1860, nein, Schalke ist das nächste Dortmund!
Schien es am Wochenende kurzfristig so zu sein, dass 1860 in die Fußstapfen den Finanzhasardeurs Borussia Dortmund treten könnte, gibt es nun wieder Kunde aus Schalke, unserem Langzeitverdächtigen.
Die Parallelen zwischen Schalke und BVB liegen auf der Hand, Stichwort Spielerkäufe, Stadion, Schechter-Anleihe, schwer durchschaubares Geflecht aus Tochter-Unternehmen. Bereits im letzten Sommer kochte das hoch, ich verweise auf Entsprechendes bei aas, doch abgesehen von zwischenzeitlichen Kabelleien zwischen Assauer und Aufsichtsratsmitglied Tönnies kam da nix mehr, Rangnick und dem Erfolg sei dank.
Fussball24 berichtet nun über eine Vorabmeldung des morgen erscheinenden FOCUS-MONEY.
FOCUS-MONEY schätzt die Situation als noch bedrohlicher als bei Dortmund ein. Für 2004 muss Schalke bei einem Umsatz von 94 Mio EUR 17 Mio EUR Verlust melden. FOCUS-MONEY will dabei vom Clubmanagement Einblick in die Bilanzen 2003 und 2004 bekommen haben.
Der Schuldenstand soll noch höher als beim BVB sein: 110 Mio EUR. Ein Professor von einem Institut für Wirtschaftsprüfung sieht ausufernde Schulden und Bilanztricks am Werk. Die Eigenkapital-Situation von -1,9 Mio für 2003 soll lt. FOCUS-MONEY “verheerend” sein. Der Professor, lt. Fussball24.de:
Auch beim Revier-Nachbarn und derzeitigen Tabellen-Zweiten finden sich nach Ansicht des Wirtschaftsexperten “ausufernde Schulden und Bilanztricksereien”. Die Bilanz wäre “noch desaströser, würde Schalke nicht jedes Jahr tief in Schminkschatulle greifen”, kritisierte Küting: “Schalke wäre ohne die – aus Konzernsicht – ständigen Luftbuchungen finanziell längst an die Wand gefahren. Der Club ist bilanziell überschuldet.” […]
Als Beispiel für fragwürdige Bilanztricks nennen Experten u.a. die bekannte Transaktion mit dem alten Parkstadion. Der Stadt Gelsenkirchen kaufte Schalke das marode Stadion 2003 für den symbolischen Preis von 1 Euro ab. In der Bilanz wurde es dann mit einem Wert von 15,6 Millionen Euro als “außerordentlicher Ertrag” auf der Habenseite verbucht, weil der Wert des Parkstadion-Geländes in zwei Gutachten auf diesen Betrag geschätzt wurde. So sei laut Küting der für 2003 ausgewiese Verlust von 19 auf 4,1 Millionen Euro geschrumpft: “Dieser Buchgewinn ist aus Konzernsicht undenkbar.”
Erstmals ist auch von einem neuen Schalke-Konstrukt die Rede: eine Rechtevwertungs GmbH in die drei Tochtergesellschaften (Catering, Ticket/Security und Museum) eingegliedert wurden.
Der Club verteidigt sich gemäß dem Rhetorik-Handbuch von Niebaum/Meier: man wäre keine Hasardeure, würde nur alle bilanziellen Möglichkeiten ausnutzen (Finanzvorstand Schnusenberg) und das Risiko wäre vertretbar (Assauer). Bereits für 2005 rechnet Schnusenberg mit Besserung. Der Umsatz soll auf über 100 Mio hüpfen, der Break-Even erreicht werden und bis dato wurden alle Zins- und Tilgungszahlungen brav geleistet.
An dieser Stelle darf man sich übrigens fragen, warum Schalek ausgerechnet einem Wirtschaftsmagazin Einblick in die Bilanzen gibt. Schalke muss als nicht -börsennotiertes Unternehmen die Bilanzen eigentlich nicht offen legen. Ist es nur ein Schritt der Beruhigung im Zuge des BVB-Trubels, oder hat man etwas anderes im Sinne?
