Bundesliga 05/06: im Niemandland

Nachdem gestern die Aufsteiger und der Bundesligabodensatz des Vorjahres dran waren, geht es nun ins tabellarische Niemandsland, das zwar eigentlich letzte Saison schon hinter Platz 1 anfing, aber …

7/ Borussia Dortmund – 55

Ein Schlußspurt der Borussen, die Beruhigung an der Finanzfront und das Konzept von van Marwijk schien gegen Ende der Saison zu greifen und mit einer Aufholjagd hätte man es noch fast bis in den UEFAcup geschafft.

Viel vom Schwung hat man nicht mitnehmen können. Das frühe Aus im UIcup war aber ein übles déja vu der letzten Saison. Van Marwijk muss die Linie vom letzten jahr fortsetzen und mit einem verschlankten und billigeren Team auskommen. Mit Buckley und Degen sind nur zwei namhafte Spieler dazugekommen. Mit Everthon und Evanilson sind zwei aus der ersten Garde gegangen, gefolgt von den “Mitläufern” Demel, Bergdölmo, Madouni und Jensen. Keine Schlüsselspieler aber in der Konsequenz ist der Kader klein geworden und Marwijk wird jeden Abend beten, dass keine schwere Verletzung irgendjemand aus der Startformation kegelt. In der Abwehr tummelt sich hinter Dede, Degen, Metzelder und Wörns nur noch Brzenska mit nennenwerter Erfahrung. Dahinter nur noch 20jähriges Gemüse von den eigenen Amateuren.

Ich mag Marwijk und halte ihn für fähig das was an Qualität fehlt, durch Teamgeist zu kompensieren, zumal er auch letztes Jahr junge Spieler erfolgreich integrieren konnte. Ich glaube aber nicht dass für den UEFAcup reicht. So leicht wie letztes Jahr wird es nicht, ich kann mir nicht vorstellen dass soviele andere Mannschaften sich derartige Blößen geben. Das wird eher eine unauffällige Platzierung à la 8 oder9.

8/ Hamburger SV – 51

Thomas Doll ist so etwas wie die nordische Reinkarnation des Jürgen Klinsmann. Der große Unterschied zur letzten Saison: es ist jetzt “sein” Team und Altlasten wurden, abgesehen von Mahdavikia, recht strikt abgesägt. Am Anfang wurde viel vom spektakulären Transfer des Rafael van der Vaart überdeckt, der eine Lösung für ein eigentlich nicht vorhandenes Problem war, nämlich die des kreativen Mittelfeldspielers. Barbarez, Jarolim, Beinlich anyone? Dabei sollte man nicht vergessen, dass auch neue Alternativen für die beiden Außenverteidiger geholt wurden, mit Atouba und Demel sowie die “alten” Klingbeil und Benjamin.

Während Atouba ein reinrassiger linker Flügelspieler mit Offensivdrang ist, hat man rechts jetzt zwar mehr Auswahl, aber auch nur alles auf dem Niveau von Notlösungen. Immerhin sollte sich ein Rechtsfuß leichter finden lassen, als ein tauglicher Spieler für Links.

Der Transfer von Van der Vaart ist deswegen interessant, weil dieser eine Spieler vorne die gesamte Struktur des HSVs umkrempelt und ein quasi nicht ausgesprochenes Mißtrauensvotum gegenüber Jarolim und Barbarez ist. Van der Vaart hat Barbarez wohl vorläufig verdrängt und der Bosnier muss versuchen sich vorne im Sturm durchzusetzen. Gegen Benny Lauth, Mpenza und Takahara. Der Van der Vaart-Move von Beiersdorfer und Doll ist aggressiv und setzt quasi alle Spieler jenseits der Mittellinie unter Leistungsdruck. Es ist nicht vorherzusagen welche Spieler sich durchsetzen werden und nicht wie Beiersdorfer und Doll die Brandherde die durch beleidigte Leberwürste entstehen, austreten werden.

Bei all dem Geschmuse rund um Thomas Doll, war ich überrascht zu sehen wie interessiert Spieler wie van Buyten und Mpenza Anfragen von anderen Teams sich angehört haben. Das spricht nicht wirklich für großen Teamgeist. Hinzu kommt: auch letztes Jahr war nicht alles rosig unter Doll. In der Rückrunde hat der HSV sich eine Auszeit genommen und machte nicht mehr Punkte als in der desolaten Hinrunde in der man unter Toppmöller in den ersten 8 Spielen nur 6 Punkte holte. Also auch die langfristige Wirkung des Optimismus-Feuerwerkes Doll ist noch fraglich.

Ich glaube aber noch an Doll und schätze dass der HSV auf den Plätze 4-6 landen wird. Der HSV hat für mich derzeit das größte Überraschungspotential der Liga.

9/ VfL Wolfsburg – 48

Ein Name: Thomas Strunz. Eine Prognose: tabellarisches Niemandland.

Das Team hat atmosphärische Störungen und ist trotz der Vereinsfarben sich nicht grün. Leute wie D’Alessandro scheinen nur mit geballter Faust in der Tasche und weil irgendwo kompromittierende Photos herumliegen, in der niedersächsischen Provinz bleiben wollen. Dazu ein Manager der bei den Fans blankweg verhasst ist und schließlich mitten in all dem ein Trainer, dem Mängel in der Außendarstellung und Menschenführung nachgesagt werden.

Das ist zuviel Sprengstoff, zuviel des Konfliktpotentials um nach vorne zu gehen. Die Frage ist nur wer als erster gehen muss: Strunz oder Fach.

