Rausch Hour: Barcelona – Werder Bremen 2:0
Okay, eher “Rausch three quarter of an hour“. Und zwar die vom FC Barcelona. Das war eine erste Halbzeit, die sich für Werder auch deswegen so frustrierend anfühlte, weil es wie das väterliche Tätscheln übern Kopf des Sohnemanns war: “Ist gut Kleiner, jetzt laß mal Vati zeigen, wo der Hammer hängt”.
Fünf überwiegend gute Spiele fürn Arsch. Je nach Lesart, weil Barcelona eine erste Halbzeit nicht von diesem Planeten spielte, oder Werder im Hinspiel dieses vergurkte 1:1 zuließ. “UEFAcup” hört sich in diesem Fall wirklich wie Loser Cup an.
Als angepfiffen wurde, schien Werder vor Ehrfurcht erstarrt zu sein. Die beiden Außen Wome und noch mehr Fritz trauten sich lange Zeit keine Vorstöße. Fritz überschritt die Mittellinie zum ersten Mal nach gefühlten 30 Minuten. Der Spielaufbau von Werder konzentrierte sich in der Mitte und wurde dort entsprechend schnell gestoppt.
Anders Barcelona. 10 Feldspieler permanent in Bewegung, einem imaginären Drehbuch folgend zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Wäre die Werder-Innenverteidigung nicht Handelsklasse 1A gewesen, es wäre ein Debakel geworden. In der 10ten Minuten drei Ecken in Folge. In der 13ten Minute ein Foul von Wome an Ronaldinho, zentral aus 18m. Und Ronaldinho: statt den Ball mit Glitter und Schleifchen ins Lattenkreuz zu zirkeln, schießt er einen flachen Roller. Die Bremer Freistoßmauer springt hoch und läßt den Ball unten durch. War da Videoanalyse am Werk? Hat Rijkaard sich vorher den hochspringenden Jensen ausgeguckt?
Barca schaltet nochmal einen Gang höher. Das gesamte Bremer Mittelfeld wird weggespült, sogar der sonst so souveräne Frings patzt permanent.
18te Minute: Ronaldinho gibt nach rechts raus, Wome hebt das Abseits auf, bleibt stehen, während Giuly ungestört flanken kann: Naldo und Mertesacker, wegen der Abseitsfalle zu weit aufgerückt, kommen nicht mehr hinter Gudjohnsen her. 2:0 Barcelona.
Der Schlüsselmoment der ersten Halbzeit war Fritzens erstes Überschreiten der Mittellinie. Fritz merkte, dass es auch noch eine Welt außerhalb der Deckung von Ronaldinho gab. Bremen versuchte ins Spiel zu kommen, aber irgendwie gab es kein Spiel. Es sah wie Standfußball aus. Man schob sich den Ball zu, aber mangels Anspielstationen nur seit- oder rückwärts, ehe dann verzweifelt die Christian-Ziege-Gedächnis-Spieleröffnung per langen Ball aus dem Halbfeld über Klose und Almeida hinweg segelte. Es ging bei Werder gar nichts.
Denn noch viel fantastischer als die Kurzpaßorgie die Barca auf dem Rasen bot, war das Defensivverhalten der Katalanen. Perfekt in den Raum gestellt, alle, wirklich alle Passwege nach vorne verriegelt und nach einer Sekunde gingen zwei Mann auf den ballführenden Spieler drauf. Klose und Almeida sahen kaum einen Ball, Diego nur dann, wenn er denn Ball an der Mittellinie per Innenrist zum Nachbar schob. Jegliche Offensivbemühungen von Werder wurden im Keime erstickt. Das war noch genialischer, als das Spiel nach vorne, dass zu überhitzen begann und sich in seiner eigenen Schönheit erging.
Zweite Halbzeit. Schalter umgelegt. Es hat gefühlt vier Sekunden gedauert, bis Barcelona das erste Mal den Ball abgegrätscht bekam und man merkte, wie Werder zum Halali blies, während Barcelona nicht gewillt war, weiter in das Spiel zu investieren. Es begann Werders beste Viertelstunde. Barca wankte, kam mit dem Werderaner Tempo nicht zurecht. Die beiden Defensivkanten Puyol und Motta fingen sich binnen 5 Minuten gelbe Karten ein. Werder gewann die Kontrolle über das Mttelfeld und mit einem Mal waren die Räume da, um das Spiel auseinanderzureißen. Wome und Fritz schalteten sich in das Spiel ein. Das war Werder so wie man es kannte. Es fehlte nur die allerletzte Präzision im Spiel in der Spitze. Das war die Viertelstunde die noch auf ein 2:2 hoffen ließ.
