Stock-Cars am Norisring
Ehre wem Ehre gebührt, aber das Spektakel was die DTM gestern am Norisring in Nürnberg abgezogen hat, gehörte zum unterhaltsamsten Motorsport des Jahres.
Motorsport-Anhänger gibt es verschiedene Geschmacksrichtungen. Die einen wollen einfach “das Beste” sehen und meinen damit das Schnellste was die Technik hergibt. Der Pilot wird zum Hilfsmittel der den Wagen steuert. Dieser Fan hat einen heiligen Gral: die perfekte Runde.
Dieser Typus von Fan zeichnet sich dadurch aus, das er nicht so viel Wert auf Spannung, Überholmanöver oder ausgeglichenen Teilnehmerfeld wert legt. Wenn McLaren-Mercedes fünf Sekunden schneller als ein Minardi fährt, so sei es dann eben so.
Der andere Typus von Fans legt mehr Wert auf den Piloten und will Kampf, Auseinandersetzungen zwischen den Fahrern sehen. Die Autos sind dazu nur Hilfsmittel, ebenso gut könnte man auch Motorräder, Turnschuhe oder Nordic Walking-Sticks nehmen.
Ich gehöre zur letzteren Gruppe, weswegen ich liebend gerne 19 F1-Rennen gegen 40 NASCAR-Rennen eintauschen würde.
Ersatzweise tut es auch ein DTM-Rennen am Norisring. Das Faszinosum beginnt schon mit der Strecke. So simpel, so einfach und doch im Sinne des obigen Fans die ideale Strecke: Einfach die Autos zwischen zwei Haarnadelkurven pendeln lassen, eine breite Straße, dazu eine Schikane und Steinmauer.
Die zwei Haarnadelkurven verleiten selbst gestandene Profis irgendwann im Laufe der über 70 Runden den Bremspunkt dann doch noch einmal 1 Meter weiter vorne zu legen. Hier wird nicht nur überholt, sondern gedrängelt und geschubst. Auf keiner anderen Strecke können Piloten so mit Psyche und Physis spielen. Selbst beim besonnenen Bernd Schneider brannten irgendwann die Sicherungen durch und gab Margaritis (oder Spengler?) zum Abschuß frei.
Auch die Story des Rennens war dramatisch: durch schnelle Reaktion auf eine erste Safety-Car-Phase schob sich Opels Marcel Fässler nach vorne und alles lief auf einen ersten Opel-Sieg hinaus… bis Fässler zu Beginn der zweiten Safety-Car-Phase auf Öl wegrutschte und sich die Frontpartie zu schwer beschädigte. Selten dass man einen Fahrer mit soviel Wut und Trauer in der Box umhertoben sah.
Ich kann mir vorstellen, dass die Herren aus den oberen Etagen bei Mercedes und Audi nicht ganz so entzückt waren, dass z.B. die jüngeren Fahrer wie Jamie Green reihenweise durch Fehler die alten Hasen wie Häkkinen abgeschossen haben. Auf der anderen Seite haben selbst die gestandenen Profis wie Schneider oder Aiello einiges an Karosserieverformung praktiziert.
Die Bilder waren allemal spektakulär: Fahrzeuge die funkensprühend an der Wand entlangschlittern, komplett abgerissene Hecks und weggeflogene Motorhauben. Noch spektakulärer waren aber die Kampfszene Runde für Runde. Nichts mit “statisches Rennen”. Hier hat jeder Fahrer Vorwärtsdrang gehabt, hier wurde noch bis in die letzte Runde versucht, sich vorbeizuschieben.
Es ist vielleicht nicht das Marketing-Idealbild einer DTM in den Augen von Mercedes und Audi. Aber es hat verdammt viel Spaß gemacht.
Ein Wort zu den ARD-Kommentatoren: auch wenn er ab und zu die Übersicht verlor, Klaus Ludwig wusste als Analyst verdammt gut zu gefallen. Andreas Spellig hingegen schien mit soviel Geschehen komplett überfordert zu sein und verhaspelte sich diverse Male. Eigentlich hätte man den Ludwig die Sache alleine machen lassen können, denn zumindest bei diesem Rennen stand der gute Mann derart unter Strom, das er auf seinem Stuhl einen Brandfleck hinterlassen haben muss.
Reaktionen
Das Rennen war wirklich absolut großartig. Das richtig Spaß gemacht, aber das macht es am Norisring ja immer. Auch die Rahmenrennen waren durch die Bank weg spannend und unterhaltsam.
Schade war nur wiedermal das es die ARD nicht geschafft hat die Siegerehrung zu zeigen. Die gehört zu einem Rennen einfach dazu und sollte auch gezeigt werden. Der Klaus gefällt mir in letzter Zeit als Kommentator auch immer besser, nur der Spellig scheint immer noch nichts dazu gelernt zu haben, und das obwohl er angeblich über 15 Jahre Motorsport Erfahrung verfügen soll. Leider merkt man davon nicht allzu viel.