Die Stunden bis zum 93ten Grey Cup

Heute um Mitternacht (18h02 Ortszeit) wird in Vancouver der 93te Grey Cup angepfiffen, das Finale der Canadian Football League. Ähnlich wie beim Superbowl handelt es sich hierbei um das Aufeinandertreffen des Meisters aus dem Osten gegen den Meister aus dem Westen.

Der Weg zum Grey Cup

In den East- und Westfinals hat es jeweils etwas überraschende Siege der Auswärtsmannschaften gegeben. Die Story beider Finals erinnerte an die Semifinals, da einer der spielentscheidenden Faktoren der (Nicht-)Wechsel der Spieler an den Skillpositionen wurde.

Im Osten gewannen die Montreal Alouettes beim Erzfeind, den Toronto Argonautes 33:17. Es war auch ein Duell der Trainer. Torontos “Pinball” Clemons war in den 90er Jahren eine der populärsten Spieler der Argonautes und Alouettes-Coach Don Matthews trainierte in diesem Zeitraum vier Jahre die Argonautes. In gewisser Hinsicht ist Clemons also Matthews eigener Zögling.

Die Argonautes zogen zuerst mit 14:0 davon. Allerdings zeigten die Alouettes etwas, was ihnen in dieser Saison nicht immer gelang: sie konnten sich dem Spiel anpassen und Veränderungen durchführen. Ausgehend von einer Defense die immer perfekter wurde, wurde die Argonautes immer fehlerträchtiger. Der 42jährige QB Damon Allen bekam kaum noch etwas Produktives zusammen, warf fragwürdige Pässe und geriet immer stärker unter Druck. In den folgenden drei Viertel bekamen die Argonautes nur noch 3 Punkte aber 6 Turnovers zu Stande, während die Alouettes bis Mitte des 3ten Viertels ausgleichen konnten.

An der QB-Position dauerte es eine ganze Weile bis QB Calvillo überzeugen konnte. Im Lauf des Spiels fingen die Alouettes ein Wechselspiel ein und brachten den ehemaligen Frankfurt Galaxy-QB Ted White für kurze Downs ins Spiel. Der bullige White diente als Option für ein QB-Sneak, der 2-3yds durch die Mitte selber läuft.

Bezeichnend für die Qualitäten der Alouettes an jenem Abend war auch, dass sie die Rippenverletzung von ihrem Franchise-RB Robert Edwards (ja, der ehemals knieverletzte Patriots-RB) nicht weiter schockte. Second-Stringer RB Eric Lapointe ersetzte ihn in der 2ten Halbzeit ausgezeichnet (112yds).

Die Alouettes konnten mit dem Sieg Rache für letztes Jahr nehmen, als der Underdog Toronto in Montreal das East Final gewann.

Im Westen unterlag der große Favorit, die British Columbia Lions gegen die Edmonton Eskinos 23:28. Die Eskimos brachten aus dem nur knapp überstandenen East Semifinal eine QB Controversy mit. Der etatmäßige QB Ricky Ray hatte bereits in den vorigen Spielen nicht überzeugend ausgesehen, kaum TDs geworfen. Den Sieg im East Semifinal hatten die Eskimos alleine QB Jason Maas zu verdanken, der in der 2ten Halbzeit im Alleingang die Mannschaft wieder zurückbrachte. Mit ihm hinterm Center erzielten die Eskimos 21 der 33 Punkte.

Doch Coach Maciocia setzte im West Final weiterhin aus Ray als Starter. Und Ray sorgte für einen guten Start mit einer 21:7 Halbzeitführung. Es waren die BC Lions die mit ihrem alten QB Dave Dickenson nochmal zurückkamen, u.a. per 90yd-TD. Die BC Lions kamen ins Laufen und der Vorsprung der Eskimos ging im 3ten Viertel perdu. Nun reagierte Maciocia und brachte doch noch QB Maas für den nicht enttäuschenden Ray. Maas machte noch einen TD, während den Lions im letzten Viertel nur ein Safety gelang und auch die Einwechslung von QB Printers nichts brachte.

Die Niederlage ist ein Schock für die BC Lions die ihre ersten elf Spiele in der Saison gewannen, während sie dann aber ein schwaches Saisonfinale absolvierten: sieben der letzten acht Spiele gingen verloren. Die Eskimos hingegen gingen dank einer Heimniederlage im letzten Saisonspiel, nur als drittplazierte des Westens in die Playoffs. Zu allem Überfluss wird der Grey Cup auch “zuhause”, in Vancouver abgehalten.