Reaktionen
Inzwischen zieht die Meldung auch international ihre Kreise. Basierend auf die Vorabmeldung meldet die L’Équipe bzw. AFP, dass obiger Wirtschaftsprofessor mit einem Verlust von 68,8 Mio EUR für die Saison 2004-2005 rechnet, wass dann wirklich BVB-Dimensionen wären.
Laut AFP dementiert Finanzvorstand Schnusenberg die Schätzungen des Professors, weil er nicht die Bilanzen 2003 gesehen hat und die Bilanz 2004 nicht gelesen haben kann, da diese noch nicht existiert.
Ich habe keine Ahnung wie diese Dementis zu der Aussage von FOCUS-MONEY passen, dass diese durch die S04-Geschäftsführung Einblick in die Bilanzen 2003 + 2004 gehabt hätten.
Hmmh, Küting ist eigentlich die Koryphäe in D auf dem Gebiet der Bilanzanalyse, hat mit seinem Kollegen Weber das Standardwerk zum Thema geschrieben. Er macht außerdem regelmäßig ein Rating zur Bilanzpolitik der deutschen Großkonzerne. Glaube nicht dass sich so jemand auf Glatteis begibt, nur um in ein Blättchen wie Focus Money zu kommen.
Der a.o.-Ertrag über die Neubewertung ist indeed ne ziemliche Luftbuchung und wegen den Größenrelationen sehr bedenklich. Wenn ich 50 Mrd. Aktiva hab und paar Mios für Gebäude/Grundstücke dazubuche (Hallo, Telekom) ist es was anderes als bei vielleicht 100 oder 150 Mio Aktiva. Die Aussagen (“bilanzielle Möglichkeiten”) bedeuten in diesem Falle dass die jährliche GuV geschönt wird weil keine Rückstellungen gebildet werden (oder die Aktiva zu positiv berwertet werden), und in der Bilanz dann harte Schulden (Schechter-Anleihe) durch extrem “weiches” Anlagevermögen gedeckt sind. Oder auf Deutsch: bilanzielle Überschuldung.
Als Grund für die Bilanztricks bleibt eigentlich nur die Täschung der DFL im Zuge der Lizenzierung. M-V to the rescue!
btw: Kütings Lehrstuhl an der Uni Saarbrücken heißt Institut für Wirtschaftsprüfung, ist also kein Institut hinter dem irgendwelche Interessengruppen stehen.
Zur Ergänzung zwei Artikel auf westline.de (Westfälische Nachrichten etc…):
Die Schulden
Interview Schnusenberg
Schalke wird genauso enden wie Dortmund, denn Pleite sind jetzt schon beide, lügen sich selbst einen inne Tasche, und geben Geld aus, was vielleicht irgendwann einmal eingenommen wird, wenn aber auch alles optimal läuft. So isses; und nicht anders!
Naja, wenn es danach geht gehen alle anderen Vereine auch Pleite. Laut Kicker hat ja die gesamte Deutsche Bundesliga 800 Mio. Euro Verbindlichkeiten…
Das heißt das Schalke und Dortmund gerade mal grob 1/4 davon auf sich vereinen. Tja, das war es dann wohl mit der Bundesliga.
Es gibt in unseren Nachbarländern wie England (premierleague) oder Italien (Serie A) weitaus höher verschuldete Clubs die immer noch überleben.
Die DFL hat gestern der KICKER-Meldung widersprochen.
Verbindlichkeiten sind nicht gleich Verbindlichkeiten. Siehe das Beispiel Spanien, bei denen den Schulden gleichzeitig enormen Grunstückswerten, teilweise in den Stadtzentren, gegenüberstehend. Alleine Real Madrid hat Grundstücke (ohne Bebauung!) im Werte von 700 Mio EUR.