Frühmorgens, im Sportland
Die Tour de France 2006 hat möglicherweise einen Dopingfall. Die UCI gab bekannt, das eine A-Probe positiv gewesen sei. Nun wird das Resultat der B-Probe bzw. eine Auskunft des noch unbekannten Fahrers abgewartet. Fahrer, Team und WADA seien bereits informiert.
Ich hatte unlängst auf ein Interview eines Sportrechtsexperten in der SZ verlinkt, der für ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland eintrat. Nur dadurch würde Doping auch der Strafgerichtsbarkeit unterstellt werden und bekämen die Behörden die Handhabe auch mit Mitteln wie Hausdurchsuchungen oder Telefonabhörmaßnahmen zu arbeiten. In der heutigen taz vertritt Werner Franke die entgegengesetzte Meinung.
Der Sportrechtsexperte Martens in der SZ:
Kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob der Athlet, der – in Anführungsstrichen – betrügt, auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. In dieser Frage war man sehr zurückhaltend. Ob der Tatbestand des Sportbetrugs, den es ja im Moment nicht gibt, jemals bei uns eine Chance hätte, Realität zu werden – da habe ich Zweifel […]
Das liegt an juristischen Argumenten. Betrug hat die vier Tatbestandsmerkmale, wenn eines davon nicht erfüllt ist, liegt im rechtlichen Sinne kein Betrug vor: Gibt es bei Doping eine Täuschungshandlung? Ja. Irrtumserregung? Ja.
Vermögensdisposition? Bei einem Doping-Vergehen muss niemand etwas aus seinem Vermögen hergeben, da wird es schon schwierig, woraus sich dann auch die Frage des Vermögensschadens ergibt. Vereinfacht ausgedrückt lässt sich ein Betrug sowohl vor dem Veranstalter als auch vor dem Mitkonkurrenten juristisch nur schwer begründen […]
Ein Athlet, dessen Blutwerte auffällig sind, wird auf Epo getestet. Der Tatbestand könnte sein: Wettbewerbsbetrug. Es gibt ja im Arzneimittelgesetz schon einen Ansatzpunkt, aber erstens greift er nicht stark genug, zweitens ist er noch nicht wirklich angewandt worden, außer in Extremfällen. Da müsste in den Staatsanwaltschaften ein Umdenken stattfinden. Ja, wenn der Verdacht groß genug ist, dann würde mit einem Antidopinggesetz das passieren, was jetzt in Spanien passiert ist. Da würde die Polizei kommen und sagen: Guten Tag, alles bleibt stehen und liegen, jetzt schauen wir uns mal eure Blutbeutelchen an, eure Medizin oder eure Bücher.
[… Es wäre keine Anzeige notwendig, denn im] Antidopinggesetz wäre Doping als so genanntes Offizialdelikt ausgestaltet. Die Staatsanwaltschaft würde von sich aus tätig werden.
Die Gegenposition von Werner Franke in der taz:
Wenn man das bestehende Arzneimittelgesetz ernst nehmen würde, [bräuchte man kein Anti-Doping-Gesetz]. Aber das Arzneimittelgesetz wird ja wie ein minderes Recht betrachtet […]
Das geht schon über Jahrzehnte so, selbst nach der Verschärfung des Gesetzes im Jahre 1998, als die Strafen für Minderjährigen-Doping auf zehn Jahre Gefängnis heraufgesetzt wurden. Aber daran orientiert man sich nicht als Verstoß gegen Arzneimittelgesetze und als systematische Körperverletzung. Dabei hält das deutsche Recht im Kampf gegen Doping alle Möglichkeiten des Eingreifens bereit. Man könnte E-Mails kontrollieren, Telefone von Verdächtigen abhören, Hausdurchsuchungen durchführen – auch jetzt schon. Aber an die Hintermänner traut sich hierzulande anscheinend keiner ran. Der Leichtathletiktrainer Thomas Springstein ist mit ein paar Monaten Bewährung davongekommen. Pipifax ist das. Er hat einem 16-jährigen Mädchen androgene, also vermännlichende, Hormone verabreicht […]
Es sind genügend Mittel da, sie müssen nur entsprechend eingesetzt werden, vor allem was Ermittlungen angeht. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum ein Richter bei Verdacht auf Minderjährigen-Doping nicht die Erlaubnis geben sollte, Telefone abzuhören. Doping ist erhöhte Kriminalität. Das sagt auch der Bundesgerichtshof.