Die Tage vor dem Grey Cup

Edmontons QB Jason Maas sagte zwar nach dem West Final, dass er nicht enttäuscht sei nur Bankdrücker gewesen zu sein und dass er kein Problem hat, das Coach Maciocia auch bereits angekündigt hat, dass auch beim Grey Cup QB Ricky Ray wieder starten wird… aber vorgestern liessen anonyme Quellen durchsickern, dass QB Maas nach dem Grey Cup seinen Wechsel zu den Hamilton Tiger-Cats bekanntgeben wird, im Tausch gegen die alternde QB-Legende Danny McManus und einem OL-Spieler. McManus ist in den Playoffs Studioanalyst beim Broadcaster CBC.

Montreals Coach Don Matthews gab seinerseits den Start von RB Eric Lapointe bekannt. Robert Edwards brach sich bei den East Finals zwei Rippen, scheint aber gewillt gewesen zu sein, zu spielen. Nun wird er noch nicht einmal an der Seitenlinie stehen.

Das Stadion in Vancouver wird mit 59.000 Zuschauern ausverkauft sein.

Der Grey Cup

Der 93te Grey Cup ist ein Rematch des Grey Cups 2003, als die Eskimos 34:22 gegen Montreal gewinnen konnten.

Bei den Buchmachern und Experten gelten die Alouettes, vermutlich aufgrund der größeren Erfahrung von Coach Matthews, dessen 6ter Grey Cup-Auftritt es bereits ist, als leichte Favoriten. Für Edmontons Coach Maciocia ist es nicht nur der erste Grey Cup, sondern auch sein erstes Jahr als Headcoach überhaupt. Und zu allem Überfluß ist er ausgerechnet in Montreal geboren worden.

Die Charakterisierung der beiden Mannschaften ist leicht: Montreal ist eine Mannschaft mit vielen unterschiedlichen Offense-Waffen, während Edmonton insbesondere mit QB Ricky Ray eine eher biedere Offense spielt und von seiner Defense lebt. An dem Punkt an dem Maas das QB-Zepter bei den Eskimos schwingt, wird die Offense passlastiger und ungleich tiefer.

Das ist dann der Punkt wo Montreals Schwäche ausgelotet wird. Die Montreal Defense hatte in den letzten Jahren aufgrund ihres aggressiven Passrushs einen guten Ruf, war aber in diesem Jahr sehr inkonstant. Nach anfänglichen Problemen im Passrush, während dessen Montreal regelmäßig verbrannt wurde, versuchten sich die Alouettes an einer eher Coverage-orientierte Defense. Auch das nur mit mäßigen Erfolg, weswegen man wieder zurück zum Passrush pendelte etc… So ging es das ganze Jahr, die Defense der Alouettes war launenhaft, was sie auch hinreichend schwer berechenbar machte.

Auch für die Defense der Edmonton Eskimos wird es kein leichter Job sein, denn man muss gegen eine Mannschaft spielen, die sowohl via Pass als auch über Laufspiel tief und weit gehen kann, daran ändert auch nicht die Nominierung von RB Lapointe als Starting RB. Ligaweit gefürchtet ist die Kombination QB Calvillo mit WR Ben Cahoun. Beide spielen sich zwar nicht mit der Regelmäßigkeit eines Manning/Harrison an, aber dafür tödlicher was die Tiefe angeht, also eher etwas wie McNabb/TO (zu besseren Zeiten). Das ganze wird von der vermutlich besten Offenseline der Liga iniitiiert.

Um die Defense der Eskimos ist es nicht zum Besten bestellt. Zum einen gilt der Passdefense als Schwachpunkt, zum anderen ist die Defenseline durch Verletzungen schwer angeschlagen. Bereits gegen die BC Lions spielte man mit dem letzten Aufgebot, das zwar physisch mithalten konnte, aber nichtsdestotrotz viele Yards abgab. Und nun müssen gegen diese Pracht-Offenseline die letzten Kraftreserven freigemacht werden.

Grey Cup im Fernsehen

NASN Europe bringt am Montag ab 19h30 eine dreistündige Aufzeichnung (Whl: Di 6h30, 1h30).

Die Nationalhymne wird von Jully Black gesungen, die Halftimeshow mit drei Songs der Black Eyed Peas gestaltet.

Broadcaster ist CBC, die 26 statt der üblichen 10 Kameras für die Übertragung einsetzen werden. Erstmals bei einem CFL-Spiel wird auch eine “Cable Cam” bzw. “Sky Cam” eingesetzt, die ca. 3,5m über den Köpfen der Spieler schwebt.

Mark Lee wird Kommentator und Chris Walby Analyst sein.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp