T+3: die härteren Bandagen von PREMIERE

Nach außen hin versucht PREMIEREs Georg Kofler die Schlappe in Sachen Bundesliga-Rechte gelassen hinzunehmen. Nur ab und zu blitzt zwischen der Fassade immer wieder auf, dass der Mann ziemlich angefressen ist, wenn er etwas ARENA als “Regionalligisten” bezeichnet. Auch das Interview am Donnerstag mit der Telebörse auf n-tv führte er mit starrem Gesicht und keinem Ausblick auf einen “Plan B”. Und es kam die erste Drohung: wer an PREMIERE-Kunden ran will, kommt an PREMIERE nicht vorbei.

In einem Interview mit der FAZ wiederholt Kofler die Drohung:

FAZ: Die Kunden sind vielleicht schnell weg. Unity sagt, ein Anruf genügt, und der Premiere-Decoder ist auf den neuen Bezahlfernsehanbieter umgepolt.

Kofler: Solche Behauptungen zeugen von mangelndem Detailwissen. Im Kabelnetz von Unity gibt es zur Zeit fast nur Premiere-Decoder. Und auf den Großteil davon kommen andere Pay-Angebote ohne unsere aktive Mitwirkung nicht dazu. Im Satellitenbereich müssen andere Pay-Anbieter eine monatliche Gebühr an uns zahlen, wenn sie unsere Decoder-Infrastruktur mitnutzen will. Für Bundesliga-Pay-Angebote ist Premiere sogar mit 5 Prozent an deren Abo-Umsätzen beteiligen. Das ist alles vertraglich langfristig geregelt. Gegen uns geht da wenig.

Ich verstehe die Drohung von Kofler nicht. Ich habe keine Ahnung wieviele Decoder/dBoxen noch “Mietboxen” sind und sich damit im Besitz von PREMIERE befinden (PREMIERE pusht seit 2-3 Jahren eher Kaufboxen als Mietboxen). Wie kann Kofler verhindern, dass auf der SmartCard andere Pay-TV-Betreiber aufgeschaltet werden? Gibt es irgendwelche Lizensierungsabkommen bzgl BetaCrypt und Nagravision?

In dem FAZ-Interview vermochte Kofler keine optimistischen Perspektiven für PREMIERE zu zeichnen. Zu den verloren gegangenen Bundesliga-Rechten konnte/wollte er noch keine Alternativen benennen (“Im ersten Halbjahr ändert sich nichts Gravierendes, und danach sehen wir, wie wir uns mit dem neuen Produkt aufstellen.“) und die angestrebte Abonnenten-Zahl für Ende 2006 hat er von 4 Millionen auf 3,5 Mio – dem aktuellen Niveau – reduziert. Durch die Reduzierung der angestrebten Abo-Zahlen räumt er indirekt einen Verlust von zirka 500.000 Abonnenten ein, also knapp 1/6 des aktuellen Kundenstamms.

Zwar hält Kofler die Tür für Sublizensierungen sperrangelweit offen, zeigt aber neben Zuckerbrot auch Peitsche. Unverhohlen bringt er die Telekom als möglichen Kooperationspartner ins Spiel. Die Telekom braucht einen Dienstleister mit Sendelizenz um die Internetrechte nutzen zu können. Und PREMIERE braucht einen Dienstleister um die Champions League, wie von der UEFA gefordert, ins Internet zu bringen. Gegenüber der SZ winkt er mit dem Zaunpfahl bezüglich Gespräche um Über-Kreuz-Beteiligungen und Kooperationen.

Die zweite Front wird mit Rechtsanwälten aufgebaut: der Unity Media droht er mit Gerichten und Kartellamt. Die Schwachstelle von Unity Media/ARENA – möglicher Zusammenschluß der drei größten Kabelnetze Deutschlands, rechtliche Problematik Plattformbetreiber vs. Programmveranstalter – ist ja hinreichend sichtbar gewesen.