Doch dann brachen immer mehr die Kräfte weg. Barcelona rüstete defensiv nach. Thuram kam für den gelb-belasteten Motta (62te), später Xavi für den angeschlagenen Iniesta (73te). Wome und Fritz tauchten wieder seltener vorne auf, die Stockfehler häuften sich, Klose und Klasnic, der für Almeida kam (71te) bekamen wieder nur lange Bälle zur Weiterverwertung auf den Schlappen. Werder Bremen wurde zum HSV-Look-a-Like. 56% Ballbesitz, 16 Torschüsse (Barca: 11). Aber 2:0 für Spanien. Und so lief Werders Champions League-Zeit einfach ab.
Und Aus.
Reaktionen
Man muss schon echt fragen, hat wirklich jemand ernsthaft geglaubt, dass Barcelona von Werder zu schlagen ist? Ich muss zugeben, die letzte Woche habe ich mich dazu treiben lassen daran zu glauben.
Aber das Bild des Papa, der seinem Sohnemann beim Schach mal den Fischer-Zug(?) vorführt scheint hier echt angebracht….
Unsere allseitsgeliebte Liga ist halt doch nur die Bundesliga, und der Spitzenreiter derselbigen hat halt gegen Barca nichts zu melden. Was mich am Spiel gestört hat war die 2te HZ von Ronaldinho, der hat an Kredit verspielt. Was war denn da los. An Reijkaards Stelle hätte ich ihn duschen geschickt….! Aber schon nach 55 Minuten!
Mal abwarten – ich könnte mir vorstellen, das Werder jetzt richtig weit kommt im UEFA-Cup. Was für die 5-Jahres-Wertung ja nicht so schlecht wäre.
Ohne jetzt Einzelheiten der finanziellen Lage bei Barcelona zu kennen frage ich mich regelmäßig, welchen Sinn die Europacupspiele überhaupt noch machen.
Bei spanischen, italienischen und inzwischen auch englischen Vereinen ist die finanzielle Refinanzierbarkeit des Klubs scheinbar vollkommen außer Mode gekommen.
Es wird halt schnell ein Medienzar/Multimilliardär oder ein finanzielles Schwergewicht präsentiert, der natürlich schon immer Fan von Klub X/Y gewesen ist und jegliche Finanzlücken mit einem Lächeln auf den Lippen stopft.
Wie sollen denn Teams, die kaufmännisch auch nur halbwegs vernünftig agieren in irgendeiner Form mithalten wenn Papachen dem Sohnemann jeden zu Schrott gefahrenen Ferrarri aus der Portokasse ersetzt?
Hier sehe ich enormen Reformbedarf im europäischen Fußball, ohne Reformen jedenfalls hat man in Kürze eine in Deutschland gesunde Liga , die einen Zuschauerrekord nach dem nächsten bricht und die gleichzeitigClubs in den europäischen Wettbewerben stellt, die dort vollkommen chancenlos sind. Dort wird dann gegen eigentlich marode (aber steinreiche) ausländische Clubs gespielt, die in der heimischen Liga vor fast leeren Tribünen antreten.
Welchen Sinn macht so etwas noch?
Was willst du dagegen machen? Anstelle der Bundesliga muss man einfach warten bis das ganze Kartenhaus zusammenbricht. Logisch nachvollziehbar ist das natürlich schon lage nicht mehr. Man sehe nur aktuell wieder Juve. Zwangsabstieg, Schulden im zweistelligen Millionenbereich, aber machen mal eben Unsummen locker um Klose aus Bremen (sicherlich auch keine Kirchenmaus) weg zu holen. Wie du schon sagst, in Italien, Spanien und England stehen häufig Leute hinter den Vereinen für die Geld nur Spielzeug ist, dementsprechend wird dann auch hantiert. In Deutschland gibt es solche Mätzen in der Form einfach nicht.
Dennoch ist das Auftreten der deutschen Clubs international in den letzten Jahren eine Katastrophe!!!!
Uns droht der Verlust von Startplätzen ja nicht durch Italien England oder Spanien sonder durch Portugal und Rumänien.Wer behauptet das in diesen Ländern bessere finazielle Voraussetzungen herrschen als in der BL den lache ich hiermit aus.
Was meint ihr zum Freistoß zum 1:0?
Illgner meinte ja, die Mauer hätte warten können bis der Ball kommt und dann reagieren (also hochspringen oder nicht), aber das halte ich für absurd, denn dann sind sie zu spät oben und der Ball ist im Kreuzeck.
