Fofftein am Mittag: vom belgischen Radsport

Der belgische Radsportler Frank Vandenbroucke (32) liegt nach einem Selbstmordversuch am Mittwoch in einem Krankenhaus in Mailand und befindet sich in einem ernsten Zustand.

Vandenbroucke konnte nach einer Knieoperation im Februar nicht am Giro teilnehmen. 2002 wurden Dopingsubstanzen bei ihm gefunden. Seit mehreren jahren soll er zudem an Depressionen gelitten haben. Mehr liegt derzeit nicht vor. Alle belgische Medien haben anscheinend das gleiche Agenturmaterial vorliegen. (Quelle: Le Soir)

Sport24.com schreibt – und ich weiß nicht inwieweit es aus den Fingern gesogen ist oder sie inzwischen bessere Informationen vorliegen haben – dass es einen Zusammenhang zwischen den Beginn der Depressionen von Vandenbroucke und der Einnahme von Dopingmitteln 2002 gab. Die Meldung ist auf sport24.com gar mit “Vandenbroucke schwebt zwischen Leben und Tod” getitelt.

Die Gazetta dello Sport schreibt: “Non è in pericolo di vita, ma i medici si sono riservati la prognosi”, was sich nach meinen bescheidensten Italienisch-Kenntnissen so anhört wie: er schwebt nicht in Lebensgefahr, aber die Ärzte wollen keine Prognose abgeben. Kann das jemand bestätigen?

[Update] dpa bestätigt inzwischen, dass er nicht in Lebensgefahr schweben soll. [/Update]

Quick Step

Mangels Kenntnisse der flämischen Sprache, kann sich ja jemand vielleicht die Artikel im Het Laatste Nieuws vornehmen…

Wie in den Kommentaren schon angedeutet, fanden am Morgen knapp ein Dutzend von Hausdurchsuchungen im Umfeld des Radsportteams “Quick Step” in verschiedenen Landesteilen Belgiens statt. Dabei wurden mehrere “verbotene Substanzen” entdeckt und 13 Personen zum Verhör mitgenommen. Am Mittag gab die Staatsanwaltschaft eine Pressekonferenz, hielt sich aber bedeckt in den Details wie z.B. die Namen der 13 Personen die man verhört.

Hintergrund sind Aussagen des belgischen Politikers Jean-Marie Dedecker im letzten Jahr, als der ehemalige Judo-Nationaltrainer von “drei belgischen Radsportlern” sprach – ohne Namen zu nennen, die im Februar 2006 in Italien eine “Dopingkur” im Werte von 24.000 EUR gemacht hätten. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft von Courtrai/Kortrijk die heute die Hausdurchsuchung veranlasste.

Der damalige Weltmeister Tom Boonen zeigte Dedecker wegen übler Nachrede an. Der Manager des Quick Step-Teams Patrick Lefevere ging Anfang des Jahres gegen das Boulevardblatt Het Laatste Nieuws vor, die in einer Artikelserie auf Basis von anonymen Zeugenaussagen Lefevere und das Team des Dopings beschuldigten und dabei EPO und Kokain als Substanzen erwähnten (Kokain wäre kein Einzelfall. Marco Pantani ist seinerzeit an Koks gestorben). Levefere beschuldigte damals Dedecker eine Kampagne gegen Quick Step zu führen.

Von Quick Step scheint derzeit nur eine Presseerklärung vorzuliegen. Lefevere erklärt darin, das es seines Wissen nach eine Hausdurchsuchung bei einem Quick Step-Pfleger gegeben habe. Da er gerade in Paris bei einem Meeting zwischen der UCI und den großen Radsportveranstaltern weile, kann er derzeit nicht mehr sagen und müsse die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft abwarten. Lefevere zeigt sich aber erstaunt, dass die Hausdurchsuchungen drei Tage vor Wahlen in Belgien stattgefunden haben.

(Quellen: LeSoir, Cyclingnews.com)

Bei dem oben erwähnten Treffen in Paris scheint auch eine Aberkennung des 1996er-Toursieg von Bjarne Riis thematisiert zu werden. Laut Netzeitung/dpa bemüht sich die ASO um eine Aberkennung. Die Entscheidung läge aber bei der UCI.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Cool, ist dann Jan Ullrich zweifacher Tour-Sieger?

  3. Das würde Ulle aber ganz schön in Erklärungsnot bringen – schließlich müsste er dann auch noch erläutern, warum er zu DIESEM Toursieg nix sagt. Radsport ist aber auch kompliziert…

  4. Ich habe nur ganz kurz Zeit mir den flämischen Text anzuschauen und verstehe eigentlich auch nur holländisch (zumindest einigermaßen). Im ersten Abschnitt sind
    ein paar Infos, die nicht direkt von den Agenturen kommen. Das liest sich ungefähr so (ohne Garantie):
    Demanch hat es Durchsuchungen in der Radsportszene, mit besonderem Augenmerk auf QuickStep, gegeben. Dabei ist eine Anzahl von Dopingmitteln gefunden worden, für die man rechtlich belangt werden kann. Unter den Verdächtigen (auch verhört worden) ist der ehemalige Fahrer David Windels (der wohl auch selber gedealt haben soll). Es werden auch andere Namen genannt (u.a. der Pfleger Molly bei dem durchsucht wurde). Im weiteren Text geht es noch mal um Dedecker und die schon oben genannte Geschichte.

