Das Doping, der Baseball und die Medien

Er ist in den letzten Wochen der bekannteste Zeigefinger in den USA geworden, der linke Zeigefinger des Baseball-Star der Baltimore Orioles Rafael Palmeiro. Im schniecken gestreiften Anzug trat er letzten März vor einem Doping-Ausschuß des US-Kongreß und sprach energisch in die Mikrofone und unter Eid “I have never used steroids. Period” und zeigte dabei mit einer eingeübten Geste mit dem Zeigefinger auf einen imaginären Gegenüber. Starker Auftritt.

Fünf Monate später, am 1ten August, ist Palmeiro des Dopings überführt worden und nach den neuen Doping-Regeln der MLB als Ersttäter für 10 Tage (= zirka 10 Spiele) gesperrt worden.

Die US-Sportwelt staunt wie ein Dopingsünder noch im März einen derart frappierenden Auftritt auf das Parkett des US-Kongreßes legen kann. Das Video von seiner Aussage lief in heavy rotation in den Fernsehanstalten und erhöhte nur noch mehr die Fallhöhe von Palmeiro, der keine 14 Tage vorher gefeierter Held in den USA war, weil er als einer der ganz wenigen, seinen 3.000ten Hit geschafft hat.

Palmeiros nicht ganz so originelle Ausrede “When I testified in front of Congress, I know that I was testifying under oath and I told the truth. Today I am telling the truth again that I did not do this intentionally or knowingly” wurde mit allgemeinem Gelächter aufgenommen.

Seine Aussage, er hätte das Mittel nicht absichtlich genommen, wurde inzwischen ad absurdum geführt, denn es ist durchgesickert das Palmeiro positiv auf das Stereoid Stanozol getestet wurde, was nach Meinung von Experten nicht mal eben so versehentlich eingenommen werden kann. Der Zeitpunkt des Testes ist noch unklar, aber auch hier ist durchgesickert dass es wohl irgendwann im Mai war und Palmeiro zum Zeitpunkt seines 3000ten Hits vom positiven Befund wusste. Die MLB-Spielergewerkschaft ist übrigens völlig ausgetickt, dass die eigentlich geheimen Details der Tests durchgesickert sind.

Nach der BALCO-Affäre, dessen Ausläufer auch die Baseballgrößen wie Barry Bonds erreichten und letztendlich die MLB dazu zwangen zumindest andeutungsweise so etwas wie Anti-Doping-Regeln als Regeln festzuschreiben (davor war es nur eine freiwillige Vereinbarung mit der Spielergewerkschaft) ist es die zweite große Doping-Affäre in den USA.

Die MLB ist wieder in die Defensive geraten. Die neuen Regelungen mit ihren bescheidenen Strafmaßen von 10, 30, 60 und 360 Tagen waren so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner mit denen man auf den Druck der Öffentlichkeit reagierte. Verglichen mit dem Strafmaß z.B. in der Leichtathletik (2 Jahre) ein Witz. Der Fall Palmeiro und die vermutete Verarschung des US-Kongreßes könnte dort die Stimmen laut werden lassen, die von allen US-Profisportarten die Anpassung ihres Strafenkatalogs an den des NOK fordern.

Was darüber hinaus auch verblüfft, sind die großen Augen die die US-amerikanische Öffentlichkeit derzeit in Sachen Doping macht. Man braucht sich nur einen Großteil der US-Sportler anzusehen um drauf zu kommen, dass da nicht nur Karottensaft und Hanteltraining am Werke sind. Mark McGwire hat nicht nur vor Jahren öffentlich die Einnahme von Steroiden eingestanden, damals noch ein nicht strafbares Kavaliersdelikt, sondern einen völlig deformierten Körper gehabt, Stichwort Stiernacken, Schultermuskeln.

Einige Journalisten wundern sich, wieso erst jetzt über das Thema diskutiert wird, wo doch viele Athleten keinen Hehl aus den Präparaten gemacht haben. Allan Wolper macht sich so seine Gedanken in “Editor & Publisher” und zeigt auf die unerquickliche Vermengung in den USA, zwischen Medienkonzernen und Baseballteams. Viele Medienkonzerne besitzen Beteiligungen an Baseballteams. Wolper nennt als Beispiel die New York Times/Boston Globe die 17% an den Red Sox halten, den St.Louis Post Dispatch, der 3% an den St. Louis Cardinals hält, die Chicago Tribune, denen die Cubs sowie der über die Cubs berichtende TV-Sender gehören, der Cincinnatti Inquierer, dem 10.5% an den Reds gehören.

(Diverse Links by Sportsfrog)

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. […] Was mich besonders ärgert ist die Tatsache, dass zwischen den Sportarten mit zweierlei Maß gemessen wird. Wie viele 100m-Sprint Weltrekorde mussten in den letzten Jahren wegen Dopings annulliert werden? Wie viele Sportler wurden bei den letzten Olympischen Sommerspielen wegen Einnahme verbotener Substanzen disqualifiziert? Glaubt irgendjemand, dass Sportarten wie Biathlon, Triathlon, 10.000m Lauf sauber sind? Gott, selbst im Baseball wird gedopt. Aber ich möchte ARD/ ZDF sehen, wie sie die Übertragung der Olympischen Spiele im nächsten Jahr abbricht, weil ein ukrainisches Mannweib positiv getestet wurde. […]