35 Jahre NFL-Geschichte gehen zu Ende
Ein Drittel Jahrhundert war das von ABC und der NFL eingeführte “Monday Night Football” alt und ist zum Meilenstein der Sport-TV-Geschichte geworden. Neben der Superbowl trugen die aufwändigen Übertragungen zur PrimeTime maßgeblich zur Popularität der NFL bei.
Seit gestern abend ist es klar: ABC wird nach der kommenden Saison keine Monday-Night-Spiele mehr übertragen. Es passte irgendwie nicht mehr ins Profil von ABC. Seit Jahren ging es mit den Einschaltquoten abwärts und man zerriß sich die Mäuler über die mehr oder weniger gelungenen Versuche die Übertragungen aufzupeppen. Jahrelang torkelte man umher beim Versuch Al Michaels einen populären Analyst beizustellen. Als man mit John Madden jemanden gefunden hatte, meinte man an der Seitenlinie Sex statt Kompetenz als Field Reporter aufstellen und in der Halbzeit fragwürdige Einlagen wie z.B. singende Football-Stars abliefern zu müssen.
Letztendlich war es aber wohl für die ABC-Mutter Disney zu teuer geworden sowohl ESPN Sunday Night Game als auch ABCs Monday Night Game zu finanzieren. ABC machte mit den Monday Night Game zuletzt angeblich 150 Mio US$ Verlust pro Jahr, die Einschaltquoten sind ihnen in den letzten Jahren um 20% weggebrochen.
Der Umbruch
Statt ABC wird nun ESPN das Monday Night Game bekommen. Ein konsequenter Schritt, nach dem Motto “back to the roots”, Football wandert zum Sportfernsehen. Aber die 1,1 Milliarde US-Dollar die ESPN pro Jahr an die NFL überweisen müssen, sind auch für ESPN eine neue Größenordnung, knapp fünfmal soviel wie für ihr Sonntagsspiel in der PrimeTime.
Und wer rückt für ESPN am Sonntag nach? Welcome back, NBC. Im Nachhinein beißen sich die NBC-Verantwortlichen immer noch in den Hintern, dass sie 1997 ihre AFC-Übertragunsgrechte quasi kampflos CBS überliessen.
Man hielt sich seitdem mit einigen Surrogaten mehr schlecht als recht über Wasser. Die Witznummer XFL (von der World Wrestling Federation veranstaltet) wurde nach einem Sommer abgeblasen und Arena Football kommt ebenso günstig daher wie es die mauen Einschaltquoten versprechen.
NBC wird das Sunday Night Game übernehmen und 600 Mio US$ p.a. zahlen.
Kollateralschäden
Die Geschichte von NBC und CBS zeigt, dass der Verlust oder Gewinn von NFL-Übertragungsrechten der vielleicht größte Faktor für Umwälzungen im US-amerikanischen TV-Markt ist. FOX ist nur über den Einkauf der Rechte in die Riege der anerkannt “großen” Networks gesprungen. Als CBS in den 80er Jahren die NFL-Rechte aufgab, ging es mit dem Image von CBS bergab und am Ende standen sie im Ruf ein Seniorensender zu sein.
Schauen wir uns die einzelnen Beteiligten und die Konsequenzen ab der Saison 2006/2007 an.
NFL: ein Gewinner. Mit der Saison 2006/2007 kommen die neuen Verträge mit CBS, FOX, NBC und ESPN zum Tragen. Unterm Strich konnten die NFL die TV-Rechte-Einnahmen von 2,4 Mil. auf sensationelle 3,7 Milliarden US$ steigern, obwohl das wirtschaftliche Umfeld nicht das Beste ist. Und der Clou: ein Paket Übertragunsgrechte von Donnerstags- und Samstags-Spielen ist noch nicht einmal verkauft! Kann mal jemand Uli Hoeneß das Riechsalz reichen?
