Der Mahr-Hansi war bei PREMIERE

Tsts, kaum bleibe ich vierzehn Stunden ohne Internet und Laptop, schon muss einer der Protagonisten der Medien- und Sportszene seinen Hut nehmen.

Wie TS Garp in den Kommentaren bereits schrieb, ist Hans Mahr, Vorstand Sport von PREMIERE (“Chief Sports & New Business Officer“), nach nur fünf Monaten gefeuert worden.

Angeblich, so schreibt es die SZ, war Hans Mahr einst im Mai (Arbeitsbeginn: September) angeheuert worden, weil Kofler und PREMIERE im Zuge der Verhandlungen auf Mahrs guten Kontakte zu Vereinen und Verbände setzte. Wie wir inzwischen alle wissen: Pustekuchen.

Rasenmahr

In diesem Zusammenhang ist es interessant noch einmal zu lesen, was so im letzten Mai geschrieben worden ist. PREMIERE umriß Mahrs Job damals so:

Bei Premiere verantwortet Mahr künftig das Sportprogramm und den Sportrechteeinkauf. In diesem Zusammenhang wird Mahr auch Geschäftsführer der kürzlich gegründeten Premiere Tochter Primus Sport, einer Agentur für Sportrechte und Sportmarketing. Darüber hinaus wird er die Entwicklung neuer Angebote im Internet und Mobilfunk vorantreiben. Ebenfalls im Vorstandsbereich von Hans Mahr angesiedelt wird die Werbevermarktung.

Klopfen wir als Mahrs Tätigkeiten ab.

Mahr sollte sich also offiziell um Sportrechte und Neue Medien kümmern. Die SZ nennt als Grund für Mahrs Verflichtung, seine angeblichen Kontakte zur Bundesliga. Wenn dem so sein sollte, dann wäre es eine überraschende Erkenntnis, denn die Kontakte des einstigen RTL-Großwesirs mit der Bundesliga waren nicht ganz körperlos.

Die Rhetorik die sich Mahr und die Bundesliga nach dem Champions League-Deal bereits im September, Mahrs erster Monat bei PREMIERE, an den Kopf geworfen hatten, ließ nichts Gutes ahnen. Rummenigge: “Herr Mahr sollte sich nicht als Mäzen der Bundesliga aufspielen [… Mahr soll nicht so tun] als ob die Bundesliga eine gemähte Wiese ist.“.

Nicht das erste mal das Mahr und die Bayern aneinanderkachelten. Im Herbst 2003, nach dem angekündigten Ausstieg von RTL aus der CL, duellierten sich Mahr und Hoeneß per Interview. Hoeneß damals: “[RTL muss] irgendwann auf den Knien kommen und sagen, sie möchten wieder Fußball haben. Die haben den Fußball jahrelang in den Dreck gezogen, das nervt mich.“. Mahr konterte: “Offensichtlich waren die Temperaturen in seinem Urlaub etwas hoch und die hat Herr Hoeneß nicht verkraftet […] Die Frage ist, ob sich Bayern so einen Manager leisten kann” (RP Online)

Habenseite: nahezu null

In Sachen Neue Medien ist bislang keine Wirkung von Mahrs Treiben zu sehen. Mahrs Erfolgsbilanz in Sachen Sportrechte stellt sich so dar:

  • (evtl: Champions League-Vertrag geholt. Deal ging Ende August über die Bühne, Mahr begann September bei PREMIERE, sein Wechsel war aber seit Mitte Mai bekannt. Mitwirkung am Deal unbekannt)
  • Rechte für Turin 2006 angeboten bekommen (auch HD-Rechte), aber wg. Preis abgelehnt
  • NFL-Rechte (inkl. HD-Rechte) verloren, mussten mit einigen Wochen Verspätung sublizensiert werden
  • Super Bowl entgegen Ankündigungen im Herbst auch nicht im Sublizensierungsvertrag enthalten
  • NHL-Rechte verloren (inkl. HD-Rechte), derzeitiger Vertrag beruht auf eine Übergangsregelung mit NASN
  • Bundesliga-Rechte verloren
  • kostengünstig Volleyball-Champions League geholt

Irgendwas vergessen?

Die Interviewfreude von Mahr war gegenüber österreichischen Medien ungleich größer als bei deutschen Zeitungen. Mahr hat dort auch gerade im Kampf gegen den ORF immer wieder durchblicken lassen, dass auch der Wintersport für PREMIERE eine interessante Materie wäre. Getan hat sich in diesem Bereich aber nichts, auch nicht als die Pay-TV-Rechte für Turin 2006 PREMIERE angeboten wurden.

Für mich sieht es nicht so aus, als hätte Hans Mahr irgendwelche großartigen Impulse in Sachen Sportrechte geliefert. Ein potentiell großes Gebiet wäre die Verwertung von Sportrechten parallel auf einem eigenen Free-TV-Sender gewesen. Das ist ein Modell gewesen, über das viel spekuliert wurde, nachdem im letzten Herbst bekannt wurde, dass PREMIERE die Champions League-Rechte auch für Free-TV mitgekauft hat. Für Außenstehende ist aber in Sachen Free-TV und Champions League bis dato nichts gelaufen und es sind nur noch zirka zwei Monate bis zur UEFA-Deadline. Sollte PREMIERE bis dahin keine Option anbieten, gehen die Free-TV-Rechte (aber nicht das “first choice”) flöten. Und die einstigen Pläne mit der Sportrechte-Tochter Primus-Sport als Schwergewicht aufzutreten, wären ebenfalls perdu.

Nach den fehlgeschlagenen NFL-Verhandlungen kursierten in Foren aus journalistischen Kreisen die Infos, dass damals Kofler die Verhandlungen kurzfristig zur Chefsache machte und persönlich mehrmals zu Besuchen der europäischen NFL-Zentrale nach London geflogen ist. Ohne Erfolg.

Auch anläßlich der Bundesliga-Verhandlungen hörte man im Dezember, dass Kofler die Verhandlungen an sich gerissen hatte. Ohne Erfolg.

Von außen wird man kaum beurteilen können, welche Böcke zu Lasten von Kofler und welche zu Lasten von Mahr gehen. Gerade in Sachen NFL hatte man den Eindruck, das PREMIERE in den Vorjahren in London verbrannte Erde hinterlassen hatte. Unterm Strich bleibt die fatale Fehleinschätzung von PREMIERE, trotz zahlreicher Warnungen, dass die Rechte nur an PREMIERE gehen konnten.

Die Entlassung von Mahr ist das Eingeständnis von PREMIERE dass in Sachen Sport bei weitem nicht alles so gelaufen ist, wie vorgestellt und ist damit ein sehr viel ehrlicherer Ausdruck der wirklichen Situation, als der zur Schau gestellte Optimismus (“Wer sagt eigentlich, dass Premiere keinen Fußball mehr zeigt? Wenn es um König Fußball geht, spielt Premiere weiterhin in der ersten Liga.“). Zum ersten Mal ahnt man, was für einen GAU der Verlust der Bundesliga-Rechte darstellt.

Nachfolger von Hans Mahr wird Carsten Schmidt sein. Carsten Schmidt war bislang PREMIERE Sportchef, also eine Art Chefredakteur für den Sportbereich. Schmidt übernimmt damit also zusätzlich die Aktivitäten im Bereich Sport-TV-Rechte.

Die zwei drängensten Baustellen sind die Free-TV-Option für die CL und eine “Bundesliga-Alternative”, z.B. in Form eines eigenen Motorsport-Senders.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp