Super Lightweight: Amir Khan – Paulie Malignaggi

Der Hauptkampf des HBO-Kampfabends im Theater at Madison Square Garden (einer kleineren Halle an der Seite des großen MSG ) war Khan gegen Malignaggi. Für den jungen Briten Amir Khan aus dem Golden Boy-Boxstall von Oscar De La Hoya soll der Kampf der erste Schritt zur Etablierung in den Staaten sein. Fightnews rankt Khan an #3 in der Super Lightweight-Gewichtsklasse, noch vor Ricky Hatton (#5, na ja…), Malignaggi wird an #10 geführt. Malignaggi kämpfte 2008 gegen Hatton, wo er in der 11ten Runde vom Trainer per Handtuch-Werfen aus dem Ring genommen wurde.

Auf der Undercard gab es Victor Ortiz gegen Nate Campbell. Beide gehören der gleichen Gewichtsklasse wie Khan und Malignaggi an und der Sieger ist der potentielle Gegner bei der nächsten Pflichtverteidigung von Khan oder Malignaggi. ‘Vicious’ Victor Ortiz (23 Jahre, 26-2-1, 21 KOs), ein Rechtsausleger, ist im unabhängigen Fightnews-Ranking an #8 und Nate ‘The Galaxy Warrior’ Campbell (38 Jahre, 33-5-1, 25 KOs) an #15. Campbell war früher Weltmeister im Lightweight, musste aber eine Klasse hoch gehen, als er es nicht mehr schaffte das Gewicht zu halten.

Die erste Runde endete überraschend mit einem Anzählen von Campbell. Er bekam einen leichten Wischer von Ortiz und verlor das Gleichgewicht – mehr wegen der eigenen Körperhaltung und eines Schubsers mit der Faust, als wegen der Schlagwirkung. Zur allgemeinen Verblüffung wurde er bis Acht angezählt und damit eine 10:8-Runde für Ortiz.

In der zweiten Runde konnten beide Kämpfer punkten. Ortiz mit einer stärkeren Anfangsphase, legt viel Schmackes in seine Haken um die Doppeldeckung von Campbell herum, um dann nach einer Minute mit Peek-a-boo-Pseudoschlägen zu versuchen Campbell auf Distanz zu halten. Erfolgreich. Campbell kam nur einmal ran, als er in den Infight ging und mit Aufwärtshaken von unten durch die Deckung von Ortiz kam. Auch die zweite Runde sollte an Ortiz gegangen sein.

Es war eine Blaupause für die folgenden Runden. Ortiz mit einer starken Anfangsphase und dann, beweglich auf den Füßen, die Distanz zu Campbell versuchend zu wahren. Ortiz stellte sich dabei nicht immer clever an, ließ sich von Campbell ab und zu an den Seilen stellen, aber einen Großteil der Runde bekam Campbell Ortiz nicht vor die Flinte. Campbell machte zudem schon ab der dritten Runde in der Körpersprache nicht mehr den taufrischesten Eindruck.

In der fünften Runde versuchte Campbell mit ‘nem büschen Streetfight Ortiz zu verwirren. Vergeblich. Ortiz reagierte mit Klammern, reindrängen in die Seile und einigen guten Kontern.

Ortiz schien anfangs sehr viel Kraft in seinen Schlägen zu verschleudern, aber spätestens ab der dritten Runde hat er die Schläge exzellent dosiert: schwache Abstandhalter-Schläge und wirklich gut gezielte Schläge an den Mann. Alles dabei: Aufwärtshaken, Jabs, rechter Haken. Viele Schläge in die Ortiz mehr Kraft investierte, trafen ihr Ziel. Für 23 Jahre sehr reif, sehr kontrolliert. Das Gesicht von Campbell sah im Laufe der Runden deutlich deformiert aus.

In der 9ten Runde gewann dann die Hybris bei Ortiz die Oberhand, fing an die Deckung runterzunehmen und die Distanz auf Campbell nicht zu halten. Campbell konnte ein, zwei satte Schläge landen. Ortiz wurde von seinen Trainern schnell genug der Kopf gewaschen und er brachte auch die zehnte und letzte Runde über die Runden.

Auf meiner Scorecard gewann Ortiz 99:90, Campbell bekam nur die neunte Runde. Die Kampfrichter entschieden 100:89, 100:89, 99:90 für Ortiz. Guter Kampf von Victor Ortiz, den man in der Gewichtsklasse im Auge behalten sollte.

Amir Khan – Paulie Malignaggi

The strong survive in New York City, the lights shine bright here,so hopefully @amirkingkhan don’t fry under pressure

Tweet von Paulie Malignaggi

Amir Khan ist ein 23-jähriger Boxer aus England, der seit seinem Olympiasieg 2004 in Großbritannien als nächste große britische Boxhoffnung aufgebaut wurde. Seit fünf Jahren wird er in Großbritannien aufgebaut und mit dem heutigen Kampf findet sein Debüt in den USA statt.