Monday Night Game: Neuer Broadcaster ESPN. Zeitverschiebung. Kickoff wird nun 25 Minuten früher sein: 2h40 deutscher Zeit (20h40 EST).
Sunday Night Game: : Neuer Broadcaster NBC. Keine Zeitverschiebung, Kickoff 2h15 MEZ/20h15 EST. NBC hat an den letzten 7 Spieltagen das Recht kurzfristig (binnen 2 Wochen) Ansetzungen vom Sonntag nachmittag auf den Sonntag abend zu verschieben und dadurch spannendere Ansetzungen zu übertragen. Genaue Modalitäten müssen noch ausgehandelt werden.
Interessant wird es sein zu beobachten wie sich das Kräfteverhältnis zwischen Monday Night und Sunday Night verschiebt. Sunday Night war bislang eher eine Angelegenheit für Football-Fans. Die Ansetzungen waren sehr häufig rassige Lokalderbys, während bei Monday Night mehr Wert auf “namhafte” Ansetzungen gelegt wurde, selbst wenn die Teams nicht mehr auf der Höhe der Zeit waren.
Das Sunday Night Game könnte nun mit NBC zu dem PrimeTime-Ereignis werden. Nicht zuletzt weil an einem Sonntag auch die Westküstenbewohner sich diese frühe Kickoffzeit (17h15 PST) leisten können ohne, wie montags, hektisch nach Hause zu brausen. Das macht den teuren ESPN-Vertrag für mich umso erstaunlicher.
ESPN: der Vertrag für das Monday-Night-Game läuft über 8 Jahre. Der teure Vertrag verlangt von ESPN, dass sich ihre Zielgruppe auch auf Nicht-Football-Fans erweitern. Immerhin gilt der Deal für ESPN bizarrerweise als re-finanzierbarer als für das große ABC. Denn ESPN kassiert Kabelgebühren, während ABC nur Werbeeinnahmen hatte. Ein angenehmer Nebeneffekt für ESPN: die Spiele werden nicht nur im Kabel zu sehen sein, sondern von den entsprechenden Lokalsender der beteiligten NFL-Teams auch via Antenne übertragen. ESPN bekommt also auch außerhalb des Kabels Exposure.
Ich würde mich wundern, wenn ESPN es beim stark umstrittenen Kommentatoren-Trio Patrick, Theisman und Maguire belässt. Alles, nur nicht Chris Berman.
ABC: Al Michaels zeigte sich gegenüber der NY Times noch geschockt. Sein Vertrag mit ABC läuft im Sommer 2006 aus, er wäre also für die NFL-Saison danach ein freier Mann. Er könnte natürlich einfach nur innerhalb des Disney-Konzerns von ABC zu ESPN wechseln. Fragezeichen hinter John Madden, der natürlich auch immer älter wird. Für meinen persönlichen Geschmack zehrt Madden inzwischen mehr von seiner Legende als von inhaltlicher Qualität.
NBC: NBC ist es nun gelungen die Scharte auszuwetzen, die man vor einem Jahrzehnt durch den Verlust der NFL-Übertragunsgrechte erlitt. Dabei ist ihnen m.E. sogar ein hervorragender Deal gelungen. Das Konzept das in der aktuellen Zeit ein Sonntag-Abend-Spiel aus versch. Gründen mehr Zuspruch bekommt als ein Montag-Abend-Spiel, könnte aufgehen. Zudem hat man von Seiten der NFL viel Flexibilität bei der Wahl der Spielansetzungen bekommen.
(weitere Infos in der NY Times, ESPN, Washington Post)
Reaktionen
Von der NBC-Website erfährt man im übrigen, dass der Deal mit NBC nicht nur die TV-Rechte umfasste, sondern auch weitergehende Dienstleistungen mit der Konzernmutter von NBC, General Electric.
Und es versteckt sich darin auch die Ankündigung von “American Bowls” (Preseason-Spiele) in China.
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