Für Franke wäre ein Anti-Doping-Gesetz sogar das Schlimmste was passieren könnte. Würde Doping in den Bereich der Strafgerichtsbarkeit übergehen, hätte das auch eine Umkehr der Beweislast zu Folge. Nach dem derzeitigen Stand ist der Konflikt zwischen dem T-Mobile-Team und Jan Ullrich ein arbeitsrechtlicher, in der die Unschuldsvermutung gar nicht greift. Anders bei Strafsachen. In solchen Fällen müsste nachgewiesen werden, das der Sportler wirklich gedopt war und das er vorsätzlich gedopt war.
Franke weist daraufhin dass die zahlreichen Verfahren in Italien äußerst unergiebig gewesen seien. Viele seien in die Berufung gegangen und die Strafen dort abgemildert oder wegen Verjährung aufgehoben worden.
Nebenwirkung
Vorgestern sind einige Nebenwirkungen der Urteilssprüche aus der Berufungsinstanz im Serie-A-Skandal untergegangen.
Inter ist am grünen Tisch zum Meister erklärt worden und der AC hat für die abgelaufene Saison nur 30 Punkte abgezogen bekommen, landet aber damit auf Platz 3 und darf wohl bei der anstehenden CL-Quali mitmachen.
Die UEFA wird sich heute in einer Dringlichkeitssitzung mit den vier Fällen beschäftigen.
Nur noch Single
Bernie Ecclestone hat sich durchgesetzt. Ab 2007 gibt es nur noch ein F1-Rennen in Deutschland. Der GP von Deutschland wird dann alternierend am Nürburgring und in Hockenheim ausgetragen. Ecclestone hatte auch die Bilanzen auf seiner Seite: Hockenheim hatte sich mit dem Umbau verhoben und auch der Nürburgring leidet an sich zurückziehende Sponsoren und Zuschauerzahlen (WELT).
Open Wheels in den USA
Las Vegas will sich für die nächsten fünf Jahre als Auftaktrennen zur Champ-Car-Saison profilieren. Die entsprechenden Verträge wurden dieser Tage unterzeichnet (grandprix.com).
Danica Patrick hat einen neuen Vertrag für die IRL bei Andretti Green Racing unterzeichnet, wo sie Bryan Herta ersetzen wird und an der Seite von Kanaan, Marco Andretti und Franchitti fahren wird, sofern es 2007 die IRL noch gibt.
Reaktionen
Ich glaube ja nach wie vor, dass man Doping-Sünder strafrechtlich verfolgen sollte.
> Vermögensdisposition? Bei einem Doping-Vergehen muss niemand etwas aus seinem Vermögen hergeben, da wird es schon schwierig, woraus sich dann auch die Frage des Vermögensschadens ergibt.
Was ist mit dem Betrug am Fan, der in welcher Art auch immer, sein Geld hergibt (Fernsehgühren, Eintrittskarten, etc.) und an den Sponsoren?
Das Problem ist, dass man nicht monetär erfassen kann, welchen Schaden das/die Dopingvergehen verursacht haben.
Beispiel Tour de France: Zig Dopingfälle und trotzdem ist das Interesse ungebrochen – mancherorts sogar durch die veränderte Ausgangslage gestiegen. Da kann man jetzt nicht her gehen und sagen, dass die Dopingsünder den Sport soundsoviel Millionen gekostet haben.
Das ist alles nicht eindeutig in nen Zahlenrahmen zu bringen und deswegen auch juristisch nicht haltbar.
