BVB und die Finanzen
Seit knapp zehn Tagen tut sich wieder was in Sachen Finanzen beim BVB und gestern wurde es richtig turbulent.
Vor knapp anderthalb Wochen mehrten sich die beunruhigenden Nachrichten, u.a. kolportierte die BILD, dass der BVB die Spieler gebeten habe, keinen Trikottausch nach Spielen zu veranstalten, da die Trikots alle recht teuer wären. Das Gerücht wurde nie bestätigt und klingt auch nicht wirklich glaubwürdig.
Dann die Meldung dass der BVB kurzfristig sich einen sehr teuren Kredit an Land geholt hat, um dringend benötigtes Frischgeld zu bekommen (10 Mio).
Gegen Ende der Woche dann die Meldung, dass der BVB neue Aktien ausgibt (Kapitalerhöhung), um wieder an Geld heranzukommen (siehe KICKER, Berliner Zeitung), möglicherweise um anstehende Gewerbesteuern (3-4Mio) zu zahlen. Wenige Stunden später wird bekannt, dass der Großaktionär Norman Rentrop seine 11% loswerden will und inzwischen an den “Neckermann-Erben” Florian Homm (“Zerleger von Mallorca“) verkauft hat. Homm ist eine Person die an der Börse äußerst riskannte Geschäfte betreibt (Hedge-Fonds) und keinen integren Ruf geniesst (von der Bundesfinanzaufsicht wg. Kursmanipulationen mit Geldstrafe belegt) (Börse-Online, taz)
Doch der Aktionismus im Vorfelde der Veröffentlichung der Jahresbilanz geht weiter. Man will seine Schulden umstrukturieren und möglicherweise auch entflechten. So scheint man nun die “Schechter-Anleihe” doch aufzunehmen (120 Mio), u.a. um das Stadion zurückzukaufen, dass derzeit der Commerzbank-Tochter Molsiris gehört. Preis: 75-100 Mio. Das Stadion wurde für 75Mio verkauft, es gibt aber wohl eine Art vertraglich fixierten Aufschlag von 25 Mio, sollte der BVB das Stadion früher als geplant zurückkaufen wollen. Um just diesen Aufschlag scheint man derzeit mit der Commerzbank verhandeln zu wollen.
Vorteil des Rückkaufes: Man muss keine Miete mehr zahlen (15 Mio/Jahr) und hat Zugriff auf hinterlegte Banksicherheiten (55 Mio).
Verschiedene Analysten werten diese Schritte der Borussia (eine große Anleihe statt sich aus vielen kleinen Geldquellen zu bedienen) als positives Signal.
Negativ wird hingegen gewertet, dass die Zukunft des BVBs weiterhin auf wackligen Füßen steht. Der BVB hat bei Herausgabe der neuen BVB-Aktien ein Prospekt “BVB Road Show London 2004” erstellt, dass einige Ausblicke gibt:
– den Vermarkter SportFive will man loswerden
– nächste Saison wird mit UEFAcup-Einnahmen (11 Mio) gerechnet
– übernächste Saison mit ChampionsLeague (17 Mio)
– weitere Reduzierung der laufenden Kosten in dieser Saison um 30%
– Umwandlung von noch mehr Sitzplätzen in VIP-Logen
– Verlängerung des gutdotierten Sponsorvetrages mit EON, der allerdings in Zeitungen seinen Ausstieg nach dem Auslaufen des Vertrages 2006 verkünden lässt.
Der BVB rechnet also weiterhin zukünftige sportliche Erfolge mit ein, als ob man nicht bereits 1-2 Mal damit auf die Nase gefallen wäre.
Im Oktober steht die Jahresbilanz an, bei der mit 65-70 Mio neue Schulden alleine in der abgelaufenen Saison gerechnet werden.
Bis zum Jahresende müssen dann noch mal 4 Mio EUR an die Commerzbank-Tocher “Assunta” gezahlt werden, von der sich der BVB die Rechte am Stadionnamen zurückholte, die Anfang des Jahres für einige Monate verkauft waren. Ferner muss für 10 Mio ein von der DFL vorgeschriebenes Trainingszentrum errichtet werden und das Westfalenstadion für 6Mio WM-reif modernisisert werden.
Weitere Links:
Westfälische Rundschau
Berliner Zeitung
KICKER
WAZ/dpa
SZ
Reaktionen
Borussia Dortmund ist bankrott. Aus und fertig!
Aber damit lässt sich scheinbar bei der ach so strengen Finanzkontrolle von DFL/DFB ganz gut leben. Nur mit den kleinen – Pauli, Union usw. ist man aber ganz, ganz streng. Das passt schon ausgesprochen gut ins gesellschaftliche Gesamtklima.
Schöne Aufstellung der Fehlschlags-Entscheidungen beim BVB der letzten Jahre. Schon erstaunlich, welch ein hin- und her die sog. Finanz- und Wirtschaftsexperten da fabrizieren. Flops wie der als gescheitert anzusehende Versuch, einen eigenen Sportartikelhersteller (gool.de) zu etablieren mal ganz aussen vor gelassen.
Hey allesesaussersport, wo bleibt Deine Analyse der Dortmunder Bilanzpressekonferenz? Ich finde es ausgesprochen spannend den Koloss wanken zu sehen.118,8 Millionen Euro Miese laut SZ…meinlieberherein, das ist ja fast ne viertel Milliarde Mark. Meine Frage in die Runde: Wie erhält ein Verein mit so einer desaströsen Bilanz eine Lizenz für den Bundesligaspielbetrieb?