In den Staaten hat er es geschafft den derzeit vielleicht besten Box-Trainer in Freddie Roach anzuheuern und steht unter Vertrag des Golden Boy-Boxstalls von Oscar De La Hoya. Die Vorbereitungen zum Kampf waren suboptimal. Wegen kurzfristiger Probleme mit seinem Visum konnte Khan nicht wie geplant in Los Angeles trainieren und musste nach Vancouver ausweichen.

GET YOUR POPCORN READY, BECUZ SATURDAY IS A BLOCKBUSTER NIGHT!!!

Tweet von Paulie Malignaggi

Paulie Malignaggi ist ein unbeschriebenes Blatt. Der New Yorker italienischer Abstammung sollte im Madison Square Garden einen Heimvorteil besitzen. Er spricht auch wie man sich klassisch die Protagonisten der MTV-Dokusoap Jersey Shore vorstellt.

NEW YEAR NEW YORK NEW CHAMP! 2010 IS MY YEAR, MY TIME…. LET’S GO!!!!

Tweet von Paulie Malignaggi

Beide Boxer mögen sich nicht besonders. prompt kam es beim Wiegen zu kleineren Raufereien die das Lager von Malignaggi vorallem auf Fans von Khan schoben.

Amir Khan und Pauli Malignaggi bei der Präsentation

Amir Khan und Paulie Malignaggi

Amir ‘King’ Khan (23 Jahre, 183cm Reichweite, 22-1, 16 KOs, @amirkingkhan) gegen Paulie ‘Magic Man’ Malignaggi (29 Jahre, 178cm Reichweite, 27-3, 5 KOs, @paulmalignaggi), Ringrichter Steve Smoger.

STAND UP BROOKLYN! NEW YORK WILL BE IN THE BUILDIN!!!!!!

Tweet von Paulie Malignaggi

Der Kampf ist in der ersten Runde ein wilder Schlagabtausch, bei dem zuerst Khan eine Linie findet und einige schöne Kontertreffer landen kann. Malignaggi, in den Leopardenfell-Shorts und goldenen Handschuhen, ist ungezähmt, wild, kennt nur den Vorwärtsgang, läßt die Deckung hängen, will einfach nur Khan eine aufs Maul hauen. Runde 1: 10:9

Die zweite Runde startet ebenso wild. Malignaggi beste Waffe ist seine unorthodoxer Kampfstil. So ziemlich nichts was Malignaggi macht, steht im Boxlehrbuch. Er wirft Schläge aus allen Himmelsrichtungen und Khan hat sich in den fünf Profijahren den Ruf eines Glaskinns erworben. Wenn einer von den hingeworfenen Malignaggi-Schlägen trifft… Malignaggi mit Showboating, aber es nützt nichts: die Qualitätsschläge kommen von Khan und Malignaggi hat schon Probleme mit dem Atmen. Runde 2: 20:18.

Die dritte Runde beginnt wieder mit einem ersten schnellen Schlaghagel gen Khan, der sich hinter seiner Deckung verschanzt. Malignaggi kann zwei gute Geraden durch die Khan-Deckung bringen. Khan wirkt etwas verunsichert ob des unorthodoxen Stils von Malignaggi. Unorthodox, dreckig (viele Hinterkopfschläge), aber auch sehr aufwändig (enorm viel Arbeit beim pausenlosen Wegducken). Diesen Aufwand kann Malignaggi eigentlich nicht über die 12 Runden durchhalten. Die Runde geht an Malignaggi, nachdem Khan zu wenig macht. Runde 3: 30:29

Die Pause nach der dritten Runde macht deutlich, das beide Boxer schon von Cuts gekennzeichnet sind, wobei insbesondere Malignaggis Gesicht im Wiedererkennungswert binnen den letzten 15 Minuten arg nachgelassen hat.

Runde 4 wird von Malignaggi deutlich verhaltener geführt. Khan versucht den Kampf zu bestimmen und Malignaggi beschränkt sich auf Konter: wegducken und aus der verqueren Körperhaltung heraus, irgendwie einen Schlag ins Ziel bringen. Abgesehen von einer kurzen Phase in der letzten Minute, wird die Runde vom kühleren Kopf Khans beherrscht. Runde 4: 40:38.

Die fünfte Runde wird von Khan wieder vorsichtiger, kontrollierter geführt. Malignaggi sieht dadurch etwas besser aus, ohne allerdings zu versuchen die Initiative zu übernehmen. Es ist eher ein Tit-for-Tat. Ein Schlag der eine, ein Schlag der andere. Khans Schläge landen besser – Malignaggis Deckung ist kaum vorhanden – während der Brooklyner Malignaggi viel auf Khans Deckung schlägt. Runde 5: 50:47.

