Zeilensport: Manolo, Hoeneß und warme Ohren für die Stiftung Warentest
Ich ärgere mich massiv über die Website der Süddeutschen. Irgendwie bekomme ich es nicht mehr gebacken, die online zugänglichen Sportartikel des Tages abzurufen. Ich habe keine Stelle gefunden auf denen sie gelistet sind und bin überrascht was Indirekter-Freistoss.de wieder gefunden hat.
Der traurigste Artikel des Tages stammt eben aus jener SZ. Christoph Hickmann hat Manolo, den einstigen Trommler von Borussia Mönchengladbach besucht: “Der Mann, der Manolo war“. Manolo – sein richtiger Name ist Ethem Özenrenler – gezeichnet von seiner Zuckerkrankheit, ist inzwischen ein Pflegefall.
Ethem Özenrenler lebt seit dem vergangenen Mai im Heim, Tochter und Sohn kämen kaum zu Besuch, sagt man dort. Im Juli schrieb seine Betreuerin an das Gladbacher Fanprojekt: Manolo würde sich über Besuch freuen, auch über Zigaretten, knapp 90 Euro Taschengeld blieben im Monat.
Beim Fanprojekt stellten sie das Schreiben ins Internet. “Dann kamen wirklich ein paar Pakete”, sagt Ursula Willems, die den Pflegedienst im Heim leitet. “Es hat ihn auch mal jemand mit ins Stadion genommen. Aber seit wir im November in unser neues Gebäude gezogen sind, ist nichts mehr gekommen.” […]
Am Bökelberg aber kannte niemand Ethem Özenrenler. Sie kannten Manolo, den Trommler, und wussten so gut wie nichts über den Mann, der 1968 aus der Türkei gekommen war, all die Jahre nicht richtig Deutsch gelernt hat, in einer Spinnerei arbeitete und für die Samstage lebte, an denen er zu Manolo wurde. Ethem Özenrenler hat den Bökelberg nie betreten […]
Der zieht jetzt an seiner Zigarette und hebt den anderen Arm in die Luft. Er wackelt damit, er reißt die Augen auf. Er sieht aus, wie er aussah, wenn er die Trommel schlug. Ein bisschen wenigstens. Er sagt etwas, das klingt wie: “Kann nicht mehr.”
Ursula Willems sagt, er habe nur Borussia-Farben getragen, als er im Mai einzog, Trikots, Trainingsjacken, Hosen. “Jetzt macht er das nicht mehr. Er schaut nicht mal mehr Fußball im Fernsehen.” Aber vielleicht hat sich Ethem Özenrenler ja nie wirklich für Fußball interessiert. Man weiß das nicht. Man kennt ja nur Manolo.
(siehe auch Thread im Forum von torfabrik.de)
Woran erkennt man eine Winterpause? Dass die Bayern zur Audienz laden und Zeit für lange Interviews finden. Z.B. Uli Hoeneß in der SZ: “Ein FC Bayern lässt sich nicht permanent vorführen“. Das Interview liest sich ganz interessant, wenn Hoeneß den FC Bayern im europäischen Fußball positioniert und vom Umgang mit Juve, Chelsea und Co. spricht, über den “Fall Sagnoll” redet oder über interne Zwistigkeiten plaudert:
SZ: Juventus hat auf die Klagen aus München angemerkt: Was können wir dafür, wenn die Bayern mit zehn offenen Verträgen in die Saison gehen?
Hoeneß: Der Vorwurf war teilweise berechtigt. Darüber hatten wir hier auch einen kleinen Dissens. Der eine meinte, die Preise gehen noch ein bisschen runter, der andere meinte, dass das nicht passiert – und die Preise sind nicht runtergegangen. Deswegen hatten wir einen heißen Herbst. Das war eine heiße Kiste, die haben wir noch einigermaßen geregelt – aber das wird uns nicht mehr passieren.
Hmm, wenn ich mir die Wortwahl so angucke, kann ich mir denken welche Einschätzung Hoeneß und welche Rummenigge vertrat :-)
Auch sehr schön die Passage, warum Hoeneß nie daran glaubte, dass der Oliver Kahn nach Japan wechseln würde:
Mir war klar, dass Oliver nicht in Japan spielen kann. Wenn der in Tokio zwei Stunden im Verkehr festsitzt, wird er wahnsinnig. Als wir da im Sommer gespielt haben, wusste ich: Um Kahn müssen wir uns gar keine Sorgen machen. Der Guido Buchwald (Trainer in Tokio) hat uns erzählt, dass er jeden Tag drei Stunden im Auto sitzt.
