Boxen am Samstag: Tingeltangel


McCline und Byrd nach dem Kampf

Im – Achtung, Reporter-Standard – “altehrwüdigen” Madison Square Garden hat am Samstag das dauergrinsende Zäpfchen namens Don King vier Schwergewichtsfights veranstaltet, zwei davon WM-Lämpfe.

Es galt Quantität vor Qualität, aber Niveau bzw. Unterhaltungswert lagen über dem von mir Erwarteten.

Trotzdem wirkte die Veranstaltung wie Tingeltangel. Alles die selben Boxer, nur in anderer Zusammensetzung. Da boxte ein Holyfield gegen Byrd, ein Byrd gegen Golota, ein Golota gegen Ruiz, Ruiz gegen Holyfield. “Inszest” ist noch ein mildes Wort…

Evander Holyfield – Larry Donald

12 Runden lang gepflegtes Altherren-Boxen mit einem austrainierten, aber trotzdem immer noch 5 Jahre älteren Evander Holyfield. Seine Leistungskurve läßt sich mit einem Lineal von seine Niederlage gegen Byrd und zuletzt gegen James Toney weiterziehen, allen Geschwafel von Holyfield zum Trotze: steil bergab.

Holyfield war gerade zu zaghaft, kaum initiativ und musste mit der Zeit immer mehr Kopftreffer hinnehmen, ohne aber dass der nun auch nicht wie “Mr. 100.000 Volt” auftretende Larry Donald Holyfield ernsthaft gen Knockout trieb.

Donald gewann den Kampf mit 3:0 Richterstimmen mit 9 bzw. 10 Runden Vorsprung. Wie schlecht es zumindest um die geistige Verfassung von Holyfield stehen muss, offenbarte das Interview nach dem Kampf, in der Holyfield lauwarme Ausflüchte und Ausreden feilbot. Nein, nein, er würde noch einmal Meister aller Klassen werden und Larry Donald war jetzt dummerweise der falsche Gegner zum falschen Zeitpunkt… Was sinngemäß das Gleiche ist, was “The Real Deal” nach den Niederlagen gegen Ruiz und Toney sagte…

Hasim Rahman – Kali Meehan

Ich habe den Australier Meehan zum ersten Mal gesehen und im Vorbericht machte er einen supersympatischen, telegenen und homorigen Eindruck. Er stellte sich als Seiteneinsteiger im Boxsport vor.

Und so kämpfte er auch. Nicht wirklich mit den Stilmitteln aus dem Bilderbuch des Boxsports. In erster Linie versuchte er Rahmans Rythmus zu zerstören, doch Rahman war überraschend gut vorbereitet und brachte Meehan schnell in Kalamitäten. Früh wurde Meehans Nase zu Brei gehauen und bereits in der zweiten Runde wurde Meehan durch den Gong von einem bevorstehenden KO gerettet.

Meehan ist Boxer Marke “ehrlicher Arbeiter” und würde niemals freiwillig zu Boden gehen. Er wurde von Rahman durch den Ring geprügelt, in der 4ten Runde in die Ecke getrieben. Ein Schlag nach dem anderen traf den Kopf von Meehan, der sich mit einer Hand in den Seilen halten musste. Bereits zu dem Zeitpunkt hätten viele Ringrichter den offensichtlich verteidigungsunfähigen Meehan rausgenommen, aber Meehan fiel und fiel nicht um.

Dafür tat der Trainer das einzig richtige: nach dem Gong warf er das Handtuch.

Mit diesem Kampf hat sich Rahman zumindest wieder unter der Riege der beachtenswerten Boxer geschoben. Läßt sich Rahman anständig coachen, hat er Potential.

Chris Byrd – Jameel McCline

Was ich nicht gewusst habe: Byrd und McCline sind eng befreundet, die Ehefrauen verstehen sich exzellent und man besucht sich häufiger im Urlaub. Doch für 12 Runden musste diese “Family Affair” beiseite geschoben werden um aneinander die körperliche Unversehrheit zu verletzen.

McCline mit 15cm größere Reichweite und 25kg schwerer, startete elanvoll in den Kampf. Der Kampf war zweigeteilt: die ersten 6, 7 Runden gingen für mein Geschmack an McCline, inklusive einem Niederschlag bei dem Byrd von einer Rechten zu Boden geschickt worden ist.

Byrd ließ sich durch McClines Schlagkombinationen von außen immer wieder in den Seilen festnageln. Außergewöhnlich für Byrd, der ein Meister der Meidbewegung und der Fußarbeit ist. McCline trieb Byrd aus der Inaktivität und ab zirka Halbzeit wurde Byrd in dem Maße dominanter in dem McClines Kondition nicht nur abbaute sondern schlichtweg wegbrach.

McCline stolperte mehr durch den Ring, konnte keine präzisen Schläge noch landen, allenfalls Zufalls-Schwinger. Byrd seinerseits, punktete mit 1-2-Kombinationen, ohne dass sie aber über Gebühr Wirkung bei McCline hinterließen.

Während beide nach den 12 Runden WM-Kampf auf das Kampfrichterurteil warteteten, hingen sie, siehe Photo, fast zärtlich Kopf an Kopf aneinander. Byrd schien leise was über Freundschaft zu McCline zu predigen.

Ein knappes Urteil. Nicht zuletzt aufgrund des Niederschlags hätte ich McCline eine Runde vorne gesehen, HBO sah Byrd zwei Runden vorne. Es wurde stattdessen eine “Split decision” mit 115-112 und 114-113 für Byrd und 114-112 für McCline.