Die Bezifferung eines Vermögensschadens ist sicher schwierig, aber imho zumindest ansatzweise machbar. Primär erstmal über das Preisgeld, wenn ein gedopter Athlet ein Rennen/einen Wettbewerb gewinnt. Hier entsteht den nachfolgenden Sportlern auf den Plätzen ein entsprechender finanzieller Schaden.
Die weiteren Auswirkungen dahingehend, wie der (gedopte) Sieger die gewonnene Popularität durch Werbeeinnahmen und Antrittsgelder bei lukrativen Veranstaltungen versilbert ist dann schwieriger zu bewerten
Ich denke Martens und Franke zeigen die Problematik auf,wie uneins die Experten sind, was wie angegangen werde kann, wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Schwerpunkte beider unterschiedlich sind. Franke scheint aus seiner persönlichen Erfahrung (Ehefrau Berendonk) möglicherweise eher auf das Vorgehen gegen Doping von Jugendlichen abzuzielen.
@ker0zene: Vermögensschaden am Preisgeld festzumachen, ist nicht immer sinnvoll. Wie hoch ist das Preisgeld eines TdF-Siegers? Ich glaube für eine Etappe gibts 8.000 EUR, die zudem in die Mannschaftskasse und den Fiskus abwandern.
Nehmen wir das Beispiel Jan Ullrich. Demnach wäre derzeit allenfalls das eine Zeitfahren beim Giro justiziabel, wo die Spanier wohl anscheinend recht gute Beweise für Doping haben. Das kann es ja nicht sein.
Alle Dopingsünder beim kleinsten Vergehen sofort lebenslang sperren.
Nur diese Sprache verstehen diese Betrüger.
Ich fürchte das dann die Tour de Dope zum letzen mal ausgetragen wurde…
Lebenslang ist nicht machbar. Seinerzeit wurde die vierjährige Dopingsperre gegen Katrin Krabbe von deutschen Gerichten aufgehoben, weil sie einem Berufsverbot gleich käme. Alles über zwei Jahre beim ersten Vergehen wird rechtlich kaum haltbar sein.
Spekulativer Bericht auf radsportnews.com bezueglich des moeglichen Doping-Falls bei der Tour:
http://radsportnews.net/2006/landis_chaam.shtml
Ohohoh… Der Bericht meldet das, was derzeit in Frankreich durch einen Agenturbericht von AFP die Runde macht. Der französische Radsportverband erklärt unterdessen, dass es kein französischer Fahrer sein soll, da man sonst von der UCI schon informiert worden wäre.
Ich hab mich mal schlau gemacht: DopingUlle gilt wirklich nach seiner KokainGeschichte als “vorbestraft” (hinsichtlich Dopingvergehen) –> daraus folt, dass er durchaus für 4Jahre von der UCI gesperrt werden könnte.
Interessant ist auch noch, was Frommert gegenüber der ARD gesagt hat, dass man nicht an eine Schuld DopingUlles glaubt -> zumindest wurde er deswegen nicht entlassen. Entlassen wurde er, da im t-mobil vertrag steht, dass wenn ein Faherer unter Dopingverdacht steht alles dafür tun muss um seine Unschuld zu beweisen und da DopingUlle dies ja bekannterweiße nicht gemacht hat wurde er entlassen. Das selbe soll auch in irgendeinem Kodex bei der UCI stehen (deshalb soll sich auch basso zur DNA probe bereit erklärt haben)
Nochmals zur Klarstellung: Laut UCI soll auch der nationale Verband des Fahrers vom Dopingfall informiert worden sein. Der französische Verband hat bereits dementiert und nun meldet AP dass auch der US-Verband dementiert hat, von der UCI bzgl. dieses Tour-Dopingfalls kontaktiert worden zu sein. Was zugunsten Landis spräche.