Kofler: Wir haben ja schon beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde dagegen eingelegt, daß das Kartellamt den Zusammenschluß der beiden Kabelbetreiber Ish und Iesy zu Unity genehmigt hat. Und die jüngste Entwicklung gibt uns mit unseren Befürchtungen recht. Anders als vom Kartellamt angenommen, macht der mit Unity nun entstandene zweite große Kabelbetreiber dem Marktführer Kabel Deutschland nicht mehr Konkurrenz. Im Gegenteil: Beide wollen bei der Bundesliga-Vermarktung zusammenarbeiten. Zum Netzmonopol kommt damit noch ein gewisses Monopol auf die Inhalte hinzu. Das ist eine evidenter Wettbewerbsnachteil für ein pures Fernsehhaus wie Premiere.

Wie brisant diese Konstellation bei den Kabelnetzbetreibern ist, zeigt ein Artikel vom SZ-Medienredakteur Klaus Ott, der berichtet wie in den letzten Jahren das Kartellamt einschritt, als Kabel Deutschland PREMIERE zwingen wollte, die Vermarktung von PREMIERE, und damit einen Großteil der Erlöse, an die KDG abzugeben.

Die KDG hat andere Pläne, die das Kartellamt im vergangenen Jahr akribisch ermittelte und beschrieb. Der Kabel-Gigant wolle künftig die Premiere-Programme nur noch dann über seine Netze verbreiten, wenn Kofler einem „Wholesale-Geschäftsmodell“ zustimme, bei dem ausschließlich die KDG die TV-Kanäle bei den Zuschauern vermarkte.

Der Abosender solle also seine „Kundenbeziehungen“ an die KDG abgeben, Premiere wäre nur noch ein Programm-Lieferant für die Kabelbetreiber. Der Wettbewerb um die Abonnenten entfiele, kritisierten die Kartellwächter.

Auch sei „höchst fraglich“, ob Premiere es wirtschaftlich verkraften könne, einen Großteil der Aboerlöse an die KDG abzutreten. Die Bonner Behörde verbot aus vielerlei Gründen das Vorhaben von Kabel Deutschland, andere große Netzbetreiber zu übernehmen.

Das macht deutlich, dass die juristische Keule von PREMIERE nicht ohne ist. Und dann bin ich auf Plan B von ARENA und DFL gespannt.

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Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Die Sache wird immer spannender. Vor allem dreist, wie Kofler sein Premiere ach so unfair im Nachteil sieht, weil die Kabelanbieter nun wohl auch die Bundesliga anbieten. Premiere ist doch DER Monopol-Abzocker schlechthin. Oder wieviel Konkurrenz gab’s bis vor kurzem im Pay-TV?? Und “mehr Exklusivität” bei der Bundesliga könnte man doch (annäherungsweise) mit “Premiere Bundesliga-Monopol” übersetzen.
    Die Decoder-Geschichte finde ich auch ziemlich spannend – auch wenn mir die Sachlage nicht so wirklich klar ist. Ich als Kabel Deutschland-Kunde brauchte tatsächlich nur einen Anruf zu tätigen, die SmartCard wurde freigeschaltet und kann auch nach Ablauf des Premiere-Abos für Kabel Digital weiterverwendet werden. Kassiert da auch Premiere im Hintergrund ab (für gekaufte Decoder – und kann mir auch nicht vorstellen, dass Leihdecoder noch eine große Rolle spielen)? Oder ist die Sachlage bei Kabel Deutschland einfach eine andere als bei ish und iesy??

  3. erstklassige berichterstattung und knackige kommentare,
    was ist eigenlich mit radio-berichten, ich höre zu gerne die
    bundesligakonferenz, danach weiß ich ob ich sportschau gucke oder nicht.

    frohes weihnachtsfest allerseits

  4. Koflers Kritik entbehrt nicht einer gewissen Ironie, ist aber berechtigt. Exklusivrechte lassen sich in gewisser Weise immer mit “Monopol” übersetzen, das liegt in der Natur der Sache. Dass die Sportschau ein paar Stunden später gekommen wäre, ist da nicht so entscheidend. Und von Wirtschaftsunternehmen zu erwarten, eine sich anbietende Monopolsituation nicht auszunutzen, ist eh müßig.

    Aber wenn Netz und Inhalt nicht getrennt werden, sind reine Inhaltsanbieter nicht mehr konkurrenzfähig. Das könnte auf die Dauer zu vertikalen Monopolen führen, die ich für viel gefährlicher halte als Premieres (ohnehin bald abgelaufene) Alleinstellung beim Pay-TV, die ja auch mit der Tatsache zusammenhing, dass damit in D nie viel Geld zu verdienen war.
    Und das wird noch gravierender, wenn irgendwann (Triple Play) alles aus einer Hand kommt. Da ist mir die Zwickmühle lieber, für Premiere hohe Abogebühren zu bezahlen oder keinen Fußball zu sehen, als ein großer Bruder Telekom (zum Beispiel), über den ich meine Telefongespräche abwickeln muss, um an Bundesligabilder zu kommen.

    (Dass Kofler es mit seiner Verhandlungsstrategie selber verkackt hat, ist dann noch eine andere Sache.)

  5. Und ich denke dass es das Kartellamt ähnlich sehen könnte, deswegen frage ich mich von Tag zu Tag immer stärker, an wen ARENA sein Paket verkaufen will. Sobald sie ihre Rechte nur an einen Partner verkaufen, der wohlmöglich auch noch von ARENA-Gesellschafter kontrolliert wird, wird es ein Fall für das Kartellamt und möglicherweise der komplette DFL-Deal mit der ARENA durchfallen.

    Ich denke bis März dieses Jahres wird sich die derzeitige Schlachtordnung noch einmal komplett verändern. Was im Umkehrschluß heißt, dass es möglicherweise noch zu früh ist, um sein PREMIERE-Abo zu kündigen.

  6. Was mich dabei wundern würde, wäre dann die Kurzsichtigkeit der DFL. Immer deutlicher wird, wie wenig weitsichtig da gearbeitet wird. Umso schwachsinniger erscheinen mir die Kommentare der Liga, man hätte an den einfachen Fan gedacht (denn eigentlich wären ja einige wichtige Einnahmen weggefallen, da sich die Werbekunden aufgrund der wenigen Fernseh-Zuschauer zurückgezogen hätten). Irgendwo befürchte ich, hat da keiner irgendwo weiter gedacht. Es war nur ein billiger und schlecht geführter Machtkampf zwischen selbstverliebten und selbsternannten Top-Managern. Aber noch heisst es wirklich abwarten. Denn wäre sich Premiere so sicher mit der Klage, dann würden sie wohl nach nicht diesen schizophrenen Schlingerkurs fahren. Auf der anderen Seite spreche ich Koffler so einiges ab, nur nicht seine Arroganz.

  7. An die Hypothese “Philips und Humax haben etwas gewusst und daher ihre HDTV-Decoder zurückgehalten” glaub ich nicht.

    Bundesliga in HD-TV mag nett sein, ist aber keine “Killerapplikation”. Weder qualitativ noch quantitativ. Bei einer einzigen HDTV-Bundesliga-Übertragung pro Woche wird kein Kohl fett. Wenn PREMIERE wirklich HDTV-Sportmaterial bräuchte, hätten sie bei den Olympischen Winterspielen zugegriffen. Die Rechte wurden von ARD/ZDF angeboten, PREMIERE hat abgelehnt.

    Nach meinem Verständnis fiel die Entscheidung für das spezielle Übertragungsnorm DVB-S2 so spät, dass die Hersteller nicht schnell und billig genug liefern konnten. Die c’t hat vor einigen Wochen ausführlich über die (technischen) Schwierigkeiten der Hersteller gesprochen.