In der sechsten Runde sorgten erst einmal die Zuschauer für Aufmerksamkeit, als eine Reihe von Security-Leute im Hintergrund nach links rausrannten und die Zuschauer den Securityleuten nachblickten. Die Kamera blieb aber auf den Kampf im Ring. Khan kommt immer wieder mit sehr guten Jabs durch, Malignaggi durch die Schläge immer wieder 1-2 Schritte nach hinten getrieben, kommt überhaupt nicht in die Runde rein. Die bislang schwächste Runde von Malignaggi und wenn er so weiter macht und sich so häufig treffen lässt, wird er nicht über die volle Distanz gehen. Runde 6: 60:56.

Khan inzwischen mit einem Cut unterm rechten Augen, der unter Kontrolle gebracht aussieht. Malignaggi hingegen mit einem zerschundenen Gesicht und einem recht bösen Cut übern linken Auge.

Die siebte Runde macht dort weiter, wo die sechste aufhörte. Malignaggi kommt nicht mehr in den Kampf und bekommt ein ums andere Mal von Khan den Jab ins Gesicht gestempelt. Khan sieht sehr kontrolliert aus, kann sich Malignaggi zurechtlegen. Khan auch läuferisch inzwischen mit dem größeren Aktionsradius. Runde 7: 70:65.

Die achte Runde wird von Khan beherrscht, der nach Belieben zuschlagen kann. Malignaggi, bislang eh kein Freund der Deckung gewesen, hat nicht mehr die Kraft um die Schläge wegzuducken und steht entsprechend blank. Pro Minute muss er 2-3 richtig böse Schläge nehmen und für den Trainerstab wird es langsam Zeit zu überlegen, wie lange sie den Jungen noch im Ring lassen wollen. Für mich ist die Zeit gekommen, wo Malignaggi mitgeteilt bekommt: Junge, wenn du in der neunten Runde nicht Reaktion zeigt, ist es für alle Beteiligten besser, dass du aus dem Kampf genommen wirst. Runde 8: 80:74.

Zu Beginn der neunten Runde schaut sich Ringrichter Smoger intensiv das linke Auge von Malignaggi an, dass durch einen schweren, aber nicht blutenden Cut gekennzeichnet ist. Malignaggi zeigt aber keine Reaktion. Einige Alibischläge, aber vorallem weiterhin Nichtexistenz von Deckung oder Abwehrarbeit. Er nimmt einen Jab nach dem anderen von Khan. Runde 9: 90:83.

Vor der zehnten Runde geben die Trainer Malignaggi die deutliche Warnung, dass dies seine letzte Runde ist, wenn nicht mehr kommt. Smoger steht daneben, schaut sich Malignaggi noch einmal an. Malignaggi ist prompt etwas aktiver, aber nicht sehr kontrolliert und damit nicht sehr viel gefährlicher. Khan schaut sich zwei Minuten lang die Sache an, um dann wieder mit seinen Jabs zu punkten. Runde 10: 100:92.

Ringrichter Smoger spricht in der Pause mit Malignaggi ob er weiter machen möchte. Der Ringarzt schaut sich den Cut an und gibt grünes Licht. Nach knapp einer einminütigen Besprechung zwischen Ringrichter, Ringarzt, Malignaggi und seiner Ecke, geht es in die elfte Runde. Khan startet abwartend in die Runde. macht immer noch einen sehr frischen und konzentrierten Eindruck. Lässt Malignaggi sich ne Minute abarbeiten und schlägt dann wieder seine Führhand. Nahezu alle Schläge treffen, auch weil Malignaggi nicht mehr die mentale Fitness hat, sich sinnvoll von Khan wegzubewegen. Nach 1:30 in der elften Runde greift Smoger ein und bricht den Kampf ab.

Khan hat die US-Medien beeindruckt. Er hat gute Anlagen gezeigt, wurde aber von Malignaggi nicht wirklich ausgetestet. Die ersten drei Runden, als Khan es noch mit einem ungestümen Malignaggi zu tun hatte, schien Khan etwas rat- und hilflos zu sein.

Paulie Malignaggi, der sich mit dem Stirnband “Future Legend” dem Post-Fight-Interview stellte, hat seitdem noch nicht wieder getwittert.

Mehr in der NY Times.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. again: danke für den fundierten und unterhaltsamen bericht vom boxabend. die einbettung der tweets und des weiterführenden artikels zeigen zusammen mit der persönlichen einschätzung/expertise die stärken und möglichkeiten eines blogposts, OHNE bewegtbild einen lebendigen eindruck vom sportlichen geschehen zu vermitteln.