzung teilzunehmen. Es ist eine isolierte Aktion die nur ihn betrifft. Das ist ganz allein sein Problem. Es liegt in seiner Verantwortung“.

Zwar ist das Rumspacken eines Stars keine Sensation, aber in Lyon bis vor einem halben Jahr noch nie dagewesen. Seit dem Jahreswechsel jagen sich aber in Lyon die kleinen Geschichten. Wiltord der durch Boykott seinen Verkauf erzwingt, Fred der mit bedeutungsschwangeren Interviews um seinen Weggang bittet, kritische Interviews von Mitspielern gegenüber Juninho, der offene verbale Krieg zwischen OL-Präsident Aulas und Ex-OL-Spieler Abidal nach seinem Weggang Richtung Barça, finstere Worte vom verletzten Stammtorwart Coupet… Eigentlich zuviel Theater.

Und als letzte Notiz aus der Ligue 1: In einem Interview mit der “L’Équipe” denkt Johan Micoud laut über sein Karriereende nach Ende der Saison nach. Sein Vertrag bei Bordeaux läuft aus und die Wahrscheinlichkeit einer Verlängerung ist nicht sehr hoch. Micoud ist derzeit bei Girondins eher Ergänzungsspieler als Stammspieler. In dem Interview mit L’Équipe klingt er nicht verbittert oder nachtragend, sondern wie jemand der seine Karriere langsam ausgleiten läßt.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. “leider spielte ihm das Schicksal einen bösen Streich und er durfte nach seiner Zeit beim PSV die deutschen Granaten Kaiserslautern und Wolfsburg trainieren.”

    …der FCK hat (z.B.) im Gegensatz zum HSV, St.Pauli 4 Titel in den letzten 15 Jahren gewonnen.
    Und in Wolfsburg kann man sich fast jeden Spieler wünschen den man als Trainer möchte.

    Nur mal so am Rande… bezüglich der “Granaten”…

    Gruß
    Jörg

  3. Allerdings betrifft es auch beim FCK eher die erste Hälfte der letzten 15 Jahre, nicht wahr?

  4. Gerets hat Kaiserslautern in seiner “Granaten”-Phase übernommen?

    Lautern ist unter Gerets 14ter 2002/03 geworden und Gerets wurde in der darauffolgenden Saison als Tabellen-15ter entlassen. Lautern war zu diesem Zeitpunkt so granatig drauf, dass sie unglaubliche Maucheleien im Präsidium hatten, fast in die Insolvenz gegangen wären und vom DFB inkl. Lautern-Bonus (nur) 3 Punkte Abzug bekommen hatten.

    Gerets übernahm die Granate Wolfsburg als Tabellenelfter und beendete die Saison als Tabellenzehnter. In der darauffolgenden Saison wurde Granate Wolfsburg Tabellenneunter und Gerets ging. Kann natürlich sein, dass der VfL irgendwann in den Zwanzigern mal einen Pokal gewonnen hat und daher längst im Fußball-Walhalla weilt. Sorry, falls es mir entgangen sein sollte.

  5. 4 Titel von Lautern in den letzten 15 Jahren? Ich zähl eine Meisterschaft und einen Pokal. Und davon feiert die letzte Meisterschaft auch demnächst das 10jährige…

    Und klar, in wolfsburg hat man Kohle, umso übler, was daraus gemacht wird…

  6. …und Lautern ist doch der Inbegriff des Provinzvereins geworden. Und das auch schon zu Zeiten eines Gerets.

  7. War das nicht bei einem Spiel gegen Bayern München, in dem kurz vor Schluss die Fans ausgetickt sind und Gerets mitten in die Menge sprang?

    *grübelndweitersuch*

  8. Ich hab Eindhoven – Lautern 2000/2001 gemeint.
    http://www.dooyoo.de/ballsport/uefa-cup/551081/

    Eindhoven hat ein Jahr vorher in der CL gegen Bayern gespielt.

  9. Ich habe den Gerets in der Bundesliga gerne gesehen. Er machte einen unkonventionelleren Eindruck als andere – er vereinte für mich das Bärbeißige und Freundlichkeit.

  10. Kurze Frage an Euch: Müsst Ihr in GER, wenn Ihr Premiere-komplett habt, für die Bundesliga jetzt zusätzlich zahlen, oder nicht?

    Danke,
    Atta