Schaaf meint irgendwie undeutlich, dass man das noch hätte verhindern können auch wenn es schon zum Freistoß gekommen war, faselte irgendwas von “die Torhüter wollen immer die Unhaltbaren halten” und “hätte die Mauer irgendwie abfälschen müssen”.
Also ICH halte den für nicht haltbar/nicht verhinderbar, denn ich saß auch vor dem Fernseher und dachte mir “springt bloß alle schön hoch, der kommt die Mauerecke” und Wiese muss denn wirklich nicht halten. Finde ich. Einfach zu gut.
Du musst aber auch bedenken,dass gerade Portugiesische Vereine ein hohes technisches und taktisches Niveau auch haben. Nicht umsonst ist der Fc Porto in den vergangenen Jahren auch Champions League und Uefa-Cup Sieger geworden.
Auch fand ich das Kurzspiel von ihnen im Hinspiel gegen den HSV schlicht weg einfach nur noch phänomenal. Und diese Mannschaften sind uns einfach fussballerisch überlegen mittlerweile, so traurig es auch klingt.
Re: Mauer
Wenn die Freistoßmauer mal ganz clever sein will, dann springen in der Mauer immer abwechselnd einer hoch, sein Nachbar bleibt unten, dessen Nachbar springt wieder hoch etc… Dann muss nicht nur unten der Ball superflach geschossen werden, sondern in dieses Fenster von 50cm Breite reinpassen, dass einer der hochspringt hinterlassen hat (und natürlich weiß der Schütze auch nie, welcher der Jungs gerade hochspringt).
(Das Copyright für diese Idee liegt bei mir, ist beim Patentamt München hinterlegt. Auf Nachfrage teile ich Fußballtrainern gerne die Lizenzgebühr mit, die gsich nach Liga und Wettbewerb staffelt)
Diese Idee wird keinem Trainer gefallen. ;)
Re: Mauer
Naja – das mit dem abwechselnd hochspringen ist auch so ´ne Sache. Es gibt genug Trainer, die auf den äussersten Spieler (zum Tor) schiessen lassen, damit dieser den Ball möglichst abfälscht und für den Keeper unberechenbar macht. Durch die abwechselnde Hochspringerei wirds da jede Menge Hoppelbälle geben, die abgefälscht in die Kiste springen.
Es gab auch schon die Idee einen Spieler vor die Füsse der Mauer zu legen …..
Was soll´s – war halt genial vom Zauberer !
@karlc
Schaaf meinte wohl, die Mauer hätte bei diesen großen Leuten einfach stehenbleiben sollen. Dann hätte Ronaldinho schon einen sensationellen Freistoß schießen müssen, der wäre dann eben unhaltbar gewesen. Frage mich nur, warum er diese Weisheit nicht vorher verbreitet hat, Barca hat sich da anscheinend besser vorbereitet und diese Variante trainiert. Zu Illgners Idee müßte man spontan fragen: hat der je Fußball gespielt ? ;-)
@ Mauermeister: gute Idee, und da denkt man der fussi ist ausgeluscht.
Also ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Ronaldinho ein ganz ausgeschlafener ist (oder einer seiner Kollegen). Wenn mann eine Mauer bildet, dann redet, gestikuliert man miteinander, irgendwie gibt man (natürlich ungewollt) möglicherweise preis, was man tut. Stehen bleiben oder hochspringen. Ron. hat einfach mitbekommen, was geplant war. Sonst hätte er das Teil niemals flach “gekullert”. Das sähe dann einfach viel zu bekloppt aus, selbst für Ron., wenn er dann gegen die Füße kullert. Dann lieber den Kunststoss wagen und meilenweit über die Latte semmeln.
Er war einfach ein wenig zu clever für die Mauersteller!
PS: Mauerbildung: Du könntest ja auch einfach einen Spieler von der Mauer hochheben lassen, den halten sie dann quer über ihren Köpfen!!!! (Mein Patent)
Ich lach mich schlapp! B. llgner hat was zu melden. War zufällig beim WM Spiel
Deutschland-Holland 1990 im San Siro. Da ist der an einigen Flanken locker vorbei geflogen. Er hatte Glück, in so einer starken Nationalmannschaft Torwart zu sein. Was die so heute als Experten verpflichten!!!!
Ich habe nicht schlecht gestaunt, als Illgner per Schrifteinblendung präsentiert wurde “Real Madrid 1996 – 2001”. Fünf Jahre! Na ja, zwei von den fünf Jahren hat er quasi komplett auf der Bank abgesessen.