CHL v3.0 – mehr als ein juristische Abwehrmaßnahme?
Huch? Wo kommt denn die auf einmal her? Die Champions Hockey League ist plötzlich wieder aus den Löchern gekrochen.
Die Eishockey-Champions League wurde 2008 von der IIHF mit Gazprom-Geldern als Drei-Jahres-Plan aus dem Boden gestampft und erfuhr nach dem Rückzug der Gazprom im Sommer 2009 ein vorzeitiges Ableben.
Die europäischen Teams waren sauer, denn sie hatten schon Vorbereitungen für die zweite CHL-Saison unternommen. Einige Teams drohten mit Rechtsschritten – als die IIHF im Herbst 2009 ankündigte für die 10/11er-Saison mit neuem Konzept an den Start zu gehen, inklusive Entschädigungszahlungen für die betroffenen Teams (siehe Kommentar von Berni). Doch nach nur einen Monat schmiss das Marketingunternehmen hinter der CHL den Brocken hin und im März 2010 gab auch die IIHF offiziell bekannt, dass sie ihre Versuche zur Etablierung der CHL gestoppt habe, da selbst der neue Partner Infront keine Sponsoren gefunden habe.
CHL 2011/12
- Vier Gruppen mit vier Mannschaften
- Sechs Gruppenspieltage, Viertel- und Halbfinale mit Hin-/Rückspiel plus Finale
- Meister und “Regular Season-Meister” aus Deutschland, Finnlandm Russland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Titelverteidiger Zürich Lions, Sieger eines Cups mit einem dänischen, französischen, österreichischen und weißrussischen Vertreter
Nun scheint die IIHF nahezu die gleiche Blaupause aus dem Schrank zu holen. Es wird wieder eine Champions League angekündigt. Es werden wieder “Vergleichszahlungen” von angeblich ca. 100.000 Franken für jene Teams angekündigt, die an der 09/10er-Saison hätten teilnehmen sollen. Die Zusage soll hurtig bis zum 17.12. erfolgen.
Stellt sich die Frage wie sich die Liga finanzieren soll. Ein Sponsor soll noch nicht gefunden sein, aber “die IIHF wird so bald als möglich eine Ausschreibung machen, um einen Marketing-Partner zu finden” so der IIHF laut der Tageszeitung “Der Bund”. Lt. hockeynews.ch-Meldung investiert die IIHF 1,5 Mio Franken in das Projekt – was sich für mich für eine 16-Team-Liga mit sechs Gruppenspieltagen und Playoffs nach nicht viel Geld anhört. Es sind lt. NZZ keine Preisgelder vorgesehen und die Klubs müssten die Reisespesen zahlen. Die Liga besitzt damit die Attraktivität einer Eiterbeule.
Wenn wundert es, dass Menschen auf die Idee kommen, dass die Ankündigung der Champions League nichts anderes eine Finte ist, um eine Prozess zu verhindern. Der SC Bern hat den IIHF wegen der entfallenen CHL-Saison auf eine Entschädigungszahlung von 1,2 Mio Franken verklagt. Das jetzt erfolgte IIHF-Angebot mit Entschädigungszahlung gilt natürlich nur wenn die Klubs auf jegliche darüber hinausgehenden, rechtlichen Ansprüche verzichten.
Nach der ersten negativen Reaktion der Berner scheint die IIHF den Druck zu erhöhen und nimmt die Schweizer in Sippenhaft: legen die Berner ihre Klage nicht nieder, sollen auch die Zürich Lions und andere Schweizer Klubs aus diesem CHL-Ding ausgeschlossen werden.
Die CHL dürfte auch als Abwehrmaßnahme gegen ein zweites Projekt gelten, von dem ich seit geraumer Zeit nichts mehr gehört habe: die Europaliga die sich da im Dunstkreis der European Trophy unter Führung einiger europäischen Spitzenklubs zu bilden versucht und eigentlich bis Ende des Jahres ihr Projekt ein, zwei Schritte weiter treiben wollte.
Was bleibt, ist die Verblüffung über einen so billigen Schritt von der IIHF. Mal sehen welche Klubs darauf einsteigen…
Reaktionen
Dan Wetzel aktualisiert sein aktuelles (und lesenswertes) Buch “Death to the BCS”, welches ein plausibel hergeleitetes Plädoyer für ein Play-Off ist, mit Bezug auf die gerade abgelaufene Saison:
http://rivals.yahoo.com/ncaa/football/news?slug=dw-playoff120610
Ehrlich gesagt, wer diesen Artikel gelesen hat, hat auch die short summary des Buches, noch dazu mit den aktuellen Teams des Jahres 2010… ;-)
@ dogfood
Das Eishockey-Team aus Zürich heisst ZSC Lions, nicht Zürich Lions. Scheint zwar für Auswärtige unverständlich, ist aber für jeden Zürcher enorm wichtig.
#Champ Trophy:
Wird ganz interessant sein, wie sich die Sache entwickelt. Neben der skandinavischen Fraktion und Red Bull, war ja Detlef Kornett einer der größeren Fürsprecher des Projekts. Nachdem der nun von AEG zu Red Bull gewechselt ist, würde ich mutmaßen, daß entweder Red Bull “in die Vollen” geht oder auch dieses Projekt einschläft.
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Apropos Detlef Kornett, Beiersdorfer @ Red Bull
Leider habe ich bisher nichts konkretes dazu gelesen/gehört, aber mit Detlef Kornett hat man bei Red Bull ja nicht “irgendeinen Mitläufer”, sondern schon ein Schwergewicht der Branche verpflichtet.
Ich könnte mir gut vorstellen, daß mit Detlef Kornett, Red Bull seine sehr umfangreichen “Sponsoraktivitäten” zu einer richtigen “Entertainment-Sparte” umbauen wird.
Kornett hatte ja bei Anschutz auch kaum direkt mit dem sportlichen Tagesgeschäft zu tun, sondern war eher strategisch tätig und hat sich um die Projektentwicklung, Marketing usw gekümmert. Nur ein wenig in Leipzig die Grashalme zählen, kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.
Gerüchteweise (sehr spekulativ) war auch zu hören, daß ein Multifunktions-Arena-Projekt in Frankfurt nicht ganz abwägig wäre.
Dagegen würde sprechen, daß Red Bull ja außerhalb des Raumes Salzburg eher wenig “selbst gebaut” hat, auf der anderen Seite hat man in NY ja auch “richtig hingelangt” hat.
http://en.wikipedia.org/wiki/Red_Bull_Arena_%28New_Jersey%29
Des weiteren würde dagegen sprechen, daß bisher nichts davon öffentlich geworden ist und dies bei städt. Ämtern etc. recht unwahrscheinlich ist.
Dafür würde sprechen, daß Kornett für solche Projekte ein Fachmann wäre, in Frankfurt durchaus Bedarf besteht, Eishockey als ein Ankermieter recht unproblematisch zu reanimieren wäre und damit auch nach langem hin und her Red Bull seinen Eishockeyclub in Deutschland hätte.
Nebenbei:
http://www.horizont.net/aktuell/leute/pages/protected/Kornett-verlaesst-Anschutz-Entertainment-Group_96414.html