Azarenka – Sharapova: launiges Finale
Ich war am Sonntag zum Finaltag des Porsche Tennis-Grand Prix in Stuttgart – mehr darüber später, in einem anderen Blogeintrag. Schlusspunkt eines langen Tages war das Finale zwischen #1 Victoria Azarenka und #2 Maria Sharapova.
Das Turnier war in seiner 35ten Ausgabe sehr gut besetzt – nach einigen verletzungsbedingten Absagen spielten immerhin 15 der Top 20 der WTA-Weltrangliste und in den Halbfinals standen sich die Top 4 der Weltrangliste gegenüber – erstmals seit Wimbledon 2009 und sowieso eine Rarität. An dieser Stelle auch noch einmal Danke an den Leser tiptop, der mich mit Vorabinfos zur Finalbegegnung versorgte.
Beide Finalisten wurden kurz vor dem Finale nachhaltig durch einen hier im Blog anwesenden Sportblogger (hüstel) irritiert. Ungefähr zwei Stunden vor ihrem Match, sass Victoria Azarenka mit ihrem Coach auf der Terrasse der Players Lounge, als eine Besuchergruppe u.a. mit dem Blogger in die Lounge eintrat, zum Nebentisch ging und dort anfing eine langjährige Spielerbetreuerin des Turniers zu interviewen. Victoria Azarenka starrte mit versteinerter Miene zu uns rüber, packte ihre Sachen und verließ sofort die Lounge.
Im Laufe des Interviews fragte oben erwähnte Sportblogger die Spielerbetreuerin ob es starke Unterschiede bei Spielerinnen zwischen der Außendarstellung und dem internen Verhalten gibt “zum Beispiel bei Sharapova, die nach außen sehr ernst, sehr konzentriert wirkt“. Der Fragesteller ahnte trotz entsprechender Gesichtsausdrücken und Hüsteln der Gesprächsrunde nicht, das direkt hinter seinen Rücken inzwischen Maria Sharapova auf die Terrasse gekommen war… anhielt, in die Runde guckte und zurück in das Lounge-Innere ging, um mit etwas Essen dann die Lounge zu verlassen.
Binnen fünf Minuten die Top Zwei des Welt-Frauen-Tennis irritiert.
Ich.
Bei Azarenka schien die Übellaunigkeit Vorzeichen für das spätere Finale zu werden. Victoria Azarenka war auf der Suche nach ihrem Spiel und sie sollte es am Abend nicht finden. Ihr Spiel wurde dadurch geprägt, dass ihre Aufschläge zu wenig konstant durchkamen und sie in ihrem Grundlinienspiel nicht die Länge fand. Derart auf der Suche nach ihren Basics, war es kein Wunder dass sie nur einmal die Grundlinie verließ – und dies auch nur gezwungenermaßen, aufgrund eines Stopps von Maria Sharapova.
Bevorzugt eher analoges Material
Bis zum Spielende blieb links und rechts des Netzes der Sand unberührt. Das Finale war zwar “nur” ein Grundlinien-Duell, wurde aber trotzdem mit hoher Aggressivität geführt. Beide versuchten permanent den Killerball zu schlagen. Die Bälle wurden mit faszinierender Wucht sehr flach über das Netz geschlagen. “In Echt” stören übrigens auch die Schreie der beiden Spielerinnen nicht, da die Dynamik die in den Schlägen dahintersteckt, ganz anders wahrgenommen wird und es nachvollziehbar ist, warum beide Spielerinnen so laut sind.
Azarenka. Unzufrieden mit dem Spiel, unzufrieden mit Gott und der Welt und das entlud sie sehr schnell an der Schiedsrichterin, die einen Azarenka-Ball Aus gab, nachdem ihr Sharapova(!) die Markierung im Sand zeigte. Azarenka ging ans Netz und pampte die Schiedsrichter ziemlich massiv an.
Das Spiel hätte zu Beginn des 2ten Satzes kippen können. Das erste Spiel, ein Aufschlagsspiel von Azarenka, ging diverse Male über Einstand und schien alleine halb so lange zu dauern wie der komplette erste Satz der über 30 Minuten ging. Azarenka wehrte einige Breakbälle ab und entschied dieses erste Spiel für sich. Auch das darauffolgende Spiel von Sharapova wackelte bedenklich und es schien die Möglichkeit zu geben, das Azarenka, Selbstvertrauen schöpfend, nun ins Spiel zurückfinden würde.
Pustekuchen. Azarenka spielte weiterhin inkonstant und fing sich dann in ihrem dritten oder vierten Aufschlagsspiel den Break ein, der das Spiel entscheiden sollte.
Azarenka verließ sehr schnell den Platz – kehrte zur Siegerehrung eher kurz angebunden wieder auf den Platz zurück und war auch noch eine halbe Stunde später auf der Pressekonferenz sehr mürrisch, sprach kaum zwei Sätze am Stück. Ihre schlechte Laune blieb drei Meter gegen den Wind spürbar. Sie verneinte größere Kaffeesatzleserei aus dieser Niederlage und führte immer wieder aus, das dies nur ein Spiel sei. Im übrigen sei die ganze Woche schon ihr Handgelenk verletzt und man müsse mal gucken was das für Madrid bedeute.
Zu Maria Sharapova. In der äußeren Erscheinung – auch gerade im Vergleich zu Azarenka – ist sie eine sehr grazile Erscheinung, die trotzdem z.B. die härteren Aufschläge als Azarenka hat. Die Bälle wirft sie bei den Aufschlägen konstant knapp einen Meter höher als Azarenka.
Vor dem Spiel und in der Anfangsphase ist Maria Sharapova hochkonzentriert. Bei den Seitenwechseln zu Beginn der Partie sitzt sie aufrecht im Stuhl, die Augen geschlossen, den Kopf leicht nach unten geneigt und die Hände auf den Oberschenkeln – wie zur Meditation.
Das Spiel von Sharapova ist durch einen strengen Ablauf geregelt. Bekannt ist ihre Marotte vor dem eigenen Aufschlag den Ball exakt zweimal auf den Boden prallen zu lassen. Mir war aber eine andere Marotte neu: bei gegnerischem Aufschlag gab es ausnahmslos immer wieder die gleiche Prozedur. Nach dem Punkt ballt sie die Linke Hand zur Faust, wendet sich ab, geht langsam nach hinten, häufig eine Art Trippelschritt einlegend. Sie dreht sich langsam um, die Hand immer noch zur Faust geballt und ein, zwei Sekunden bevor die Gegnerin aufschlägt, öffnet sie die Faust und klatscht mit der flachen Hand zweimal auf den linken Oberschenkel.
Dieser Ablauf und ihre Mimik vor einem Match lassen den Eindruck einer im Höchstmaß disziplinierten Spielerin entstehen – ein ziemlicher Kontrast zum glamourösen Image dass sie lange Zeit genoss.
Selbst bei einem Sieg kann sie nicht sofort den Schalter umlegen und es braucht schon eine ungewöhnliche Situation wie z.B. in Stuttgart das eigenhändige Runterfahren des Siegerautos von der Rampe, um die Maria Sharapova zu knacken.
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel war sie ebenso professionell wie unterkühlt und routiniert. Aber es war kurz nach Abschluss der Pressekonferenz als der Schalter umgelegt wurde. Sie ging zum Turnierdirektor Markus Günthardt der zwischen der Bestuhlung des Presseraums und Ausgang auf sie wartete. Sie bedankte sich recht herzlich bei ihm und fing an wegen dem Porsche herumzuflachsen und fröhlich und lachend von einem Bein auf das andere herumzuspringen und verschwand fröhlich in das Treppenhaus zu der Players Lounge.
Am Mittwoch oder Donnerstag dann mehr zu meinen Eindrücken zum Turnier und dem Drumherum. Grüße auch an Julian Grandke, der von ZF/MSL Germany ebenfalls zum Turnier eingeladen worden war.
Reaktionen
Pöser Pursche :-)
Stoff für Verschwörungstheroien ;-)
:D
Einen ähnlichen Eindruck konnte ich von Maria Sharapova auch gewinnen.
Auf dem Platz eine wahnsinnig konzentrierte, manchmal fast schon apathisch wirkende, Spielerin, mit einer eher unterkühlten Ausstrahlung.
Neben dem Platz (Players Party, Kids-Day etc) hingegen kam sie sehr herzlich, gelöst und wirklich spassig rüber.
Ich muß zugeben, ich war ehrlich überrascht, denn so einen extremen Kontrast, habe ich, selbst bei Spitzensportlern, noch selten erlebt.
Vielen Dank für diesen Blogeintrag,
vielen Dank für die Arbeit die dieser Blogeintrag verursacht hat,
vielen Dank für die Strapazen die Du auf Dich genommen hast.
Ich habe es mit Interesse gelesen, dankeschön.
Auf Grund meiner Bemerkung letztens möchte ich anmerken, dass auch ich dies mit Interese gelesen habe (wenn auch erst heute).
@ Berni: Mark van Bommel