Frankreich – Mexiko 1:0

Ich bin eigentlich der Ansicht das von Fußballspielen in dieser Phase der Vorbereitung nicht viel gutklassiges Kicken zu erwarten ist. Etwas anderes habe ich von der Partie Frankreich – Mexiko erwartet, war es doch die 100te Partie von Zidane und sein Abschied aus französischen Fußballstadien.

Die Franzosen spielten mit der gleichen Pomadigkeit auf, die sie schon in fast allen Spielen der Domenech-Ära auszeichnete. Seit der Rückkehr von Zidane sind die Franzosen noch berechenbarer geworden, weil der Spielaufbau auf Zidane fixiert ist. So auch gestern.

Die Zuschauer waren für eine Abschiedsgala gekommen, heraus kam ein fades Spiel und zahlreiche überstürzt vergebene Bälle von Cissé. Beides sorgte für ein gellendes Pfeifkonzert zur Halbzeit. Dann die etwas würdelose, profane Auswechslung von Zidane in der 53ten Minute mit überraschend kurzen Standing Ovation.

Die L’Équipe (gedruckte Ausgabe) ist ob der gezeigten Leistung der “Bleus” sehr blaß geworden.

Am Morgen nach dem Spiel kann man spekulieren ob es noch viel Arbeit zu tun gibt, oder ob gestern bereits alles Potential der französischen Mannschaft abgerufen wurde […] Von Seiten der französischen Mannschaft war ein derart limitiertes Spiel vielleicht in dem derzeitigen Stadium der Vorbereitung erwartet worden. Die schwache Qualität des mexikanischen Spiels muß aber überraschen, sind diese doch in ihrer Vorbereitung schon sehr viel weiter. Das trug dazu bei, das weite Teile des gestrigen Spieles in Langeweile ertränkt worden sind […]

Dieses Frankreich – Mexiko war ein wenig spektakuläres Match, ein Spiel zum Vergessen, ohne Rythmus. In dem Kontext der WM-Vorbereitung muss die Partie aber anders interpretiert werden […]

Beurteilt kann die Athletik, die Spielorganisation und der Mannschaftsgeist. Die Physis war schwach. Die jünsten Spieler (Malouda, Abidal, Diarra, Cissé) hinterließen den besten Eindruck. Bei den anderen Spielern muss eine Steigerung in den beiden noch ausstehenden Vorbereitungsspielen erfolgen.

Die schwache Physis hatte ihre Auswirkungen auf die taktische Organisation. Das 4-4-2 machte in der ersten Halbzeit keinen Sinn, das zentrale Mittelfeld sah verloren aus. Die zweite Halbzeit entzog sich mit sechs Auswechslungen eh jeder Bewertung […]

Der Abschied von Zidane war mehr von Emotionen als von exzellenten Spielaktionen geprägt […] Im besten Fall war Zidane körperlich noch vom Trainingslager zu erschöft um den (langsamen) Spielrythmus mitgehen zu können. Er versuchte in den ersten Minuten das Spiel an sich zu reißen, verlor den Faden, konnte per Dribblings keine Mexikaner an sich binden und verlor abschließend viele Zweikämpfe und hatte viele Ballverluste […]

Frankreichs kauziger Nationaltrainer Raymond Domenech war nach dem Spiel im Interview extrem gereizt, pisste die Reporter an, zeigte kein Verständnis für die Pfiffe des zahlenden Publikums im Stade de France, fuhr explizit auch die Stadionzuschauer an, als er ihnen unterstellte als PSG-Fans Barthez und Dhorasoo besonders auf dem Kieker gehabt zu habe. Kostprobe:

L’Équipe: Gab es Dinge im Spiel mit denen Sie unzufrieden gewesen sein?

Domenech: Mit den nächsten Spielen rücken wir der WM näher und wir erwarten uns eine bessere Form. Das ist logisch. Es wird von Mal zu Mal besser. Ja, ich habe einiges Gutes gesehen.

L’Équipe: Wir haben sie nach Dingen gefragt, mit denen Sie unzufrieden sind…

Domenech: Ich bin ein wenig taub. Ich habe viel Gutes gesehen.

Taktisches

Frankreich spielt sein Jahren zwei Systeme: das 4-4-2 mit Raute, beziehungsweise 4-5-1.

