Trapattonis Countdown läuft: Rennes – Stuttgart
Zugegeben: die niederen Instinkte lassen grüßen, aber nach Beobachtung des wochenlangen Siechtums des VfB Stuttgarts und Giovane Trapattoni scheinen spätestens nach dem glücklichen Unentschieden gegen Gladbach die handelsüblichen Mechanismen zur baldigen Entlassung zu greifen.
Wie es so schön heißt: wenn ein Präsident sich hinter seinem Trainer stellt, dann steht der Rausschmiß meist bevor.
Nachdem nun selbst Trap-Förderer Präsident Erwin Staudt inzwischen wöchentlich Krisenmeetings anberaumt, Appelle Marke “flammend” an die Spieler richtet und jene Spieler in Interviews sich nicht wirklich für ihren Trainer in die Bresche werfen (Hallo, Herr Hildebrand: “Die Aufstellung macht der Trainer.“), haben sich nun alle Beteiligten in Bewegung gesetzt um sich soweit voneinander zu distanzieren, dass man möglichst unbefleckt aus der Geschichte rauskommt..
Trapattoni: “Ich trete erst zurück wenn die Mannschaft nicht mehr glaubt, was ich sage” – Check.
Trapattoni: “Ich bin sicher, dass die Spieler eine Reaktion zeigen” – Check
Staudt: “Ich akzeptiere keine ungelösten Probleme. Wir müssen intern über alles reden” – Check.
Staudt: “Wir wollen einen selbstbewussten VfB sehen, der seine Chance sucht und nicht nur auf Fehler wartet.”
Sportdirektor Herbert Briem: “Wir brauchen einen Befreiungsschlag.” – Check.
Also: die Maßstäbe sind gesetzt und eine schwache Leistung in Rennes plus Niederlage, dürfte gleich fünf weiter Pflöcke gen Trainerwechsel in den Boden rammen.
Das Putzige am Fall Trapattoni ist nun wirklich die scheinbare Vorhersagbarkeit gewesen, mit der man schon Mitte Juni das vorzeitige Ende erahnen konnte.
Nicht so sehr die vermeidliche Jugendfeindlichkeit die ich Trap damals fälschlicherweise attestierte, aber es sind die gleichen Probleme wie bei seinem ersten Auftritt bei den Bayern: “Kommunikationsprobleme” mit dem radebrechenden italienischen Trainer, die merkwürdigerweise auch nicht von der Rhetorik-Granate Andy Brehme behoben werden können, und das gnadenlose Durchrotieren der Mannschaft.
Man fragt sich wie Trap mit diesen Methoden in Portugal Meister werden konnte. Das man anfangs die Mannschaft zum Austesten vielleicht öfters durcheinanderschüttelt, schön und gut. Aber dass man Spieltag um Spieltag die Startformation auf minimum 3 Positionen verändert? Und da Trap anfangs auch noch bemüht war die alten Hierachien abzureißen (Hildebrands Trainer entlassen, Soldo auf die Bank) gibt es derzeit überhaupt kein Fundament auf das Trap aufbauen kann.
Links: Stuttgarter Zeitung “VfB-Boss Staudt räumt Defizite ein”
Stuttgarter Zeitung “Tragikkomödie um Trapattoni”
FR “Mit dem Latein am Ende?”
Netzeitung “Sieg in Rennes wäre die Wende für Trapattoni”
KICKER: “Wende oder Ende”
KICKER: Analyse
Gegner heute abend ist Stade Rennes aus der Bretagne (18h15, ZDF). Stade Rennes ist diese Saison nicht in der Vorjahresform und bewegt sich, gemessen an den Liga-Ergebnissen, im satten Mittelfeld. Gegen Lyon setzte es zuhause ein 1:3, gegen das ungefähr gleich starke Strasbourg gewann man 1:0. Im UEFAcup haute man immerhin zuhause den spanischen Tabellenzweiten Osasuna 3:1 weg.
Rennes tritt mit einer blutjungen Mannschaft an und wird mit Frei als einzige Sturmspitze starten. An Frei waren übrigens die Stuttgarter im Sommer wochenlang dran. Im Tor wird der unerfahrene 20jährige Simon Pouplin seine Premiere feiern. Die Abwehr besteht aus 1x 19jährigen, 2x 21jährigen und 1x 26jährigen.
Das hört sich nach verhaltenem Spiel von Seiten Rennes an. Stuttgart sind eh die spielerischen Mittel und das Selbstvertrauen abhanden gekommen. Es würde mich überraschen wenn heute irgendeine der beiden Mannschaften den Rasen vor lauter Adrenalin umpflügt.
Reaktionen
Ich könnte jetzt ja wieder eines meiner Lieblingsthemen anreißen und behaupten, dass Bundesligaspieler mit den taktischen Anforderungen ausländischer Trainer überfordert sind (portugiesische Spieler aber nicht), tue ich aber gar nicht.
Ich erwähne stattdessen einfach mal, dass der VfB in den letzten zwei Jahren mit Balakov (Karriereende), vor allem aber mit den Verkäufen von Bordon, Hleb, Kuranyi und dem Weggang von Lahm die wichtigere Hälfte seiner Mannschaft verloren und nicht adäquat ersetzt hat.
Warum sich die Stuttgarten dann wundern, dass sie im Bundesliga-Mittelfeld stehen, verstehe ich nicht. Schließlich habe ich ihnen das schon vor über zwei Monaten gesagt.
