Nie war die TdF sauberer als heute…
… zumindest wenn es nach dem Willen der Tour-Veranstalter geht. Jean-Marie Leblanc ist, wie viele französische Radsport-Funktionäre, vom alten Schrot und Korn, sozusagen ein 200%iger Rehhagel, für den alle Radfahrer “seine kleinen Jungs sind” und für den Doping lange Zeit die Wertigkeit von “Lausbubenstreiche” oder “Einzelfälle” hatte.
Seit nunmehr fünf Jahren vergeht keine Tour de France ohne dass die Rundfahrt in irgendeiner Weise von Doping-Affären durchgeschüttelt wird, bis hin zu Polizeiuntersuchungen.
Und es hat fünf Jahre gebraucht, bis Leblanc und Konsorten eine rigidere Anti-Doping-Politik fahren, nicht zuletzt nach dem immer mehr Sponsoren Druck ausüben, damit in diesem Sport das große Reinemachen einsetzt.
Noch nie hat sich ein Leblanc so früh und so vehement in Sachen Doping aus dem Fenster gelehnt. Er drohte Polizei-Razzien an, deren strikter Gegner er bislang war, er drohte konsequent jedem Team mit Ausschluß aus der TdF, falls sich diese oder einer ihrer unter Vertrag genommenen Fahrer irgendwie im Verdacht des Doping stünden.
Zum ersten Mal in der Tour-Geschichte wird im Rahmen des AntiDoping-Kampfes den Athleten Blut abgenommen um es auf Doping zu untersuchen (es gibt anscheinend einen Unterschied zu den bisherigen Untersuchungen von Hämatokrit-Werten). Der Radsportverband, die UCI, hat in einem Rundschreiben an die Teams unverhohlen mit verbesserten wissenschaftlichen Mitteln zum Erkennen von Doping gedroht.
Insbesondere die Zufuhr von Eigenblut und Doping mit Wachstumshormenen, wie teilweise bei Cofidis ermittelt, soll nun entdeckt werden können.
All diese Initiativen werden aber nicht verhindern können, dass auch diesmal das “Doping” auf der Tour mitfährt, auch wenn die an Unterwürfigkeit nicht zu übertreffenden Fernsehkommentatoren von ARD, ZDF und EUROSPORT lieber von Camembert und 17er-Ritzel schwärmen werden.
Da wäre der Fall “Cofidis”, der immer noch vor sich hin gärt. Die Tour-Veranstalter haben Cédric Vasseur und David Millar von der Tour ausgeschlossen. Millar, der Zeitfahr-Weltmeister und Teamkapitän, wurde wegen Doping-Vorwürfen letzte Woche für 48h in Untersuchungshaft genommen und gab die Einnahme von EPO zu.
Erst im März wurde das Team Kelme aus der Tour ausgeladen, da Beweise für systematisches Doping vorliegen sollen. LeBlanc schmiß letzte Woche auch italienische Radfahrer raus, die nach einer Polizeirazzia im Verlaufe des Giros, noch unter Anklage stehen, z.B. Danilo Di Luca von Saeco..
Kurz vor der Tour wurde in Frankreich von zwei Journalisten ein Buch “LA Confidientiel” veröffentlicht, das Lance Armstrong, den fünffachen Tour-Champ, des Dopings beschuldigt.
Alle Jahre wieder werden diese Vorwürfe an die Oberfläche gespült, ohne dass es handfeste Beweise einerseits, aber auch wasserdichte Dementis andererseits gibt. Seit Jahren wird spekuliert, dass Armstrong seinen Hoden-Krebs benützt hat um Doping-Präparate zu maskieren. So wie Ullrich und viele andere Radfahrer im Windschatten ihres Asthmas leistungsfördernde Präparate einnehmen sollen.
Das Buch “LA Confidentiel” wird in aller Ausführlichkeit von L’Équipe analysiert. Die beiden Journalisten, ein Franzose, ein Engländer, haben ausgehend von einer Zeugenaussage, drei Jahre lang recherchiert. Diese Zeugenaussage stammt von der ehemaligen Masseuse Armstrongs Emma O’Reilly. Armstrong soll ihr 1999 gesagt haben, das sein Hämatokrit-Wert zu niedrig sei und er es künstlich heraufsetzen will “wie alle anderen”.
Später bat Armstrong um ihr Make-Up, um bei einer Routine-Kontrolle die vielen Nadeleinstiche an den Armen zu verdecken. Im Juli 1999 wurde bei einer positiven Dopingprobe ein Rezept gefälscht, um den Befund mit der Einnahme von künstlichem Cortison zu erklären.
Die Autoren berichten ferner von einem Telefongespräch 2001 zwischen Armstrong und dem als ehrliche Haut bekannten Greg LeMond, dem Armstrong gesagt haben soll: “Wie? Du hast nie EPO genommen? Jeder nimmt doch EPO!“. Dieser Dialog wurde von LeMond weder dementiert noch ist er gerichtlich dagegen vorgegangen.
Armstrong geht inzwischen gerichtlich gegen das Buch vor. Nach Ansicht des L’Équipe-Analysten und Ex-Rennfahrer Eric Boyer eine gefährliche Sache. Das Buch könnte sich als “mehrstufige Rakete” erweisen. Erst kommt das Buch raus, dann klagt Armstrong und dann legen die Journalisten dem Gericht die Beweise vor. Armstrongs Karriere wäre mausetot.
Es gäbe noch nie einen deratig wertlosen sechsten Tour-De-France-Sieg.
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