10/ Hannover 96 – 45

Die Sache mit dem Konfliktpotential kann man auch für den niedersächsischen Nachbar übernehmen. Ein Ewald Lienen ist jederzeit gut, die Zündschnur zur Selbstzerstörung anzustecken und mit Manager Ilja Kaenzig hat er jemanden an der Seite der für diesen Fall auch noch das Streichholz reicht und Brandbeschleuniger holt.

Quer durch die Experten herrscht aber großer Optimismus bezüglich H96. Das mag damit zusammenhängen, dass die zweitbeste Bundesligaabwehr dort aufspielt und sich die Probleme erst mal nur auf die Offensikve beschränkte, also eine klar umrissene Baustelle war. Mit Hashemian, Brdaric und Rückkehrer Idrissou soll dieses Problem angegangen werden, aber was ist mit demMittelfeld? Wer soll die Vorlagen geben? Es gibt keinen Spieler bei Hannover 96 der in der letzten Saison im Vergleich zum Bundesliga-Schnitt auch nur ansatzweise eine akzeptable Zahl an Torschuß-Vorlagen gebracht hätte. Stendel, Stajner und Lala haben um die 30, in der Bundesliga sind für Schlüsselspieler im Mittelfeld zwischen 60 und 100 die Regel.

Deswegen überzeugen mich die Einkäufe nicht und nehme ich auch noch die Kombination Kaenzig/Lienen, sehe ich Hannover “nur” in den zweistelligen Platzierungen.

11/FSV Mainz 05 – 43

Das letzte Jahr war ein Traumjahr. Alles lief am Schnürchen. Jürgen Klopp ließ nach dem Motto spielen: egal wieviel wir hinten reinkriegen, vorne machen wir noch eine Bude mehr. Mainz Vorteil: sie sind nicht von einem Goalgetter abhängig, sondern auch in der Breite torgefährlich.

Die letzte Saison war recht nett, aber diese Saison muss das eigentliche “Gesellenstück” für Jürgen Klopp werden. Zum einen muß er zeige,n ob er genügend Vielfalt drauf hat, dass seine Methoden nicht wirklungslos verpuffen und der Toppmöller-Effekt auftritt, dessen Motivationstricks nach einem Jahr durchgekaut sind und dann wirkungslos verpuffen (beim HSV noch früher). Zum anderen steht wahrscheinlich der UEFAcup an und damit die Frage wie man seine Kräfte dosiert. Neuland für Klopp und Konsorten. Nennen wir es “blindes Vertrauen in einen Sympathen”, dass ich die Mainzer nicht für einen Abstiegskandidaten halte.

12/1. FC Kaiserslautern – 42

So wie die Auguren Hannover 96 für eine Überraschungsmannschaft in Spe halten, so wird der FCK zum potentiellen Absteiger erklärt.

Zum einen hat man über die Jahre den Eindruck eines langsamen aber steten Ausblutens der Lauterer, inkl. dem Verlust der regionalen Wurzeln. Zum anderen wäre da die Person von Trainer Henke, der so gar nicht zu den rustikalen Pfälzer passen will.

Die Not der Lauterer sollte sich als erstes an den geschossenen Toren ablesen lassen. Die Lauterer sind im Sturm sehr dünn besetzt und letztes Jahr half vor allem Zandi aus dem Mittelfeld mit Toren aus. Mit dem Abgang von Amanatidis ist man vorne noch dünner besetzt. Skela hat sich in Bielefeld nicht als torgefährlicher Mittelfeldspieler erwiesen. Richten soll es Boubacar Sanogo aus der Elfenbeinküste, der bislang wohl nur in den Ver. Arab. Emiraten Profifußball gespielt hat.

Gegen die Abwehr kann man eigentlich der Statistik nach nicht viel gegen sagen: sie hat “standesgemäß” viel bzw. wenig Tore reingelassen. Aber mir würde eine Abwehr mit Hertzsch und Mettomo schlaflose Nächte bereiten und hinter den ersten vier wird es sehr … äh … rustikal.

Nehme ich all das zusammen, sind die Lauterer für mich der dritte Abstiegskandidat, nicht zuletzt weil ich nicht das Gefühl habe, das irgendjemand im Falle des Abstiegskampfs wirklich gegenhalten könnte, die Grätsche rausholt und seinen Kameraden zuruft “Mir nach! Ich weiß wo es lang geht”.

Reaktionen

  1. Wo kann man Kommentare eingeben?

    Nach elf Jahren habe ich die Kommentare im Blog mangels Zeit für Kommentarverwaltung geschlossen. Es kann noch kommentiert werden. Es ist aber etwas umständlicher geworden.

    1. Das Kommentarblog http://allesausseraas.de/, aufgezogen von den Lesern @sternburgexport und @jimmi2times
    2. Sogenannte „Webmentions“ mit einem eigenen Blog. Siehe IndieWebCamp
  2. Bei Hannover soll Yankow für die Vorlagen zuständig sein. Ob’s wirklich klappt steht auf einem anderen Batt geschreiben, aber es ist einer da. Trotzdem: Alleine die Tatsache, dass der Trainer dort Lienen heißt lässt mich ebenso an einem besseren Abschneiden als Platz 9 zweifeln.

  3. Thomas Strunz im Doppelpass redet sich gerade um Kopf und Kragen. Eieieiei. Der geht gemeinsam mit Fach, bevor die Blätter fallen.