In der Abwehr galt das Hauptaugenmerk auf die Innenverteidigung die gegen Slownien und Deutschland schwach aussah. Thuram und Boumsong haben zuletzt im Verein ihren Stammplatz verloren und Gallas spielt häufiger Außenverteidiger. Domenech testete zwei Duos: Thuram/Gallas begannen und Boumsong/Abidal kamen in der zweiten Halbzeit (Silvestre wurde eingewechselt, Abidal rückte von linksaußen in die Innenverteidigung). Beide wurden aber nicht sonderlich von den Mexikanern ausgetestet.

Außen ließ Domenech mit Sagnol (rechts) und Abidal bzw. Silvestre spielen. Beide sorgten für Druck, Sagnols Aktionen wirkten aber wenig ins Mannschaftsspiel eingebunden, nicht zuletzt weil er keinen Partner im Mittelfeld hat (oder sucht?).

Im Mittelfeld drei Spieler: Makelele zentral & defensiv, halbrechts Viera defensiv und weit links etwas offensiver Malouda. Vor den Dreien spielt als Zauberer Zidane, der völlige “Narrenfreiheit” genießt. Nach Ansicht von L’Équipe war aber seine körperliche Verfassung besorgniserregend.

Mein Eindruck bleibt: mit Zidane ist das französische Offensivspiel berechenbarer und langsamer geworden, weil sich zu wenige trauen, Spielzüge zu gestalten ohne über die Option Zidane zu gehen. Das Tempo im Aufbau verreckt dank zuvieler Querpässe. Am ehesten ist das gestern noch auf der linken Achsen mit Abidal-Malouda geglückt, das aber keinen richtigen Abnehmer fand, weil Trezeguet sich nur als Strafraumstürmer verstand und der schnelle Cissé meistens rechts agierte.

Den Mexikaner wird ein klassisches 3-5-2 nachgesagt. Da ist eine Simplifizierung der Abwehr die gestern zu sehen war. Zu nennen wären vier Namen (v.l.n.r): #4 Marquez – #3 Salcido – #2 Suarez – #5 Osorio. In der Regel werden nur drei der Jungs auf einer Linie zu sehen sein. Rechts ist es #5 Osario der je nach Spielsituation rechten Außenverteidiger oder Mittelfeld spielt. Links wechseln sich #3 Salcido und #4 Marquez mit Vorstößen bis tief in die gegnerische Hälfte ab, meistens im Tandem mit #14 Pineda.

Die Mexikaner hatten sich sehr weit zurückgezogen, warteten kompakt in ihrer Hälfte auf den Gegner. Schnelle Vorstöße in Form von Kurzpaßspiel gab es am ehesten über der linken Seite, selten über rechts und gar nicht in der Mitte, obwohl die Mexikaner brav nachrückten. Die Stürmer waren kaum zu sehen, verhungerten und mit der Zeit ließ sich Franco immer tiefer fallen, fand aber keine Bindung. Vom anderen Stürmer Borghetti war noch weniger zu sehen.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Danke für den informativen Bericht.
    Zu Zidane und seinem Abschied aus französischen Fußballstadien: Zidane spielt auch noch gegen Dänemark (31. Mai in Lens) und gegen China (7. Juni in St. Etienne) vor französischem Publikum.

  3. Das Spiel war doch schon gestern, und erst heute ein Kommentar dazu? Schwach! Ein bisschen mehr Aktualität könnte nicht schaden

  4. Das Spiel lief aber abends. Man muss ja nicht in die Nacht hineinschreiben. Außerdem werden ja kaumFakten genannt, die sofort aus dem Spiel erkennbar waren, sondern Entwicklungen. Das braucht auch Zeit diese festzuhalten. Gute Recherche vor Aktualität/Schnelligkeit !!!

  5. Habe das Spiel leider nicht gesehen, nur den Anfang. Da sagte der Kommentator doch tatsächlich, daß die Mexikaner schon seit 5 Wochen zusamme trainieren. Der Verband konnte alle Teams dazu bringen die Nationalspieler vor Ende der Saison abzuziehen. Da kann man mal von nationalem Belang sprechen. Dafür scheinen sie aber nicht sehr weit gewesen zu sein, was?

  6. “Das Spiel war doch schon gestern, und erst heute ein Kommentar dazu? Schwach! Ein bisschen mehr Aktualität könnte nicht schaden”

    Hoffentlich liest du nie Zeitung, die haben nämlich auch nur so altes Zeugs vom Vortag drin.

  7. Man kann über Zizu sagen was man möchte, jedoch lies der gestrigen sehr blasse Auftritt einer solchen Sportikone an alter wirkungsstädte nichts anderes als nostalgische Gefühle aufkommen adieu la France