John Ruiz – Andrew Golota

Der Headliner des abends war überraschend amüsant. Überraschend weil Ruiz gefürchtet für seine Boxkämpfe ist, die eher als Antithese für den Box-Sport gelten dürfen. Da wird im Minutenasstand ein Schwinger rausgeholt, Ruiz läßt sich in den Schlag reinfallen um dann wie ein Kartoffelsack sich über seinem Gegner zu hängen. Gerüchteweise sollen etliche Veranstalter und Box-Experten Freibier versprochen haben, sollte Ruiz seinen WM-Titel loswerden.

Das der Kampf dann letztendlich zumindest unter dem Gesichtspunkt der Unterhaltung sein Geld wert war, hatte nur mäßig was mit dem Boxen innerhalb des Ringes zu tun…

Ruiz Coach Norman Stone ist als Heißsporn bekannt. Sobald er eine Boxhalle betritt, kennt der Weiße mit dem weißen Backenbart keine Freunde mehr und packt alles an Schimpf- und Fäkalwörter aus.

Ringrichter Neumann gehört von Anbeginn zum meist beschäftigsten Mann des Abends. Alle 10 Sekunden musste er dazwischen gehen und den Clinch zwischen Golota und Ruiz auflösen. Nach dem Gong wurde noch hinterhergeschlagen und gestochen. Gleich nach der ersten Runde stand plötzlich Norman Stone in der Ringmitte und drohte den Betreuern von Golota.

In der zweiten Runde wurde Ruiz zweimal angezählt. Beim ersten Mal rannte er in einem Konter und Golotas Rechte. Das zweite Mal war dagegen umstritten, sah mehr nach einem Runterdrücken als einem Niederschlag aus. Das brachte Norman Stone auf die Palme, der sich nun mit dem Ringrichter anlegte. Ruiz, der ansonsten wie die fleischgewordenen Lethargie daherkommt, hatte hohen Adrenalinspiegel und ging richtig ungestüm in Golota rein. Ich hätte nie geglaubt dass ich mal im Zusammenhang mit Ruiz von einem “offenen Schlagabtausch” sprechen würde.

Dritte Runde: Stone ist immer noch erhitzt, Neumann moniert sich lösendes Tape bei Ruiz. Nachdem alles wieder zugeklebt ist, wird weitergeboxt. Auch außerhalb des Ringes, wo sich links, abseits der Kameras Zuschauer anfangen sich zu prügeln. Hinterm Ring stehen alle auf und starren gebannt… vom Ring weg auf das was sich da links tut, wo es offenbar die interessantere Keilerei gibt.

Vierte Runde: Ruiz bekommt nun zurecht eine Verwarnung und Punkteabzug wg. Nachschlagens. Stone kann sich in den Ringpausen gar nicht mehr auf die Anweisungen an Ruiz konzentrieren, dreht sich immer wieder um, um irgendwas in die Ringmitte zu schreien. Er schärft Ruiz dann ein, dass alle hier gegen ihn sind.

Der Kampf ist intensiv, aber das Boxen an und für sich wird eingestellt. Es wird gerungen und geclincht.

Wieder moniert der Ringrichter sich lösende Tapes bei Ruiz und Stone läuft rot an, diskutiert mit dem Ringrichter, der ihn daraufhin warnt.

In Runde acht kommt es so, wie es kommen muß. Neumann moniert wieder die Handschuhe. Stone drückt Neumann entnervt das Tape in die Hand: er möge es doch selber kleben, worauf Neumann Stone das Tape wieder zurückgibt. Beide starren sich sekundenlang in die Augen, ehe Stone irgendwas sagt und Neumann nur noch mit dem Finger zum Hallenausgang zeigt. “Bin ich jetzt rausgeschmissen?”.

In den folgenden Minuten droht Norman Stone jedem Offiziellen an dem er vorbeigeht, mit dem Zeigefinger auf die Brust: “Ich werde dich verklagen! Dich, dich werde ich auch verklagen! Ich verklage EUCH ALLE!!!”

Die Runde wird fortgesetzt, beim Gong kann Ruiz wieder nicht innehalten und schlägt nach, trifft dabei sogar Ringrichter Neumann. Der ehemalige Schwergewichtsboxer schubst Ruiz weg. Der Puerto-Ricaner fliegt in die Seile.

In der neunten Runde flammen linkerseits wieder die Kämpfe in den Zuschauertribünen auf. Ruiz wird stärker, kann gute Schläge landen und reißt bei Golota einen höllischen Cut quer über die gesamte rechte Augenbraue auf. Aber der Cutman leistet gute Arbeit und der Cut bricht nicht wirklich auf.

Dann das Urteil: das Fernsehen sieht Golota vorne und ich weiß auch nicht wie Ruiz an den drei Punkteabzügen durch die beiden Niederschläge und die Verwarnung vorbeikommen soll.

Doch das überraschende und nicht nachvollziehbare: John Ruiz gewinnt mit 3:0 Richterstimmen: 2x drei Runden vorne, 1x 1 Runde vorne. Wie Ruiz Golota sechs Runden abgenommen haben soll, kann niemand erklären.

Der Langweiler bleibt uns erhalten.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Holyfield boxt doch tatsächlich wieder.
    Nach knapp 2 Jahren Ringabstinenz hat er gestern per TKO in der 2ten Runde gegn Jeremy Bates gewonnen.
    Bates ist ein Versicherungskaufmann, der so aussieht, als ginge er des öfteren mal in die Muckibude, aber nen dollen Boxer macht das aus ihm nicht. Zu den Top250 des Schwergewichts kann man ihn nicht zählen.

    Doch Holyfield fühlt sich wieder zu größeren Taten berufen und will schon nächstes Jahr nen Titelkampf boxen … joa.
    Bei espn.com streut man das Gerücht, dass Holyfield als nächstes gegen Sinan Samil Sam boxen will.