    Ansonsten ohne zu populistisch sein zu wollen: Vielleicht wäre ein Sabbatjahr für alle mal ganz gut.

  5. Ein Aufrücken Ullrichs, der 1997 triumphierte, ist wegen dessen eigener Situation kein Thema.

    http://www.faz.net/s/RubCBF8402E577F4A618A28E1C67A632537/Doc~EED9E24F843B442F1843B7554A7F5E971~ATpl~Ecommon~Scontent.html

  6. OT: Findet jemand auf der tollen neuen Eurosport-Website einen RSS-Feed?

  7. Danke

  8. Laut flämischen Medienberichten sollen mehrere Amateur-Rennfahrer zu den Verdächtigen zählen. Der TV-Sender VTM meldet, dass darunter Johan Molly sei, der ein enger Vertrauter von Quick Step-Star Tom Boonen sein soll. Der Ex-Weltmeister selbst hat nach Informationen des Senders jedoch nichts mit der Affäre zu tun.

    aus: http://radsportnews.net/2007/quickstep_0706.shtml

  9. …Quick Step-Teamsprecher Alessandro Tegner dementierte am Nachmittag, dass die Mannschaft von Weltmeister Paolo Bettini und Tom Boonen in die Affäre verwickelt ist. “Ich habe alle Rennfahrer kontaktiert und keiner von ihnen wurde von der Polizei vernommen. Als ich Tom Boonen erreicht habe, war er im Training”, sagte Tegner. Er bestätigte, dass die Polizei das Haus von Teambetreuer Johan Molly durchsucht hat. “Aber”, so Tegner, “bei ihm wurde nichts gefunden und die Polizei hat ihm nichts vorzuwerfen. Er wurde schnell wieder auf freien Fuß gesetzt.”

    “Dies ist keine Quick Step-Affäre. Dies ist eine Dopingaffäre um belgische Amateur-Rennfahrer, und nicht um Fahrer von Quick Step. Nach unserem Kenntnissstand gibt es keinerlei Ermittlungen gegen unsere Mannschaft und es gibt auch keinen Anlass dafür”, betonte Teamsprecher Tegner, der bedauerte, dass Fehlinformationen der Justiz das Image von Quick Step, “das so gegen Doping kämpft”, beschädigt hätten …

    Quelle siehe oben.

  10. @tiptop
    da mich das etwas beschäftigt hat: Ich verstehe auch niederländisch (vor allem Schrift) und hab eigentlich kein Problem mit belgischen Zeitungen, die ich ab und zu angucke. Hab deswegen mal nachgegoogelt: flämisch sind wenn, dann nur gesprochene Dialekte. In Belgien ist Schriftsprache niederländisch. :)

  11. @Jochen

    Danke für die Aufklärung. Ich hätte wirklich gedacht, dass die offizielle Sprache flämisch ist. Mit dem Verstehen ist es bei mir genau anders herum. Gesprochen verstehe ich eigentlich alles, mit dem Schriftlichen habe ich Probleme. Wenn ich mich konzentriere beim Lesen, geht es einigermaßen. Aber nicht wenn ich nur drüberfliege wie beim dem Radsport Text. Da ich jetzt auch schon mehrere Monate keinen niederländischen Text mehr vor der Nase hatte (und mir die Aussage eines Niederländers im Ohr war, die belgier sprächen “baby dutch”), war ich ziemlich überzeugt original flämisch zu lesen. So ist das manchmal im Leben…:-))

  12. @tiptop

    Flämisch gibt es ja an sich auch nicht, sondern ist nur ein Oberbegriff für verschiedene Dialekte in Belgien und dem Grenzgebiet. :) Genau so ist ja holländisch auch nicht niederländisch, sondern niederländische Dialekte in den Holland-Provinzen. Das ganze Dialektsystem (welcher Dialekt von welcher Sprache herkommt ) ist beim niederländisch (wie wohl bei den meisten Sprachen) ziemlich komplex.
    Aber sicherlich ist das Sprachbild in Belgien anders als in NL. Ich meine beim Radiohören (höre hin und wieder mal einfach irgend einen Radiosender) schon einen Unterschied zwischen “belgischem” niederländisch und “niederländischem” niederländisch zu hören. Beispielsweise finde ich die Aussprache des g oder anderen Buchstaben, die im niederländischen besonders hart/weich ausgesprochen werden, anders.