Hoeneß analysiert auch die Schwachstelle in der Mannschaft: es fehlt an einem Killer, ein Bösewicht, einer der beim Gegner Angst und Schrecken verbreitet.
Auch ein Felix Magath hat der SZ ein Interview gegeben, dass allerdings mit Nachrichtenwert geizt. Überraschend fand ich die Aussage, dass er am ehesten in Sagnol einen Nachfolger von Ballack bzgl. der Führungspersönlichkeit sieht. Da hätte ich eher die Nennung von Demichelis erwartet, der in dieser Saison einen sehr guten Sprung gemacht hat, während ich Sagnols Spielweise immer etwas Larifari finde.
Richtig was auf die Nuß gibt es für die Stiftung Warentest. Die FAZ fasst einige der negativen Stimmen zusammen. Und das SZ-Interview mit Bernd Rauch, Architekt und Geschäftsführer beim Bau der Allianz-Arena kommt einer Hinrichtung gleich.
Rauch: Die Stiftung hat zweifellos große Verdienste bei der Beurteilung von Produkten – aber ich sagen Ihnen auch: Ich bin jetzt 30 Jahre in diesem Geschäft, und ich weiß wirklich, wie schwierig es ist, Sicherheit in den Stadien zu organisieren. Es gibt ja nicht nur Brandschutz, sondern es geht auch um Brüstungshöhen und Fluchträume […]
Rauch: Wenn ich bei so einem hoch komplexen Thema höre, dass ein Tester vier Stunden durchs Stadion marschiert, um anschließend im Schnellschuss-Verfahren an die Öffentlichkeit zu gehen, dann empfinde ich das als abenteuerlich. Ich weiß ja aus meiner Zeit in der Münchner Arena, dass wir mit den Fachdienststellen die kompliziertesten Dinge abgestimmt haben. Das waren Planungsvorgänge, die zum Teil zwei Jahre gedauert haben. Wenn dann mal eben irgendein Prüfer, dessen Qualifikation ich nicht einmal kenne, nach vier Stunden Begehung ein Urteil abgibt, dann fehlt mir dafür das Verständnis. Ich würde mir ein endgültiges Urteil nach vier Stunden nicht zutrauen. […]
Wenn Mängel vorliegen, dann muss man sie ansprechen – aber doch bitte nicht so selbstdarstellerisch […]
SZ: Einer der Kritikpunkte war, dass in manchen Stadien im Falle einer Panik die Flucht in den Innenraum nicht gewährleistet ist. Ist diese Aussage nicht sehr konkret und fachkundig?
Rauch: Sehen Sie, das ist genau eines dieser Beispiele, die ich meine. Diese Flucht auf das Spielfeld wird in manchen Stadien ganz bewusst nicht angestrebt. Die internationalen Verbände wie Fifa oder Uefa wollen diese so genannte Entfluchtung nach innen im Übrigen auch gar nicht. Es gibt da längst andere Modelle. Verschiedene Stadien haben eben verschiedene Ansätze, man kann da nicht einfach hergehen und irgendein Kriterium überprüfen.
Reaktionen
Danke für den Hinweis auf das Rauch-Interview. Im Moment habe ich aber den Eindruck, dass das Renomee der Stiftung reicht, um diese offenkundig nicht ganz fundierte/schlampige Studie als kompetente Beurteilung erscheinen zu lassen.
Wo jetzt in der Diskussion um diese Studie immer wieder der Punkt “Flucht in den Innenraum” kommt mir der Gedanke, das die Suche nach einer allgemeingültigen Lösung hier wohl der nach der Quadratur des Kreises gleicht. Hier treffen halt zwei Philosophien aufeinander – Flucht nach aussen oder Flucht nach innen. Bei einem Tribünenbrand wie 1985 in Bradford UK wäre die Flucht aufs Spielfeld eine Option. Bei einer Katastrophe wie der im Brüsseler Heysel Stadion, bei der ich immer noch als erstes die Bilder des mit einer Pistole in die Menge feuernden Wahnsinnigen vor Augen habe, würde ich hingegen alles tun, nur nicht in die Mitte auf den Rasen rennen.