So, jetzt genug mit der Klugscheißerei.
Anläßlich von “Was erlaube Struunz” haben mir meine beiden Kollegen Walter und Robert (typische Italiener, merkt man doch schon am Namen) mal erklärt, daß Traps lustiges Radebrechen nicht daher rührt, daß sein Deutsch so schlecht ist. Vielmehr ist sein Italienisch mindestens genauso bescheiden. Trap-Sprüche à la “Flasche leer” seien in Italien Legion. Trotzdem ist und bleibt er für Robert der größte Trainer aller Zeiten, weil er in den 80ern Juve trainiert hat ( an diesem Punkt der Diskussion erinnere ich als HSV-Fan immer an DAS Magath-Tor …)
Ich denke das beim VfB ein Großteil der Abgänge verschmerzbar waren oder durch Trapattoni ausgebügelt wurden. Ohne Trap wären große Namen wie Gronkjaer und Tomasson kaum gekommen. Und die Abwehr hat trotz des Wegganges von Bordon kein personelles Problem, sondern ein taktisches bzw. Formproblem.
Aber, und das war bereits letzte Saison erahnbar, der Weggang von Hleb war nicht zu kompensieren. Früher konnte die schlechte Form von Hleb durch Flügelläufe von Hinkel, Tiffert und Lahm übertüncht werden, plus einige gute Tage von Heldt. Nun ist Lahm weg, Tiffert und Hinkel spielen weit unter ihrer Form: voila, spielerisches Loch in der Mitte, niemand sorgt für Impulse.
Das Spiel gestern wurde zu dem Zeitpunkt unterhaltsam, als Rennes und Stuttgart mit sich verabschiedender Kondition, einfach mal das Mittelfeld Mittelfeld sein liessen und die Bälle nur noch lang vor dem Strafraum gebolzt haben.
@Stephan:
Ich glaube, Walter ist in Italien tatsächlich ziemlich häufig als Vorname. Was ich an Deinen italienischen Kollegen aber schätze, ist dieses “Klar, redet der seltsam, aber er ist trotzdem ein großartiger Trainer.” Soviel Differinzierungsvermögen vermisse ich in der deutschen Berichterstattung über Trapattoni. Da wird er auf den drolligen Onkel mit dem komischen Kauderwelsch reduziert, was ich schade finde.
@Dogfood:
Zum Spiel gestern kann ich nichts sagen, habe es nicht ganz gesehen. Über Hleb und Lahm sind wir uns einig, Hinkel läuft seiner Form hinterher. Tiffert halte ich persönlich für überschätzt. Horst Held könnte ich in meine Liste der Abgänge noch aufnehmen.
Gronkjaer ist noch nicht ganz in der Mannschaft angekommen, dito Tomasson (der aber weiter ist). Beide können, wenn Mannschaft und Trainer genügend Zeit bekommen, den ein oder anderen Weggang kompensieren (vor allem Tomasson Kuranyi).
In der Abwehr fehlt aber ein Bordon. Das ist nicht nur Formschwäche. Uanbhängig von der Frage, ob die neuen Spieler die alten adäquat ersetzen, ist der VfB ein Team im Umbruch und das geht nicht spurlos an der Mannschaft und ihrem Spiel vorbei. Deshalb wird sich der VfB diese Saison auch noch weiter schwer tun.
Ich glaube die Sprache ist ein echtes Problem, zumindest hier in Deutschland und bei einem überwiegend(?) deutschen Kader. Als Trainer haut es dir einfach eine ganze Menge an Mitteln weg, wenn du dich nicht verständlich machen kannst und keinerlei Rhetorik oder Inhalte adäquat an den Mann bringen kannst. Umgekehrt bleibt die Mannschaft eine Black Box für dich, wenn du (deutsche) Feinheiten nicht erkennen kannst.
Das was dieses Problem meines Erachtens wirklich fatal macht, ist Andreas Brehme. Als Co. könnte er der “Mittelsmanns” sein, zwischen Mannschaft und Trainer. Nun ist aber das Standing eines Trainers Andy Brehmes im Profifußball was just obige Kommunikation angeht, selber nicht hervorragend…
Umso wichtiger sind Spieler wie Tomasson und Gronkjaer, die ausländische Ligen gewohnt sind und wissen wie ein fremder Trainer tickt.
Re: Abwehr
Ich glaube nicht das Bordon derart fehlt. Nur schlägt das Rotationsprinzip von Trap wieder zu, weil er zu all seinen Baustellen auch dort wieder eine Baustelle aufmacht. Zwar läßt er wohl die Innenverteidiger Delpierre und Meira nicht so häufig wechseln wie andere Positionen, aber die letzte Saison hat mit Babbel und Stranzl gezeigt, wie lange die brauchten um sich aneinander zu gewöhnen. Nach 10-12 Wochen waren sie dann ein gefeiertes Duo.
Trapattoni hat fein säuberlich wirklich sämtliche Kristallisationspunkte um die eine Mannschaft herumwachsen kann, entfernt. Wirklich alle.
Wenn Trap glaubte dass es notwendig war und es nicht einfach deswegen machte, weil er es immer so macht, dann ist es im übrigen auch eine schallende Ohrfeige für die Personalpolitik in der Post-Magath-Ära.