Die Zahlen sind nicht unerwartet, sondern entsprechen ziemlich genau den von Journalisten seit Frühjahr prognostizierten Zahlen. Selbst Niebaum hat diese Zahlen bereits gestern in Zeitungsinterviews bestätigt. Entweder haben sich die Zeitungen alle beim gleichen Interview bedient, oder Niebaum ist durch die Redaktionen getourt um Feuer auszutreten…
Von daher fehlt mir das “Überraschende” um hier zu berichten, bzw. mir fehlt auch die Zeit (NFL und WM-Quali sind in der Pipeline…)
Ein Aspekt den ich weiterrecherchieren wollte, aber, auch da fehlt mir die Zeit:
Das Wettbüro Intertops soll sich inzwischen weigern Wetten auf Bundesliga-Spiele Bayern – Dortmund anzunehmen. Nachdem bekannt wurde, dass der BVB von Bayern einen mäßig als Frings-Abschlagszahlung getarnten Kredit in Millionenhöhe bekommen hat und man am darauffolgenden Wochenende sich in den Schlußminuten zwei Bayern-Tore einfing, ist Intertops die Kiste zu heiß geworden…
Was die Lizenzierung angeht: für meinen Geschmack war die Lizenzierung des BVBs grenzwertig, vorallem eingedenk des Punkteabzugs den der FCK vor 1-2 Jahren in ähnlicher Angelegenheit bekommen hat.
Aber ich sehe ein Problem bei der DFL: wer von den Hackmännern soll das Know-How haben, ein derartig wüstes Finanzkonstrukt wie dass des BVBs im Rahmen eines Lizenzierungsverfahren zu durchschauen?
Ich will aber nicht verhehlen das ich auch die BVB-Opposition gefordert sehe. Von Mißtrauensanträgen und ähnliches gegenüber Niebaum ist kaum was zu bemerken. Nur wenn der Röckenhaus wieder O-Töne braucht, dann reißen die Kleinaktionärs- und Banken-Vertreter ihre Mäuler auf.
Wobei ich es nicht uninteressant finde, dass die bisherigen journalistischen Stürmer wie Röckenhaus und der KICKER-Mann bislang nichts zu der Bilanzkonferenz geschrieben haben. Zumindest nix was ich bis Samstag morgen dem Internet entnehmen kann.
Die brauchen anscheinend etwas länger um sich durch das Zahlenwerk zu fressen. Als BVB würde mich das Schweigen von Röckenhaus & Co. unruhig machen. Es könnte die Ruhe vor dem Sturm sein.
In der SZ steht heute ein ausführlicher Artikel von Freddie Röckenhaus zum Thema, der allerdings auch nicht besonders neues bringt. Online findet sich auf sueddeutsche.de “nur” die dpa-Meldung zur Pressekonferenz.
Viele Grüße,
SurfGuard
P.S.: Übrigens ist “Stürmer” als Bezeichnung für Journalisten ein besser zurückhaltend zu benutzender Begriff…
Freddie Röckenhaus legt heute in der Süddeutschen Zeitung nach (leider nicht online verfügbar). In Kürze zusammen gefasst, sagt der Artikel Folgendes:
1. Florian Homm, neuer Großaktionär, hat die Kapitalerhöhung des BVB mit 20 Mio. quasi alleine getragen.
2. Im Gegenzug hat die BVB-Geschäftsführung ein Papier unterschrieben, das der Süddeutschen angeblich vorliegt. Darin verpflichtet sich Niebaum, spätestens 2006 zur Neuwahl des Präsidiums sein Amt zur Verfügung zu stellen.
3. Außerdem verpflichtet sich der BVB, einem von extern neu einzustellenden Geschäftsführer die Themen Finanzen und Controlling vollständig zu überlassen. Michael Meier dementierte diese Behauptung der SZ gegenüber ausdrücklich nicht.
4. Der BVB hat sich in dem Papier schließlich auch noch verpflichtet, nicht mehr mit Uefa- oder Transfererlösen zu planen. Das hatten Niebaum und Meier am Freitag noch als eigene Idee dargestellt.
5. Homms Fondsfirma erhält zwei Aufsichtsratsmandate sowie drei Beiratsmandate.
6. Ohne die erfolgreiche Kapitalerhöhung habe dem BVB schon in dieser Woche die Insolvenz gedroht, deutet Homm laut Röckenhaus an.
Heute folgte das Dementi von Dr. Niebaum. Röckenhaus dazu bereits in seinem Artikel: “Noch allerdings klebt Niebaum, der … über eine Million Euro Jahresgehalt kassieren soll, an seinem Stuhl.” Allerdings meldet auch der kicker heute online, dass ihm das Papier vorliege. Im kicker-Artikel sind die Behauptungen aus dem SZ-Artikel im Wesentlichen auch noch einmal wiederholt.
Angesichts der Tatsache, dass SZ und kicker bei ihren bisherigen Meldungen zum BVB trotz teilweise heftigster Dementis fast immer bis auf die Nachkommastelle Recht hatten, sehe ich keinen Grund, dieses Mal zu zweifeln.
Viele Grüße,
SurfGuard