Sturm-Nebenschauplätze
Es gehört mit Sicherheit zu den unwichtigeren Meldungen in diesem Zusammenhang, aber Wirbelsturm Katrina und die Folgeschäden lassen derzeit Heimspiele des NFL-Teams New Orleans Saints unwahrscheinlich erscheinen.
Abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob zum Heimdebut in 16 Tagen überhaupt hinreichend viel Bevölkerung von New Orleans wieder zurück nach Hause gefunden hat, hat es auch den Superdome hinreichend schwer erwischt. NFL-Commissioner Tagliabue hat den Superdome mehr oder weniger bereits für die komplette Saison abgeschrieben.
Nach dem letzten Preseason-Spiel am Wochenende werden die Saints in ein Hotel nach San Antonio ziehen und dort trainieren. Derzeit werden drei Stadien als Ausweichorte angedacht: der Alamodome in San Antonio/Texas (600km entfernt), das Tiger Stadium der LSU Tigers in Baton Rouge/Louisiana (75km) oder Legion Field, Birmingham, Alabama (500km). Falls nicht schnell genug Einigung erzielt werden kann, werden für das erste “Heimspiel” sogar das Giants Stadium in New York und das Reliant Stadium in Houton (350km), beides jeweils als Montags- oder Samstags-Spiel, in Erwägung gezogen.
Vom Ausfall des Superdomes wird auch der College-Football betroffen sein. Am 2ten Januar sollte der Sugarbowl stattfinden.
Wie die New York Times diskutiert, wird der Sturm für die Saints langfristige Folgen haben. Die ganze Superdome-Problematik wäre auch ohne Katrina wieder auf den Tisch gekommen, denn der Vertrag zwischen Superdome und den Saints befriedigt keinen. In den letzten Jahren fanden immer wieder Verhandlungen statt und zuletzt drohte Benson unverhohlen damit, das Team zu verkaufen, sollte er nicht einen besseren Deal und ein besseres oder renoviertes Stadion bekommen. Die Schäden am Superdome könnten jetzt die Option Neubau nochmal neu auf den Tisch bringen. Oder aber Benson sieht in der zerstörten Stadt mit einem eh schon kleinen Markt, keine Zukunft mehr und zieht mit den Saints weg. Erster Kandidat wäre, wie immer in solchen Fällen, das NFL-lose Los Angeles.
Wie diese Stadt noch eine Zukunft haben soll, weiß ich angesichts der gestrigen Bilder nicht. Die Stimmung die z.B. die BBC in einer halbstündigen Sondersendung rüberbrachte, erinnerte an Endzeit-Szenarien aus Science-Fiction-Filme (z.B. “Der Omega-Mann”). Mitten in der Großstadt sind Menschen am Verhungern und Verdursten. Dem Zusammenbruch jeglicher Infrastruktur folgt inzwischen der Zusammenbruch der Exekutive, Judikative und Legislative. “Rechtfreie” Räume, nicht nur von moradierenden Banden, sondern auch weil der Staat sich aus diesen Räumen zurückgezogen hat. Tausende der ärmeren Bevölkerung der tiefer liegenden Stadtteile sind zum Kongreßzentrum gezogen, ohne dass sich in den letzten Tagen dort auch nur ein staatlicher Vertreter gezeigt hätte. Die Wut insbesondere dieser ärmeren Bevölkerung, die sich eh permanent latent benachteiligt gefühlt hat, gegen den Staat, ist immens.
Das was sich derzeit in New Orleans abspielt, geht weiter über weggeflogene Dachziegel oder überschwemmte Stadtteile hinaus. Erst in den folgenden Monaten und Jahren wird man das volle Ausmaß der Auswirkungen auf die Stadt und ihre Bevölkerung erkennen.
Das Schicksal der New Orleans Saints ist dagegen eigentlich nur eine Petitesse. Aber in den folgenden Monaten möglicherweise auch ein Indiz für die Zukunft der Stadt.
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