@ dogfood: Nochmal wg. Vermögensschaden in Relation zum Preisgeld. Ich sagte ja “ansatzweise” – ist aber eben imho der einzige direkt messbare Bezug zwischen einem durch Doping errungenen Wettbewerbsvorteil und einer entsprechenden Honorierung. Das dies als einziges “hartes” Faktum gegen die schwer Meßbaren Faktoren Sponsoring, Werbung etc. steht macht die Sache wohl so schwierig und ist geeignet, dem Thema an Tragweite zu nehmen, wenn es am Ende “nur” um reltiv geringe Beträge geht. Vielleicht auch ein Grund, warum man sich der Sache von dieser Seiter her nicht nähern möchte.
Die dänische Zeitung “Ekstra Bladet” soll (gemäß sport24.com) nun melden, dass es sich beim gedopten Tour-Fahrer um Landis handeln soll. Die positive Dopingprobe soll von seinem Sieg bei der Alpenetappe nach Morzine sein.
Ich kenne die Zeitung nicht und weiß nicht auf welcher Basis sie die Information abdruckt. Also ist das ganze noch mit äußerster Vorsicht zu geniessen (und der Grund warum ich noch keinen Extra-Blogeintrag dazu schreibe)
Kann den jemand Dänisch?
http://ekstrabladet.dk/
Ich glaube nicht dass der Artikel auf der Website steht. Der “neueste” Landis-Artikel stammt von heute morgen 9h, “Landis forsvundet” dürfte “Landis verschwunden” heißen und bezieht sich auf den Flieger wo er nicht drin war. Es taucht auch nirgends das Wort “Morzine” auf.
Ja, das dachte ich mir auch das der Artikel nicht dabei ist. Warten wir einfach ab.
Jetzt auch im Spiegel:
http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,428807,00.html
Bei den radsportnews wurde der Artikel inzwischen ergänzt. Auch der deutsche Radsportverband verneint von der UCI informiert worden zu sein. Belgische Zeitungen wollen erfahren haben, dass es sich bei dem gedopten Fahrer um einen aus der Top 10 handeln sollte.
sport24.com hat seinen Artikel über die Gerüchte von EkstraBladet inzwischen ausgebaut und betont, das Ekstra Bladet weder seine Quellen nennt, noch die Substanz auf die angeblich Landis positiv getestet sein soll.
Vielleicht würde mit der Strafverfolgung von Dopingverdächtigen ja über kurz oder lang die Einsicht einkehren, dass man nicht verbieten kann, was man nicht nachweisen kann? Ich bin da skeptisch und lehne ein Antidopinggesetz daher ab.
.
Aber mal was anderes: “Ecclestone hatte auch die Bilanzen auf seiner Seite: Hockenheim hatte sich mit dem Umbau verhoben und auch der Nürburgring leidet an sich zurückziehende Sponsoren und Zuschauerzahlen”
Was man bei dieser Argumentation nicht vergessen darf ist, dass durch den Wechsel die Kosten einer Veranstaltung auch nicht geringer werden und ob sich dann allein durch das erhoffte Mehr an Zuschauern die Rechnungen besser begleichen lassen, halte ich für sehr fraglich.
Für mich ist Hockenheim als F1-Standort praktisch tot, und dass Stadt und Land noch auf Jahrzehte hinaus an der Kastrierung des Hockenheimrings knabbern dürfen, hefte ich unter “Karma’s a bitch” ab.
Die Meldung über das Doping von Landis haut voll rein. Mir war das klar, als er nach dem Einbruch an den nächsten beiden Tagen wie Phönix aus der Asche kam. Inzwischen glaube ich diesem Betrügerverein Profi-Radsportler nichts, nichts, nichts mehr. Den Sport sollte man abschaffen, genau so wie Gewichtheben und die wirklichen “Doping”-Sportarten. Man fühlt sich verarscht und mögliche Überraschungen glaubt man nie mehr…
Hoffentlich ziehen sich die Sponsoren in Scharen von diesem Betrugs-Sport zurück, damit wirklich mal energisch durgegriffen wird. Aber allein mir fehlt der Glaube.
Wie im Profifußball in Italien. Die Spiele werden verschoben, und aus wirtschaftlichen Gründen heißt es: so what.
Hello! Good Site! Thanks you! hfyqrgrvhcu